Berufsfeld - Entwicklung: vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen und des Strukturwandels

Abstract

Der vorliegende Expertenbericht analysiert den Einfluss verschiedener aktueller Entwicklungen wie Digitalisierung, Covid-19 und Klimawandel auf den Arbeitsmarkt und die Aus- und Weiterbildung in verschiedenen Berufsfeldern. Im Auftrag des SBFI wurden eine Literaturstudie sowie Interviews mit Expert:innen ausgewählter Berufsfelder durchgeführt, um die Herausforderungen der Berufs(feld-)entwicklung vor diesem Hintergrund einzuschätzen. Die drei untersuchten Trends unterscheiden sich in ihrer Entstehung und in ihrer Wirkung deutlich. Die Digitalisierung, als Sammelbegriff für verschiedene technologische Innovationen, wirkt als Treiber eines andauernden Strukturwandels der Wirtschaft. Covid-19 trat dagegen völlig überraschend auf. Es wirkte sich schockartig auf die Märkte inklusive des Arbeitsmarkts aus, die sich aber vergleichsweise rasch erholten. Der Klimawandel findet dagegen seit vielen Jahrzehnten statt. Es dauerte jedoch lange, bis er als menschengemachte Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft erkannt und politische Massnahmen zu seiner Eindämmung ergriffen wurden. Angesichts dieser vielfältigen Herausforderungen stellt sich die Frage, wie Berufe und Berufsfelder künftig (weiter)entwickelt werden können, um dem Wandel gewachsen zu sein. Dieser Bericht untersucht daher die aktuellen Instrumentarien der Berufsfeldentwicklung. Berufsfeldentwicklung wird hier verstanden als der Prozess der Entstehung, Veränderung und Auflösung von Berufsfeldern und Berufen. In der Berufsbildung wird der Begriff Berufsentwicklung in einem engeren Sinn verwendet, wo Bildungserlasse verbundpartnerschaftlich zwischen Bund, Kantonen und Verbänden ausgehandelt werden. Dieser Prozess gewährleistet eine starke Orientierung am Arbeitsmarkt, so dass neue Entwicklungen systematisch in die Bildungserlasse aufgenommen werden können. Zugleich sorgen national anerkannte Berufe dafür, dass sich die erworbenen Kompetenzen nicht auf den Lehrbetrieb beschränken, sondern auf dem Arbeitsmarkt breit einsetzbar sind. In den allgemeinbildenden Teilen des Bildungssystems gelten dagegen andere Steuerungsprinzipien, beispielsweise sind die meisten Schulen und Hochschulen kantonal organisiert und die Organisationen der Arbeitswelt/Verbände nur indirekt involviert. Die Analyse der Fachliteratur zu den genannten Trends ergab einen Überblick über die bisherigen Anpassungsleistungen des Bildungssystems und des Arbeitsmarktes an die veränderten Rahmenbedingungen. Da sich konkrete Auswirkungen neuer Entwicklungen und Megatrends in schweizerischen Berufsfeldern in der Literatur nur beschränkt identifizieren lassen, wurden Interviews mit Expert:innen aus sechs Berufsfeldern sowie aus dem Hochschulbereich durchgeführt, um die Erkenntnisse zu ergänzen und zu erweitern. Die Digitalisierung verändert berufliche Tätigkeiten, lässt Berufe an Bedeutung gewinnen oder verlieren und neue Berufe entstehen. Die in Literatur und Interviews beschriebenen konkreten Auswirkungen sind jedoch kaum auf einen Nenner zu bringen, sondern unterscheiden sich zwischen Berufen und selbst zwischen Betrieben der gleichen Branche. Im Bildungswesen schlagen sich veränderte Kompetenzanforderungen am raschesten im Weiterbildungsbereich nieder. Mit einer gewissen Verzögerung erreichen sie auch die formale Bildung. Erstens werden neue und veränderte Kompetenzen in die Bildungsgrundlagen aufgenommen, seien es digitale Kompetenzen im engeren Sinn, oder überfachliche Kompetenzen, um die Mobilität der Lernenden und Studierenden auf einem sich wandelnden Arbeitsmarkt zu gewährleisten. Zweitens werden neue Ausbildungen geschaffen, die Spezialisierungen im digitalen Bereich erlauben. Drittens hat die Digitalisierung auch die Lehre und das Schulmanagement in allen Teilen des Bildungswesens erfasst. Covid-19 hat der Digitalisierung im Bildungswesen aufgrund des erzwungenen Fernunterrichts einen Schub verliehen. Die Erfahrungen der Lehrpersonen waren dabei gemischt, was die Gestaltung des Fernunterrichts und die Förderung der Lernenden/Studierenden angeht. Auf dem Arbeitsmarkt war der pandemiebedingte Beschäftigungseinbruch nur von kurzer Dauer, und auch der Lehrstellenmarkt und die Eintritte in übrige Ausbildungen waren über alle Berufsfelder gesehen nur kurzfristig betroffen. Einzig im Weiterbildungsbereich sank die Teilnahme teilweise stark. Unklar ist, ob die Pandemie die Attraktivität einzelner Berufsfelder wie Gastronomie/Hotellerie und Gesundheitswesen langfristig verändert hat. Alle Berufsfelder werden auch von Bestrebungen erfasst, den Klimawandel zu bremsen und die Nachhaltigkeit zu fördern. Während diese Bemühungen Kosten verursachen, werden auch Stellen für einschlägige Fachkräfte geschaffen, wobei die Berufsfelder wiederum in unterschiedlicher Weise betroffen sind. Nachhaltigkeitsaspekte werden in der Berufspraxis zunehmend verankert und fliessen in die Gestaltung von Bildungsangeboten und -grundlagen ein. In der Berufsbildung geschieht dies u.a. durch den systematischen Einbezug des Bundesamts für Umwelt und des Bundesamts für Energie bei Revisionen der Bildungserlasse. Bei den Weiterbildungen im Umweltbereich ist besonders spürbar, dass die Nachfrage auch von politischen Massnahmen abhängt, mit denen die Nachhaltigkeit und damit verbundene berufliche Tätigkeiten gefördert werden. Die Analyse der drei Trends zeigt, dass sie sich vielgestaltig auswirken. Arbeitsmarkt und Bildungswesen haben sich bislang darin bewährt, die technologische Entwicklung kontinuierlich und die Covid-19-Pandemie kurzfristig im Krisenmodus zu bewältigen. Im Fall des Klimawandels beziehungsweise ökologischer Probleme genügt es hingegen nicht, auf die flexible Anpassungsfähigkeit von Arbeitsmarkt und Bildungswesen zu setzen. Entsprechend sind hier sorgfältig durchdachte politische Massnahmen notwendig. Der Staat kann in neuen Berufsfeldern zudem die Organisationsfähigkeit der Wirtschaft und generell gesellschaftliche Anliegen unterstützen. Trotzdem gibt es gute Gründe für die kollektive Steuerung des Bildungswesens, in der Verbundpartnerschaft und Föderalismus eine wichtige Rolle spielen. Eine zentralistische staatliche Steuerung könnte kaum adäquat und rasch auf die neuen Entwicklungen reagieren, die sich je nach Berufsfeld unterschiedlich auswirken. Für eine im Berufsfeld koordinierte Weiterentwicklung der betreffenden Aus- und Weiterbildungen stellen allerdings die unterschiedlichen Steuerungsmechanismen in der Berufsbildung und der Allgemeinbildung eine Herausforderung dar. Zusätzlich haben sich die verbundpartnerschaftlichen Aushandlungsprozesse der Berufsbildung zwar bewährt, doch sind die Prozesse eher aufwändig und lassen sich nur beschränkt beschleunigen oder flexibilisieren. Weiter gilt es bei der Gestaltung der Bildungsgrundlagen abzuwägen, welche Bestimmungen in welchem Detailierungsgrad notwendig sind und wie viel Autonomie den Akteuren bei der Umsetzung eingeräumt wird (Subsidiaritätsprinzip). Schliesslich kommt der Innovationsfähigkeit im Allgemeinen eine grosse Bedeutung zu, um die Krisenresilienz komplexer Systeme zu erhöhen. Daher könnte Innovation in der Berufs(feld)entwicklung – insbesondere das Ausprobieren neuer Ansätze inhaltlicher, methodischer, technologischer oder didaktischer Art an allen Lernorten – systematischer mitgedacht und der Spielraum für entsprechende Experimente aktiv gefördert werden

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