Im Artikel wird ein semesterübergreifender, lehrveranstaltungsunabhängiger, digitaler Lernraum für alle Lehramtsstudierenden aller Studienjahre und Schularten präsentiert, der aktuell an der Universität Erfurt im Projekt „Lehrerausbildung in Mathematik – Best Practice digitaler Anwendung“ (kurz: LAMBDA) entwickelt wird. In diesem erhalten die Studierenden einen Einblick bezüglich des Einsatzes digitaler Medien wie Apps und Erklärvideos im Mathematikunterricht - auch unter Berücksichtigung praktischer Unterrichtsideen

Hahn, Heike

Hock, Natalie

German

Mitteilungen der Gesellschaft für Didaktik der Mathematik (GDM)

6 Digitales Lehren und Lernen GDM-Mitteilungen 113 · 2022LAMBDA: Lehrerausbildung in Mathematik –Best Practice digitaler AnwendungHeike Hahn und Natalie HockTheoriebezugDer Umgang mit digitalen Medien ist sowohl fürdie meisten Erwachsenen als auch für Schülerinnenund Schüler selbstverständlich und Bestandteil ih-res alltäglichen Lebens. Nicht nur im Alltag, auchin der Arbeits- und Berufswelt sind digitale Medienmittlerweile weit verbreitet. Diese Allgegenwärtig-keit hat in den vergangenen Jahren – auch bereitsvor der Corona-Pandemie – die Notwendigkeit derProfessionalisierung von (angehenden) Lehrkräftenbezüglich des Einsatzes digitaler Medien im Un-terricht verstärkt, was beispielsweise die Strategiender Kultusministerkonferenz zur Bildung in der di-gitalen Welt einfordern (Kultusministerkonferenz,2017). In diesem Professionalisierungsprozess besit-zen die lehrerbildenden Universitäten mit der ers-ten Phase der Lehrkräfteausbildung eine besondereVerantwortung beim Erwerb von Qualifikationenin diesem Bereich, denn in jedem Unterrichtsfachsollen digitale Kompetenzen durch fachspezifischeSach- und Handlungszusammenhänge entwickeltwerden. Hierdurch wird deutlich, dass Medienbil-dung in universitären Veranstaltungen stets im Ver-bund mit fachlichen und fachdidaktischen Inhal-ten stattfinden kann und muss. Ferner sollen alle(angehenden) Lehrkräfte in der Lage sein, digitaleMedien adäquat im Unterricht einzusetzen, um ei-ne lernförderliche, individuell unterstützende undinhaltsangemessene Lernumgebung zu realisierensowie den digitalen Medieneinsatz zu reflektieren(Kultusministerkonferenz, 2017).ProjektetablierungUm diese Verknüpfung zu erreichen, wurde dasProjekt „Lehrerausbildung in Mathematik – BestPractice digitaler Anwendung“ (kurz: LAMBDA)etabliert, in dem ein semesterübergreifender, lehr-veranstaltungsunabhängiger, digitaler Lernraumauf der Lernplattform Moodle (dem Lernmanage-mentsystem der Universität Erfurt) für alle Lehr-amtsstudierenden aller Studienjahre und Schular-ten entwickelt wird. Inhaltlich finden digitale Werk-zeuge wie Apps, Erklärvideos und interaktiveÜbungen als mediale Elemente Berücksichtigung,da sie sich als zentrale Gestaltungsformate vonLehr-Lern-Prozessen herausgestellt haben (siehePetzko (2014), Ladel (2016), Brandt et al. (2020)). Be-sonders ist hierbei, dass neben Wissensbausteinenzu allen medialen Elementen Best-Practice-Beispielezum Einsatz der entsprechenden Elemente im Ma-thematikunterricht angeboten werden, die Studie-renden Anregungen geben, wie das jeweilige media-le Element bei einem Unterrichtsinhalt verständnis-unterstützend eingesetzt werden kann. Anlass da-für sind Beobachtungen in fachdidaktischen Schul-praktika, die zeigen, dass es vielen Lehramtsstudie-renden aller Schularten schwerfällt, das erworbenefach- und mediendidaktische Wissen konkret undmethodisch passend unter Einbeziehung medialerElemente für einen lernförderlichen Unterricht ein-zusetzen. Ähnliche Beobachtungen waren auch infachdidaktischen Seminaren erkennbar, in denenebenso digitale Medien zum Einsatz kamen, wasdurch die Abbildung 1 illustriert werden soll.Abbildung 1. Gespräch zwischen Dozierenden und Studieren-denIm Folgenden wird nun auf die bisherige Entwick-lung und den aktuellen Stand beim Aufbau desLernraumes eingegangen. Darüber hinaus wird amEnde ein Ausblick bezüglich der weiteren Entwick-lung sowie des Einsatzes des Lernraumes in derLehre an der Universität Erfurt gegeben.Entwicklung des Lernraumes und aktueller StandZunächst wurde eine Fragebogenerhebung beiLehramtsstudierenden durchgeführt, um ihre Er-wartungen an einen Lernraum zu erfassen und ihnentsprechend der Rückmeldungen adressatenge-recht gestalten zu können. Im Ergebnis der Befra-gung wurde deutlich, dass die befragten Studie-GDM-Mitteilungen 113 · 2022 Digitales Lehren und Lernen 7Abbildung 2. Filter für Apps im MathematikunterrichtAbbildung 3. Struktur der Ergebnisseite zur App „Pattern Sha-pes“renden ein großes Interesse bezüglich des App-Einsatzes im Mathematikunterricht besitzen undInformationen wie eine Kurzbeschreibung der App,möglicher Klasseneinsatz, den Preis, Vor- und Nach-teile sowie konkrete Unterrichtsbeispiele für denApp-Einsatz wünschen. Ferner sollten bezüglichmathematischer Erklärvideos Tools zum Erstellen,Kriterien zur Auswahl eines guten Erklärvideossowie entsprechende Beispiele Berücksichtigungfinden.Aufgrund des großen Interesses der Studieren-den am Einsatz von Apps im Mathematikunterrichtwurde beim Aufbau des Lernraumes mit diesemmedialen Element begonnen.Zur Gewährleistung einer übersichtlichen Struk-turierung aller Apps wurde durch eine externeSpezialfirma für E-Learning ein neues Plug-In fürMoodle entwickelt. Dieses Plug-In ermöglicht ei-ne Filtrierung aller Apps nach den Kriterien Klas-senstufe, Leitideen laut Bildungsstandards desMittleren Schulabschlusses sowie für den Prim-arbereich und mathematische Thematik, wobeidas letztgenannte Kriterium von der Klassenstu-fe und der Leitidee abhängig ist (siehe Abbildung2) (Kultusministerkonferenz, 2003, 2004). Bezüg-lich des Filters „Klassenstufe“ werden in Überein-stimmung mit dem Lehrplan in Thüringen jeweilsDoppeljahrgangsstufen (wie 1 & 2, 3 & 4, usw.)angeboten.Eine Volltextsuche ermöglicht es, alle Ergebnis-seiten nach passenden Begriffen wie mathemati-sche Thematik, Unterrichtsphase oder ähnliches zudurchsuchen.Außerdem wurde folgende Struktur für die „Er-gebnisseiten“ festgelegt:Kurzbeschreibung der AppMöglichkeiten und Grenzen der AppUnterrichtsideenDiese Unterteilung ermöglicht einen einheitlichenAufbau der Seiten bei Apps mit Aufgabenstellun-gen (Beispiel: Klipp Klapp) und ohne Aufgabenstel-lungen (Beispiel: Pattern Shapes).In der Abbildung 3 ist dies exemplarisch für dieApp Pattern Shapes erkennbar.Weitere Entwicklung des LernraumesIm weiteren Projektverlauf werden als nächstes zudiversen Apps „Ergebnisseiten“ erstellt und konkre-te Unterrichtsideen entwickelt, erprobt und reflek-tiert bzw. aus didaktischen Publikationen rezipiert.Eine Pilotierung der Unterrichtsideen findet in denpassenden Schulformen und Klassenstufen zur Ge-nerierung der Best-Practice-Beispiele statt.Ferner werden Auswahl- und Produktionskrite-rien sowie Produktionsmöglichkeiten von Erklärvi-deos adressatengerecht dargestellt und durch pas-sende Beispiele illustriert. Zukünftig soll zudemein Serviceangebot etabliert werden, in dem zumBeispiel ein technischer Support stattfindet.Einsatz des Lernraumes in der LehreAufgrund der Lehrveranstaltungsunabhängigkeitdes Moodle-Lernraumes wird in den fachdidak-tischen Lehrveranstaltungen sowohl im Bachelor-als auch im Masterstudium auf ihn aufmerksamgemacht. Somit kann der Lernraum einerseits vonden Lehramtsstudierenden eigenständig genutztwerden, um Mathematikunterricht im Rahmen vonPraktika vorzubereiten. Andererseits ist auch diekonkrete Einbettung in Seminare durch gezielteAufträge denkbar.Mit der Umsetzung des Projektes LAMBDAkönnen angehende Mathematiklehrkräfte verschie-dener Schularten derart qualifiziert werden, dasssie die Chancen digitaler Medien – insbesondereden Einsatz von Apps und Erklärvideos – erken-nen, aber auch ziel- und inhaltsadäquat nutzen undzudem kritisch reflektieren, was mit den Strategiender KMK (2017) einhergeht.LiteraturverzeichnisBrandt, B., Bröll, L. & Dausend H (Hrsg.) (2020). Digi-tales Lernen in der Grundschule II.: Aktuelle Trends inForschung und Praxis. Waxmann.8 Digitales Lehren und Lernen GDM-Mitteilungen 113 · 2022Kultusministerkonferenz (2003). Bildungsstandards im FachMathematik für den Mittleren Schulabschluss. tinyurl.com/shepqfpKultusministerkonferenz (2004). Bildungsstandards imFach Mathematik für den Primarbereich. tinyurl.com/y7d6t9qqKultusministerkonferenz (2017). Strategie der Kultusmi-nisterkonferenz „Bildung in der digitalen Welt“. tinyurl.com/2ynlvypoLadel, S. (2016). Digitale Medien im Mathematikunter-richt der Grundschule. In M. Peschel & T. Irion(Hrsg.), Neue Medien in der Grundschule 2.0. Grundlagen– Konzepte – Perspektiven (S. 154–165). Grundschulver-band.Petzko, D. (2014). Einführung in die Mediendidaktik. Lehrenund Lernen mit digitalen Medien. Beltz.Heike Hahn, Universität ErfurtE-Mail: heike.hahn@uni-erfurt.deNatalie Hock, Universität ErfurtE-Mail: natalie.hock@uni-erfurt.deDie elementare Version des Nim-Spiels als AppEine digitale ExperimentierumgebungGünter Krauthausen & Heiko EtzoldAusgangssituationSeit den 1990er Jahren wird die (fach-)didaktischeQualität digitaler Werkzeuge für die Grundschu-le anhaltend beklagt (Krauthausen, 1991). Ging esdamals vornehmlich um Produkte für den geradeerst im Grundschulbereich zugelassenen PC undsog. Lernsoftware auf Disketten bzw. CD-ROM, sohaben sich das Interesse und der Markt seit Erschei-nen des iPad im Januar 2010 zunehmend auf Tablet-Anwendungen verlegt. Die Klagen über die Qua-lität der entsprechenden Apps sind jedoch nichtsignifikant weniger geworden.Bisherige Bestandsanalysen (Goodwin & High-field, 2013; Larkin, 2014 & 2015) sehen neben ei-ner thematischen Dominanz von Number and Alge-bra bzw. der Leitidee Zahlen und Operationen v. a.ein nach wie vor instruktives Design bei etwa dreiVierteln des Angebots. Auch Walter (2022) findetin seiner Bestandsaufnahme des App-Stores unter137 Apps kaum solche zu den weiteren Leitideender KMK-Standards und ebenso wenig Apps, mitdenen ausdrücklich auch die allgemeinen, prozess-bezogenen Kompetenzen (KMK, 2005) in den Blickgenommen werden.Vor allem in Relation zu der schier unüber-schaubaren Menge des Marktangebots – Walter(2022) spricht mit Bezug auf das Portal statista von400 000 Apps in der (allerdings recht allgemeinen)Rubrik Bildung (Stand Februar 2022) – stellen auchApps, die nachweislich fachdidaktischen Gütekri-terien entsprechen, noch ein sehr kleines Angebotdar. Aber, das muss ausdrücklich hervorgehobenwerden, es hat sich eine Menge getan, seitdem diefachdidaktische Community ihre Rolle als an sichzwingend notwendiger Player bei der Entwicklungund Beforschung von HighQuality-Apps angenom-men hat. Zahlreiche v. a. jüngere Kolleginnen undKollegen aus der Mathematikdidaktik befassen sichseit rund zehn Jahren intensiv mit ,guten‘ Apps, seies in der Forschung und/oder in der Entwicklung.Beispiele wie Klötzchen (Etzold, 2021), Klipp Klapp(Etzold, 2020) – hier wird erfreulicher Weise aucheinmal die Geometrie adressiert! – , Stellenwerttafel(Kortenkamp, 2019) oder die Apps von Urff wie z. B.Rechendreieck (2018) oder Rechenfeld (2022) sind auchin Grundschulen inzwischen wohlbekannt und imZuge des Digitalpakts breit im Einsatz.Damit beginnt sich das Spektrum zwischen denals ,Extremen‘ gedachten Automatisierungs-Appswie Blitzrechnen (Klett Verlag, o. J.) und dem Zahlen-forscher (Krauthausen, 2006) als eine Anwendungzum produktiven Üben und zu allgemeinen Kompe-tenzen wie das Kommunizieren und Problemlösenzu füllen. Unter den lange formulierten Hoffnun-gen (zuletzt Krauthausen, 2020) lauteten zwei wiefolgt:1. Mehr Experimentier- & Simulationsumgebungenzum Erkunden mathematikhaltiger Situationen:Ein frühes Beispiel zu einer solchen Kategorie, dasNewton-Pendel (Krauthausen, 1994), wurde nur

LAMBDA – Lehrerausbildung in Mathematik – Best Practice digitaler Anwendung

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