Haltungswissen als disziplinärer Kern. Ein empirischer Zugang zu Deutungs- und Handlungsmustern der Absolvent:innen von Bachelorstudiengängen der Sozialen Arbeit an Hochschulen für angewandte Wissenschaften

Abstract

Breuer-Nyhsen J. Haltungswissen als disziplinärer Kern. Ein empirischer Zugang zu Deutungs- und Handlungsmustern der Absolvent:innen von Bachelorstudiengängen der Sozialen Arbeit an Hochschulen für angewandte Wissenschaften. Bielefeld: Universität Bielefeld; 2023.Die vorliegende Dissertation befasst sich mit der Frage, inwiefern sich in der (fiktiven) Fallbearbeitung durch Absolvent:innen von Bachelorstudiengängen der Sozialen Arbeit an Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) die als zentrale Aspekte gegenwärtiger professioneller Praxis herauszuarbeitenden Elemente Reflexiver Professionalität zeigen. Weiterführend werden Aussagen darüber angestrebt, ob sich in den Modulhandbüchern der HAW die in diesem Zusammenhang als ‚disziplinärer Kern‘ identifizierten Wissensbestände sowie die als hilfreich angenommenen didaktischen Überlegungen für ihre Nutzung im Sinne einer Reflexiven Professionalität wiederfinden. Dabei interessiert insbesondere die kritisch-reflexive Nutzung abstrakteren Theoriewissens, das als Haltungswissen im Rahmen der Fallbearbeitung heranzuziehen ist. Hinsichtlich der Ausgestaltung der Hochschullehre in Bachelorstudiengängen der Sozialen Arbeit lässt sich in den letzten Jahren einerseits ein Konsens über ein übergeordnetes Ausbildungsziel feststellen, das sich einer reflexiven Berufsausübung der Abslovent:innen verschreibt. Zugleich haben disziplinäre Diskussionen und Ansichten über die Frage, was als unverzichtbarer Inhalt des Studiums Sozialer Arbeit gelten soll, vor dem Hintergrund einer sich stark ausdifferenzierenden Ausbildungslandschaft im besten Falle nur noch Empfehlungscharakter. Im Wettbewerb der Hochschulen untereinander scheint ein verbindlicher disziplinärer Kern dem Streben nach Alleinstellungsmerkmalen zum Opfer zu fallen. Darüber hinaus zeigen sich unterschiedliche Auffassungen darüber, wie weit im Studium über die Wissensaneignung hinaus auch die kritisch-reflexive Nutzung dieses Wissens bereits erprobt werden kann. Deutlich wird in allen Positionen, dass in einem akademischen Studium auch im Rahmen von angeleiteten Praktika und Fallstudien professionelle Fertigkeiten höchstens ansatzweise entwickelt werden können. Der Handlungsdruck der ‚echten‘ Praxis und die Routinisierung der Handlungsmuster zur Wissensnutzung lassen sich in der Hochschule nicht laborähnlich herstellen. Bislang vorliegende empirische Befunde legen die Annahme nahe, dass nur ein kleiner Teil der Studierenden die erwünschte Professionalitätsentwicklung im Rahmen des Studiums vollzieht und insbesondere theoretisches Wissen vielfach verworfen wird. Jüngere Diskussionen nehmen jedoch an, dass das geforderte Wissen überwiegend als implizites Wissen inkorporiert sei und von Fachkräften oft nicht verbalisiert, jedoch intuitiv im professionellen Handeln herangezogen werde. Es kommt demnach erst in der Performanz der Professionellen zum Tragen und muss also im Rahmen von Forschungsvorhaben mit entsprechend performativen Verfahren aufgespürt werden. Die vorliegende Arbeit nähert sich vor diesem Hintergrund mit Hilfe eines Fragebogens mit Fallvignetten den genannten Fragestellungen und ergänzt die hier gewonnenen Erkenntnisse im Rahmen eines mixed methods Designs durch vertiefende Einzelinterviews und die Analyse von Modulhandbüchern. Der Messung der angestrebten kritisch-reflexiven Wissensnutzung als Niederschlag in der Performanz der Absolvent:innen muss eine Konkretisierung vorangehen, die beschreibt, welche (messbaren) Merkmale ein derartiges Handeln aufweist. Vor dem Hintergrund aktueller sozialpolitischer Rahmenbedingungen wird in der vorliegenden Dissertation dazu professionelles Handeln in der Sozialen Arbeit einerseits als ausführendes Organ, zugleich aber auch als gestaltende Kraft innerhalb wohlfahrtsstaatlicher Arrangements skizziert und zusammenfassend die Relevanz von Haltungswissen herausgearbeitet. Darauf aufbauend lassen sich erste Anforderungen an die Gestaltung des Studiums Sozialer Arbeit zusammenfassen. Eine kritische Soziale Arbeit erweist sich hieran anschließend als geeigneter theoretischer Bezugsrahmen und Basis für die Operationalisierung dieser Anforderungen auf der Handlungsebene und damit für die durchgeführte Befragung. Die vorliegende Dissertation bietet eine Weiterentwicklung des empirischen Wissens zum aktuellen Stand der Nutzung abstrakteren Theoriewissens von Absolvent:innen von Bachelorstudiengängen der Sozialen Arbeit an HAW und des Vorkommens relevanter Aspekte einer Reflexiven Professionalität gegenwärtiger Sozialer Arbeit in ihren Deutungs- und Handlungsmustern. Darüber hinaus diskutiert sie darauf aufbauend Entwicklungsperspektiven für die HAW auf den Ebenen der Lehre und der Hochschulpolitik

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