Bosshard, Marcus Thomas

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Ruhr-Universität Bochum (RUB): Open Journal Systems

366 Buchbesprechungen Pilar Arnau i Segarra / Gero Arnscheidt / Tilbert Dídac Stegmann /Manfred Tietz (Hg.): Narrative Neuanfänge. Der katalanische Romander Gegenwart. Einzelinterpretationen. Berlin: edition tranvía / VerlagWalter Frey, 2007 (Kultur und Gesellschaft der katalanischenLänder; 5). 398 S. ISBN 978-3-938944-13-4.Zwei Jahre sind inzwischen vergangen seit dem überaus kontroversenkatalanischen Ehrengastauftritt auf der Frankfurter Buchmesse 2007.Wurde damals in den deutschen Feuilletons ungewöhnlich scharfe Kritikam Buchmessenkonzept der verantwortlichen katalanischen Kulturinstitu-tionen mit seiner monolingualen Ausrichtung geäußert, so führt heutewohl kein Weg am Eingeständnis des weitgehenden Scheiterns der ambi-tionierten Pläne vorbei, die Stellung des Katalanischen als Literatursprachedurch großzügige Übersetzungsförderungsprogramme international zustärken: Ein wirklich signifikanter Anstieg der Übersetzungen aus demKatalanischen auf dem deutschen Buchmarkt ist leider nicht zu beobach-ten; im Gegenteil liegt die Zahl der Übersetzungen aus dem Katalanischenmittlerweile wieder auf dem bescheidenen Niveau der Jahre vor demBuchmessenauftritt, das wiederum deutlich unter dem noch während der1990er Jahre erreichten Niveau liegt. Die Narrativen Neuanfänge der katalani-Zeitschrift für Katalanistik 22 (2009), 341–371 ISSN 0932-2221https://doi.org/10.46586/ZfK.2009.366-369 Ressenyes 367schen Gegenwartsliteratur, die die Herausgeber Pilar Arnau i Segarra, GeroArnscheidt, Tilbert Dídac Stegmann und Manfred Tietz in ihrem ebenfallsbereits 2007 – also pünktlich zur Buchmesse – erschienenen Band doku-mentieren, könnten daher dazu beitragen, das Interesse der deutschspra-chigen Leser am katalanischen Roman neuerdings – und vielleicht nach-haltiger – zu wecken.Ein solcher Multiplikationseffekt zugunsten der aktuellen Romanpro-duktion in katalanischer Sprache ist der Aufsatzsammlung durchaus zuzu-trauen, denn die Publikation richtet sich weniger an Spezialisten, sondernan eine breitere Zielgruppe inner- und außerhalb des Wissenschafts-betriebs: an Romanisten, die bisher mit der Katalanistik wenig in Kontaktgekommen sind, Studierende, Lehrer sowie auch an interessierte Leser imweiteren Sinne. Im Klappentext heben Verlag und Herausgeber dann auchhervor, sie wollten die Kenntnisse deutschsprachiger Leser der katalani-schen Literatur „aus literaturhistorischer Perspektive vertiefen, die außer-ordentliche Vielfalt der katalanischen Romanproduktion aufzeigen undzum Verständnis der einzelnen Texte in ihren komplexen literarischen,sozialgeschichtlichen und politischen Zusammenhängen anregen.“ Die ein-führende Überblicksdarstellung über den katalanischen Roman der vergan-genen fünfzig Jahre sowie die folgenden siebzehn Einzelinterpretationensind diesem Ziel überaus zuträglich. Alle Beiträge folgen im Aufbau einemähnlichen Schema, geben dem Leser jeweils eine mehr oder weniger aus-führliche Inhaltssynopse der betreffenden Romane sowie kontextualisie-rende Hintergrundinformationen zu Leben und Werk der Autoren vordem Hintergrund der (post-)franquistischen Sprachenpolitik in Katalonien.Tatsächlich zeugen sie in eindrücklicher Weise von der Mannigfaltigkeitdes katalanischen Gegenwartsromans, der das gesamte Gattungsspektrumabdeckt, vom phantastischen Roman (Artur Quintana i Font über JoanPeruchos Pamela) über die Spielarten und Modifikationen des Science-Fic-tion-Romans (Christina Kohse über Antonio Sánchez Piñols La pell freda),den Kriminal- bzw. Detektivroman (Hubert Pöppel über Maria AntòniaOlivers Estudi en lila), den historischen Roman (Pere Joan Tous über Ga-briel Janer Manilas La dama de les boires und Horst Hina über Carme RierasDins el darrer blau), den in der Tradition Rodoredas auf Frauenbiographienfokussierten Roman (Pere Joan Tous über Pedra de tartera und País íntim vonMaria Barbal), den avantgardistischen Collage-Roman (Assumpta Terés Illaüber Biel Mesquidas L’adolescent de sal) bis hin zum postmodernen Stadt-roman (Elke Sturm-Trigonakis über Valentí Puigs Somni Delta, StefanieDölz über Alfred Boschs Heretaràs la Rambla, Tilbert Dídac Stegmann über368 Buchbesprechungen Joan F. Miras in València spielenden, Joyce parodierenden Roman Els tre-balls perduts oder auch Imma Martí über das in Emili Rosales’ La Ciutat Invi-sible beschriebene utopische Projekt Karls III., in Sant Carles de la Ràpitaeine Kunst- und Kulturstadt nach Petersburger Vorbild zu erbauen). Auchantiromaneske Formen (Eberhard Geisler über Josep Plas El quadern gris)werden nicht außer Acht gelassen, und ebensowenig fehlt der obligateBlick auf bereits als Klassiker des modernen katalanischsprachigen Romanszu bezeichnende Autorinnen und Autoren wie Montserrat Roig (Ute Hei-nemann über El temps de les cireres), Jesús Moncada (Gero Arnscheidt überCamí de sirga) und – selbstverständlich – Mercè Rodoreda (Dorit Golt-schnigg über La plaça del Diamant).Derselben Kategorie der Interpretationen ‚moderner Klassiker‘ zuzu-rechnen sind schließlich auch die Beiträge von Manfred Tietz über TerenciMoix’ El dia que va morir Marilyn und von Verena Berger über Quim Mon-zós La magnitud de la tragèdia. Sowohl Tietz als auch Berger thematisierenpointiert die innere Zerrissenheit der beiden Autoren hinsichtlich ihrer lite-rarischen Sprachenwahl: Während Moix ab 1983 das Katalanische zuguns-ten des Kastilischen nahezu ganz aufgegeben hat (bereits El dia que va morirMarilyn wurde, wie Tietz unterstreicht, in einer ersten Entwurfsfassung aufKastilisch konzipiert, in der weiteren Ausarbeitung jedoch auf Katalanischausgeführt), hat sich Monzó mehrfach, obwohl er es weiterhin praktiziert,sehr skeptisch gegenüber dem Katalanischen als Literatursprache geäußert.Eine ähnliche Problematisierung dieser sprachpolitischen Zerrissenheit, diedurch die Analysen der Texte der beiden Autoren hindurchschimmert –außer bei Tietz und Berger wird die Problematik noch bei Heinemann undPöppel angerissen, der darauf hinweist, dass bei Oliver der kastilischspra-chige Barceloniner Privatdetektiv Pepe Carvalho als Nebenfigur zur kata-lanischen Protagonistin Lònia Guiu auftritt –, vermisst man in der einfüh-renden, von Àlex Broch und Isidor Cònsul besorgten Überblicksdarstel-lung jedoch vollständig. An keiner Stelle findet sich inmitten der extensi-ven Aufzählung katalanischsprachiger Romanautoren auch nur ein vor-sichtiger Hinweis auf Schriftsteller wie Juan Marsé (der etwa in El amantebilingüe, ebenso wie Moix in seinen Interviews, einer katalanisch-kastili-schen Mestizisierung das Wort redet), Manuel Vázquez Montalbán oderEduardo Mendoza, die exemplarisch für die kastilischsprachige Literatur-produktion Kataloniens stehen. Eine etwas breitere und angemessenereAuslegung des Untertitels „Der katalanische Roman der Gegenwart“, d.h.unter Einschluss derjenigen katalanischen Autoren, die auf Kastilischschreiben, hätte das Panorama der literarischen Produktion im heutigen Ressenyes 369Katalonien komplettiert und den reichhaltigen Querschnitt noch vielfälti-ger gemacht – es ist dies jedoch der einzige Kritikpunkt an dieser sonsthochinformativen und anregenden Einführung in die katalanische Gegen-wartsliteratur. Marco Thomas Bosshard, Albert-Ludwigs-Universität, Romanisches Seminar,Platz der Universität 3, D-79085 Freiburg im Breisgau, <marco.bosshard@romanistik.uni-freiburg.de>.

Pilar Arnau i Segarra / Gero Arnscheidt / Tilbert Dídac Stegmann / Manfred Tietz (Hg.): Narrative Neuanfänge. Der katalanische Roman der Gegenwart. Einzelinterpretationen. Berlin: edition tranvía / Verlag Walter Frey, 2007 (Kultur und Gesellschaft der katalanischen Länder; 5)

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Pilar Arnau i Segarra / Gero Arnscheidt / Tilbert Dídac Stegmann / Manfred Tietz (Hg.): Narrative Neuanfänge. Der katalanische Roman der Gegenwart. Einzelinterpretationen. Berlin: edition tranvía / Verlag Walter Frey, 2007 (Kultur und Gesellschaft der katalanischen Länder; 5)

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