Hintergrund: Die hochdynamische Entwicklung der Onkologie mit einem kaum mehr
überschaubaren wissenschaftlichen Output erfordert für die klinische Praxis der
evidenzbasierten Medizin neue digitale Formen der Informationsgenerierung und des
diagnostischen und therapeutischen Entscheidungsmanagements. Internetbasierte
Recherchemethoden und digitale Applikationen (Apps) auf portablen Hardware-Formaten, wie
Smartphones oder Tablets, bieten mögliche Optionen für die Generation der digital natives,
die vorrangigen Probleme des Zeitmanagements, der Beherrschung des
Informationsvolumens und der Informationsqualität zu lösen.
Zielsetzung: Ziel der vorliegenden Studie war es, eine onkologische App anhand objektiver
und subjektiver Assessmentkriterien mit etablierten Internetquellen zu vergleichen. Mittels
einer Analyse der präferierten Strategien der internetbasierten Informationsrecherche
angehender Ärzt*innen sollte die digitale Wissenschaftskompetenz evaluiert werden.
Methode: In dieser monozentrischen prospektiven Studie der Universitätsklinik Köln (UKK)
wurden 94 Medizinstudierenden im letzten Studienjahr sechs standardisierte onkologische
Fallvignetten des multidisziplinären Tumorboards (MDT) der UKK vorgelegt, für die
randomisiert zur Hälfte mit der onkologischen App Easy Oncology®, zur anderen Hälfte mit
einer frei wählbaren Internetrecherche Therapieempfehlungen abzugeben waren. Neben
Zeitaufwand und Treffsicherheit wurde die subjektive Evaluation der Empfehlung mittels
numerischer Rating-Skalen dokumentiert.
Ergebnisse: Studierende verwendeten bei freier Internetrecherche im Schnitt 1,39 Quellen
(SD = .43), wobei sie überwiegend Gebrauch von einer ihnen vertrauten Lernplattform
(Amboss®) und der S3-Leitlinie machten. Die Informationsrecherche in der App war signifikant
schneller als eine Recherche im Internet. Die Treffsicherheit der Therapieentscheidungen sank
mit steigender Komplexität der klinischen Kasuistiken, wobei sich im Vergleich die App
überlegen zeigte. Bei Verwendung der App wurden die Fallvignetten als weniger schwierig
eingestuft, die Studierenden fühlten sich in ihrer Therapieempfehlung sicherer und sie
empfanden die App als signifikant hilfreicher und vertrauten ihr eher.
Die präferierte Strategie der Informationsgenerierung war vorrangig von den Lernkonventionen
der Studierenden und ihnen aus dem Medizinstudium vertrauten Informationsquellen
bestimmt. Die Anzahl der verwendeten Internetquellen korrelierte nicht mit der
Schwierigkeitseinschätzung der Fallkonstellation und war nicht davon beeinflusst, bei
Unsicherheit Therapieempfehlungen durch weitere Quellen zu verifizieren. Objektive Kriterien von Bearbeitungszeit und Treffsicherheit waren von einem häufig inkongruenten subjektiven
Bewertungsprozess begleitet.
Schlussfolgerung: Bei der Implementierung der App Easy Oncology® zeigte sich ihr Potential
als schnelle und effektive Informationsquelle mit hoher subjektiver Zufriedenheit. Zur
Qualitätssicherung ist die Entwicklung eines Zertifizierungs- oder ggf.
Akkreditierungsprozesses für professionelle internetbasierte Informationsquellen ebenso zu
fordern wie eine Stärkung der digitalen Wissenschaftskompetenz von jungen und angehenden
Ärzt*innen