Editorial

2012 | Taiga Brahm & Dieter Euler (St. Gallen

Dieter Euler

Taiga Brahm

Zeitschrift für Hochschulentwicklung

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Zeitschrift für Hochschulentwicklung ZFHE  Jg.7 / Nr.3  (Juni 2012)  www.zfhe.at  I Taiga BRAHM1 & Dieter EULER (St. Gallen) Editorial: Lernkulturen an Hochschulen 1 Gestaltung von Lernkulturen an Hochschulen Die Einführung und Verwendung einer vergleichsweise neuen Kategorie wie „Lernkultur“ unterliegt in der Pädagogik schnell dem Verdacht, sich mehr mit der Bildung von Begriffen als mit der Bildung von Menschen zu beschäftigen. Wel-ches Erklärungs- und Gestaltungspotenzial kann also diesem Begriff zugesprochen werden? Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Erkenntnis, dass hochschuldidaktische Interventionen bzw. die Betrachtung des Geschehens in den Vorlesungs- und Se-minarräumen alleine die Studienrealitäten nur bedingt beeinflussen und verändern (URBAN & MEISTER, 2010; LAND, 2010; DANY, 2007). Um die Qualität von Studium und Lehre nachhaltig gestalten zu können, erscheint es notwendig, hoch-schuldidaktische Initiativen auf mehreren Ebenen der Hochschule zu verankern (JENERT & BRAHM, 2010; BRAHM et al., 2010). In gewissem Sinne stellt diese Betrachtung eine Variation der in der Pädagogik verbreiteten Vorstellung einer Interdependenz von System und Handeln, von strukturellen Rahmenbedingungen und sozialem Handeln dar (vgl. WEILER, 2009). Wie lassen sich diese Überlegungen konkretisieren? JENERT et al. (2009) schla-gen vor, Lernkulturen in drei Dimensionen zu analysieren und zu gestalten:  Die organisationale Dimension betrachtet die Rahmenbedingungen der Hochschule für das Lernen der Studierenden, z. B. Erwartungen an die Qualität von Lernprozessen oder die Sozialisationsprozesse innerhalb einer Hochschule.   Die pädagogisch-interaktionale Dimension umfasst das Handeln und die Interaktion von Lernenden und Lehrenden im Rahmen von Lehr-/Lern-Prozessen an Hochschulen.   Die individuelle Dimension beinhaltet die Einstellungen, das Wissen und die Fertigkeiten eines Studierenden in Bezug auf das Lernen. Diesem Ansatz liegt somit eine ganzheitliche Perspektive zugrunde, da davon aus-gegangen wird, dass sowohl der/die individuelle Lehrende und Lernende (das Indi-viduum) als auch die Organisation zur Gestaltung der Lernkultur beitragen (AKLI et al., 2004).  Bis dato fehlt es an einer systematischen Reflexion bestehender Projekte, welche die Gestaltung von Lernkulturen in den unterschiedlichen Dimensionen anstreben.                                                      1 E-Mail: taiga.brahm@unisg.ch Taiga Brahm & Dieter Euler ZFHE Jg.7 / Nr.3 (Juni 2012) S. I-III  www.zfhe.at  II Mit der vorliegenden Ausgabe der Zeitschrift für Hochschulentwicklung wird da-her das Ziel verfolgt, Initiativen auf der organisationalen, pädagogisch-interaktionalen und individuellen Ebene zu beschreiben und auf der Basis wissen-schaftlicher Erkenntnisse zu reflektieren.  2 Überblick über die Beiträge Entsprechend des dargestellten Verständnisses von Lernkulturen werden die Bei-träge im Folgenden kurz den genannten Dimensionen zugeordnet. Organisationale Dimension. Der Beitrag von Hiller beschreibt, welche strategi-schen Maßnahmen notwendig sind, damit eine Veränderung der Lernkultur an Hochschulen erreicht werden kann. Der Schwerpunkt liegt auf der Etablierung ent-sprechender Anreizsysteme. Im Beitrag von Schiefner-Rohs wird am Beispiel der Entwicklung von Informations- und Medienkompetenz in der Lehrer/innen-Ausbildung dargestellt, wie die Institutions- und Fachkultur die Lernkultur beein-flussen. Pädagogisch-interaktionale Dimension. Hellermann et al. zeigen in ihrem Werk-stattbericht, wie forschendes Lernen als eine Möglichkeit der didaktischen Interak-tion mit Unterstützung der Hochschuldidaktik an einer Universität eingeführt wer-den kann. Zwei Beiträge verbinden die pädagogisch-interaktionale mit der indivi-duellen Dimension: Metzger et al. untersuchen den Zusammenhang zwischen Lehr-organisation und Lernverhalten Studierender und stellen fest, dass eine andere Stu-dienorganisation für eine Vielzahl von Studierenden zu höherer Motivation führen könnte. Der Werkstattbericht von Blank et al. beschreibt, wie die eigenverantwort-liche Organisation eines „bioorganischen Schülersymposiums“ den „shift from teaching to learning“ ermöglicht.  Individuelle Dimension. In seinem Beitrag thematisiert Gerholz am Fallbeispiel der „Learning News“, wie das selbstregulierte Lernen an der Hochschule stärker ge-fördert werden kann. Der Werkstattbericht von Hildebrandt und Weisshaupt zeigt beispielhaft, wie mit einer „Lernwerkstatt Spiel“ ein erfahrungsorientiertes Erarbei-ten spielerischer Lernformen möglich wird. Mit dem Beitrag von Zinn und Faß-hauer wird die Wirksamkeit problembasierten Lernens speziell für die Leh-rer/innen-Ausbildung reflektiert. Der Beitrag von Sloane und Fuge zeigt, wie Men-toring zur Gestaltung eines Lernkulturwandels genutzt werden kann.  Dimensionenübergreifende Beiträge. Gebhardt stellt ein neu entwickeltes Lernkul-turinventar vor, mit dem die Ausprägung der drei lernkulturellen Dimensionen in den wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen an drei Universitäten erfasst wurde. Gomez-Tutor und Menzer betonen die Notwendigkeit einer systemischen Hochschulentwicklung, um einen Lernkulturwandel nachhaltig in der Hochschule zu verankern.  Die Vielfalt der Beiträge zeigt, dass differenzierte Ansätze zur Analyse und Gestal-tung der Lernkulturen an Hochschulen vorliegen. Auffallend ist, dass ein Großteil der Beiträge sich auf ausgewählte Dimensionen der Lernkultur fokussiert. Der An-satz einer umfassenden Hochschulentwicklung auf allen Ebenen ebenso wie die Taiga Brahm & Dieter Euler ZFHE Jg.7 / Nr.3 (Juni 2012) S. I-III  www.zfhe.at  III wissenschaftliche Analyse von Prozessen des Lernkulturwandels stehen (noch) am Anfang.  3  Literaturverzeichnis Akli, H., Geldermann, B., Hofmann, H., Spiess, E., Uhlmann, M. & Woschée, R. (2004). Unternehmenskultur und Lernkultur: Ergebnisse einer empirischen Untersuchung. Chemnitz: ATB. Brahm, T., Jenert, T. & Meier, C. (2010). Hochschulentwicklung als Gestaltung von Lehr- und Lernkultur. Eine institutionsweite Herangehensweise an lehrbezogene Veränderungsprojekte an Hochschulen. IWP-Arbeitsbericht 3. St. Gallen: Universität St. Gallen, Institut für Wirtschaftspädagogik.  Dany, S. (2007). Start in die Lehre: Qualifizierung von Lehrenden für den Hochschulalltag. Münster: Lit Verlag. Jenert, T., Zellweger Moser, F., Dommen, J., & Gebhardt, A. (2009). Lernkulturen an Hochschulen. Theoretische Überlegungen zur Betrachtung studentischen Lernens unter individueller, pädagogischer und organisationaler Perspektive. IWP-Arbeitsbericht 1. St. Gallen: Universität St. Gallen, Institut für Wirtschaftspädagogik. Jenert, T. & Brahm, T. (2010). „Blended Professionals“ als Akteure einer institutionsweiten Hochschulentwicklung. Zeitschrift für Hochschulentwicklung, 5(4), 124-145. Land, R. (2004). Educational Development: discourse, identity and practice. New York: SRHE and Open University Press. Urban, D. & Meister, D. M. (2010). Strategien der Professionalisierung in der Hochschuldidaktik. Zeitschrift für Hochschulentwicklung, 5(4), 104-123.  Weiler, H. N. (2008). Keyword: International Research on Higher Education Scholarship Between Policy and Science. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 4, 516-541. Herausgeber/in Prof. Dr. Taiga BRAHM    Universität St. Gallen, Institut für Wirt-schaftspädagogik (IWP-HSG)    Dufourstrasse 40a,  CH-9000 St. Gallen www.selbststudium.unisg.ch bzw. www.iwp.unisg.ch taiga.brahm@unisg.ch  Prof. Dr. Dieter EULER    Universität St. Gallen, Institut für Wirt-schaftspädagogik (IWP-HSG)    Dufourstrasse 40a,  CH-9000 St. Gallen www.iwp.unisg.ch dieter.euler@unisg.ch  

Editorial: Lernkulturen an Hochschulen

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