Luho, Ville

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Das Mesolithikum. Lectio praecursoria 12. 12. 1956. Gewöhnlich wird in der archäologischen Literatur mit dem Ausdruck »Mesolithikum» diejenige steinzeitliche Entwicklungsphase bezeichnet, die zwischen dem. Pa1äolithikum und dem Neolithikum liegt. Dieser Ausdruck trat im Jahr 1873 zum erstenmal in der Literatur als neuer Begriff auf, w urde aber erst Jahrzehnte später allgemein anerkannt. Als der englische Forscher Sir J. Lubbock im Jahr 1868 eine Gliederung der Steinzeit in Untergruppen vorschlug, dachte er an eine Zweiteilung: Paläolithikum - die Bezeichnung ist von Lubbock in Gebrauch genomm.en - und Neolithikum. Die Zweiteilung war durch die Unkenntnis einer Zwischen-phase, welche die älteste und jüngste Steinzeit von einander trennt, bedingt. Der Vorschlag fand Beifall und vablieb Jahrzehnte hindurch die herr-schende Auffassung. Viele Forscher waren nämlich der Meinung, dass zum Ende des Paläolithikums unser Weltteil grösstenteils verödete, was das Fehlen von Funden während der in Rede stehenden Zwischenphase, dem grossen »Hiatus» wie dieser Zeitabschnitt auch genannt worden ist, erklären wurde, und dass erst in der jüngeren Steinzeit, in der Zeit des Neolithikums, Europa von Osten her neu besiedelt worden sei. Einer anderen Auffassung nach sollten in Europa die Überreste der paläolithischen Bevölkerung während der letzten Phase der Eiszeit »überwintert» haben und also kein eigentlicher »Hiatus» stattgefunden haben . - Mit dem Fort-schreiten der Forschung hat sich dann die letzterwähnte Auffassung als richtig erwiesen und gegenwärtig verneint wohl kaum jemand die Existenz des Mesolithikums, obschon für dasselbe verschiedene Benennungen gebraucht werden diirfen, wie z.B. epipaläolithische oder frülmeolithische Steinzeit. Auch die Benennung »transneolithische Steinzeiti> ist vorge-chlagen worden. Die Auffassung vom erwähnten Hiatus ist durchaus verständlich, un terscheiden sich doch die paläolithische und neolithische Steinzeit sehr scharf von einander. Das Inventar, die Herstellungsteclmik, die Tierwelt -9-und die geologischen Verhältnisse der paläolithischen Zeit waren denen der jüngeren Steinzeit grundverschieden. Die erstere war das Zeitalter des behauenen Steines, des Renntiers, des Mammuts und anderer schon zum Ende der Eiszeit ausgestorbener oder weiter nach Norden vorgedrun-gener Wildarten, es war auch das Zeitalter des kalten Klimas; die letztere war das Zeitalter des geschliffenen Steines, der Haustiere und des warmen Klimas. Die Gegensätze sind so gross, dass es unmöglich wäre das Neo-lithikum unmittelbar aus dem Paläolithikum herzuleiten. Zwischen ihnen entstand eine Lücke, die nicht anders als durch eine Verödung unseres Weltteils erklärt werden konnte. Diese Auffassung wurde noch unter-stüzt durch das plötzliche Aufhören von Funden auf verschiedenen grossen paläolithischen Höhlenwohnplätzen, die jahrtausendelang bewohnt gewesen waren, und das Erscheinen neuer Siedlungen mit neolithischem Inventar im Freiland. Jetzt hat die Sachlage sich geändert. N eue Funde, genauere Unter-suchungsverfahren und fortgeschrittenere Datierungsmethoden, vor allem. die von den Pflanzenpaleontologen entwickelte Pollenanalyse haben eine Anzahl Kulturen zutage gefördert, die diese gähnende zeitliche und kul-turelle Kluft iiberbrücken und darauf hindeuten, dass der Übergang vom Paläolithikum zum. Neolithikum in einem grossen Teil Europas allmählich, als Folge des örtlichen Entwicklungsganges geschehen ist. Es kann nicht nachgewiesen werden, dass das Verschwinden der alten eiszeitlichen Be-völkerung und das Anihrestelletreten der neuen neolithischen Siedler in grossem Masstab vorsichgegangen wäre. Dass das Tardenoisien sich mit einem aus Nordafrika nach Europa kommenden Zweigvolk verbreitet hätte, ist als ein Überbleibsel der alten Völkerwanderungstheorie zu be-trachten. Diese mesolithische Mikrolith-Kultur wird nunmehr ohne Schwierigkeit aus dem unmittelbar vorhergehenden Paläolithikum. her-geleitet. Treten Mikrolithe doch schon im Magdalenicn und Aurignacien auf. Die grosse Veränderung in den Verhältnissen, die durch das Ende der Eiszeit hervorgerufen war, hatte auch Veränderungen in der Lebens-weise des Menschen zur Folge. Er musste sich einem Klima und einer Umgebun g anpassen, die sich von den ihm Jahrtausende hindurch gewohn-ten unterschieden. Durch das Seltenerwerden und schliesslich völlige Ver-schwinden des Grosswildes war er gezwungen sich nach neuen Jagdge-filden umzusehen. Der Fischfang begann eine wichtigere Stellung in der Haushaltung des Menschen einzunehmen. Der Mensch benötigte bessere, fortgeschrittenere und modernere Jagd- und Fanggeräte. Der Mikrolith-bedarf wuchs. Sie wurden als Widerhaken und Einsatzstücke gebraucht. Somit wuchs ihre Bedeutung im Leben des Menschen und der Kultur-nachlass ihrer Zeit trägt ihr Gepräge. Förmliche Mikrolithkulturen traten - 10 -in Erscheinung, die wichtigste und bekanntes te unter ihnen ist das T arde-n01s1en. Die Übergangsphase vom Paläolithikum. zum Neolithikum ist nicht mehr im selben Sinn problemati sch wie früher. Stattdessen herrschen Meinungsverschiedenheiten darüber, was unter der mesolithischen Stein-zeit zu verstehen ist, wie sie gemeingültig zu bestimmen sei, wann sie begonnen und wann auf gehört habe, da fraglos die alte Gesamtdefinition, das Mesolithikum oder die mittlere Steinzeit vertrete die Phase zwischen der paläolithischen und neolithischen Steinzeit, unbestimmt, ungenau und zweideutig ist. So schlug z.B. J. de M organ seinerzeit vor unter der paläo-lithischen Steinzeit bl0ss das ältere Paläolithikum. zu verstehen und fürs jüngere Paläolithikum den Ausdruck Archäolithikum zu benutzen. Henri Breuil wiederum. hat hervorgehoben , dass es sachgemäss wäre das jüngere Paläolithikum als mesolithische anstatt paläolithische Steinzeit zu be-zeichnen, wenn nicht bereits die Bezeichnung »M esolithikum>) eine andere Bedeutung hätte. W enn wir an der oft wiederholten , man könnte sagen ziemlich land-läufig gewordenen Begriffsbestimmung, dass unter der paläolithi schen Steinzeit die eiszeitlichen Kulturphasen zu verstehen sind, fes thalten so kann man das Mesolithikum als un gefähr 6800 v.Chr. beginnend betrach-ten, wo die Eiszeit im allgemeinen als abgeschlossen angesehen wird. N ach dieser geologischen Begriffsbestimmung wären somit sämtliche prä-boreale Kulturen noch paläolitisch und ers t die borealen mesolitisch. In N ordeuropa vertrete demnach die Maglemose-Kunda-Kultu r die älteste mesolithische Phase, die noch älteren Lynghy- , Hensbacka- , Fosna- und Komsa-Kultur wären paläolithisch; auch das Azylien und frühe Tardenoisien auf dem europäischen Festland sowie das Star Carr in England wären demnach paläolithis::h. Einige Forscher haben auch einen T eil der erwähn-ten Kulturen ins Paläolithikum beziehen w ollen. Als solche sind vor allem die als arktisches Paläolithikum bezeichnete Komsa-Kultur an der Eismeer-kiiste und das Azylien im Süden angesehen worden . Die Mehrzahl der Forscher spricht sie jedoch als mesolithische Kulturen an, und rechnet das M esolithikum von demjenigen Zeitpunkt, zu dem die ersten wirk-lichen W älder auftraten. Viele halten j a auch die Ahrensburg-Kultur für mesolithisch, w obei der Alleröd-Oscillations-zeitliche Bromme-Fund in Dänemark und die Federmesser-Gruppen N ordwestdeutschlands die letzte paläolithische Phase repräsentieren. Auch die Hamburg-Kultur wird als epipaläolithisch, doch nicht im Sinne des Mesolithikums charakterisier t. Hierbei wird die Salpausselkä-Ra-Phase als Ausgang der Eiszeit be-zeichnet. - 11-Der Versuch die archäologischen Kulturen nach den geologischen Perioden zu bestimmen oder ihrem Rahmen anzupassen ist nicht geglückt und auch nicht zu empfehlen, obgleich die steinzeitliche Forschung, nament-lich auf dem Gebiet des Mesolithikums und Paläolithikums in hohem. Masse ihre Zuflucht zu den geologischen D atierungsmethoden nehmen muss. Die geologischen Periodenbenennungen können in der steinzeit-lichen Forschung nur als Datierungsbestimmung, als chronologische An-haltspunkte gebraucht werden. Z.B. die Definition, dass man unter der paläolithischen Steinzeit die eiszeitlichen Kulturen versteht , ist weder genau noch richtig, da die Geologen, ,vie früher gesagt, sich über den Zeitpunk t des Ausganges der Eiszeit nicht einig sind, und da diese Definition die interglazialen Kulturen des ältesten Paläohthikwns, welche keinesfalls als mesolithisch geschweige denn neolithisch aufgefass t werden können , aus dem paläolithischen Kreise ausschliess t. Im Hinblick auf diese wird die erwähnte Gesamtdefinition hinfä llig. Es is t nun sachgem.ässer die alte archäologische Begriffsbestimmung des Paläolithikums als des Zeitalters des behauenen Steines, zu benutzen. Das Schleifen von Steinen hatte damals nämlich nicht dieselbe Bedeutung wie später, auch hat es in keinem T eil Europas dem paläolithischen N achlass sein Gepräge verliehen. - Als bestes und zuverlässigstes Kennzeichen für die neolithische Steinzeit, das Zeitalter des geschliffenen Steines, könnte die Keramik an gesehen werden, da das Schleifen von Steinen schon währ end <les Mesolithikums in gewissen T eilen Europas, wie Fennoskandien und Estland, verhältnismässig allge-mei n war. Der mesolithischen Steinzeit fehlen noch gemeingültige Kenn-zeichen oder Leitartefakte. Als solchen hat man, der Initiative der nord-deutschen Forschung folgend, die Axt ansehen wollen und sie ist auch von vielen Forschern als Kennzeichen anerkannt worden. Sie ist jedoch kein zuverlässiges M.crkmal, obschon sie in den mesolithi schen Kulturen sehr allgemein ist. Die Axt tritt nämlich, wie die französische Forschun g nachgewiesen, bereits in paläolit11ischer Zeit und zwar in einer so frühen Phase wie di e des Acheuil ien unci das M ousterien auf. Die Axt im wei-testen Sinne des W ortes eignet sich demnach nicht als führende Form fürs M esolithikum ; wenn wir aber den Umfang des Axtbegriffes so begren-zen, dass wir das Erschemen der sog. Kernaxt den Beginn des Mesolithi-kums bezeichnen lassen, kommen w ir dem richtigen Sachverhalt vielleicht näher. Die Kernaxt fehlt im. paläolimischen Kulturnachlass ziemlich voll-ständig und tritt nach j etzigem Wissen des Übergangs von der jüngeren Dryas- zur Präborealzeit auf, wird während der Borealzeit all gemein und lebt in gewissem Masse noch im Neolithikum fo rt. Parallel zum Erscheinen der Kernaxt beginnt das Degeneri eren rein paläolithischer Gegenstands-formen, die schliesslich ganz ausser Gebrauch kommen; die W erkzeuge - 12 -werden gröber, was an veränderter Schlagtechnik liegt -- die T ardenoisien, in der das paläolithische Gepräge sich am längsten erhält, ist hierbei nicht in Betracht gezogen worden. Solche in Verfall geratende oder allmähLch verschwindende Gerätformen sind z.B. die Kielschaber, die Papagcien-schnabclstichel, kombinierte Stichelgcräte, wie Stichelschabcr, Stichel-bohrer u.s.w. , gesägte Klingen, verschiedenartige Spitzengeräte wie Abri Audi-, Chätelperron-, Gravcttcspitzen oder -mcsscr und Sticlspitzen, Nukleusscheibcn und viele andc-re. Die aufgezählten Typen treten noch in den präborealcn Kulturen in gewissem M asse auf, j edoch mit einigen wenigen Ausnahmen nicht eben später ; im. borealen Inventar begegnet man ihnen j edoch nicht mehr in erwähnter Kombination. Die präborcale Zeit ist auch archäologisch gesehen ein deutliches Übergangsstadium vorn. reinen Paläolithikum zum Mesolithikum. Daher ist es berechtigt ihre Kulturen als frühmesolithische zu bezeichnen und die borealen als voll-mcsolithisch. W ährend der letzgenannrcn Periode ist die Kernaxt nämLch bereits allgemein innerhalb des Kreises der Axtkulturen, und die geo-metrischen Mikrolithe haben die frühen, pri rn.itivcn Mikrolithforrn.en verdrängt, ebenso wie Knochengegenstände di e Horngegenstände. Auch das Steinschleifen ist in denjenigen Gebieten , in w elchen es keinen boden-ständigen Flint gibt, ziemlich gewöhnlich, ein Vorläufer des Zeitalters des g-es::hliffencn Steins oder des N coLthikums. Die frühmesolithische 0 Steinzeit ist grösstentcils noch ein Zeitalter des behauenen Steines , mit anderen W orten paläolithi sch, daher könnten derzeitigen Kulturen mit gutem Recht auch spätpaläolithisch genannt werden . Die Kernaxt, eine dem eigentlichen Paläolithikum fremde Gerätform, sowie das Vergroben des Geräteinventars, verbindet sie jedoch m.it dem M esolithikum, wobei wir als frühmesolithisch auch die Komsa-Kultur in vvelchcr die Kernaxt fehlt , die Geräte aber im übrigen grob behauen sind, ansehen dürfen. Wie aus dem obcnangeführten vielleicht klar geworden, ist es ausser-ordentlich schwierig eine deutliche Grenze zwischen dem Paläolithikum und dem Mesolithikum zu ziehen. Stattdessen wird das N eolithikum. durch die Keramik deutlich vom Mesolithikum gesondert. Als chronologische untere Grenze des Mesolithikums können wir also den Beginn oder die erste Hälfte des Atlantikums auffassen, c:a 5000 v. Chr. Die Ertebölle-Kcram.ik vertritt dabei frühneolithischc Zeit N ordeuropas. Die absolute Datierung der oberen Grenze der mesolithischen Steinzeit stellt sich schw ie-rigc-r. W enn wir die präborealen Kulturen in dem Sinn wie obendargelegt als frühmesoLthisch ansprechen, so können wir die obere Grenze des Mesolithikums der herrschenden Auffassung entsprechend . c:a ins . Jahr 8000 v.Chr. datieren. Die gesamte rn.esolithische Steinzeit würde demnach in den Zeitraum zwischen den Jahren 8000-5000 v.Chr. datiert w erden. - 13 -Die erwähnten Jahreszahlen sind selbstverständlich nicht endgültig und nicht überall zutreffend, da die steinzeitliche Entwicklung nicht allerwärts gleichzeitig in derselben Richtung erfolgt ist. Beginn und Ende des Meso-lithikums fällt in vcrsclucdenen Gegenden in verschiedene Zeiten, doch können wir im grossen ganzen diese Jahreszahlen beim j etzigen Stand der Forschung verwenden. Die Entdeckung der zum Spät-Magdalenien gehörenden Federmesser-Gruppen in Nordwestdeutschland stelle das Mesolithikum N ordeuropas in neues Licht und ers:::hli esst das Verständnis fiir die Magdalenien-Züge in der M aglcmose-Kultur. Die Entwicklung hat hier j a offenbar aus dem. Magdalenien ins M esolitlukum geführt. freilich gibt es im Mesolithikum Nordeuropas zweifellos ausgeprägte Aurignacien-Typen, wie z.B. die Bogenseichel und Kielschaber, hierbei muss man aber nicht vergessen, dass sich während seiner Endphase die Aurignacien-Züge im Magdalenien verstärken, man hat sogar von einer direkten Aurignacien-Renaissance innerhalb des Magdalc1uen gesprochen; die erwähnten Gegenstandsformen sind ihm nicht frem.d. Diese zusammen mit westeuropäischen Gegen-standsformen, solchen w ie die grossen, starken Scielspitzen vom Lyngby-Typ und Papageienschnabelscichcl, welche im Spät-Aurignacien O steuro-pas sogut wie völlig fehlen , verbinden das nordeuropäische Mesolithikum intim nut dem westeuropäischen Entwicklungsgang, den Nachmagdale-nien-Erscheinungen. Das osteuropäische Mesoliclukum, nämlich das we-nige was davon bekannt ist, ist von dem dortigen späten Aurignacien herzuleiten. Welche Bedeutung das sog. mährische Quarzit-Aurignacien für die Grobzügigkeit der mesolithischen Kultur gehabt hat, ist noch nicht geklärt. Vi /le Lulw 

Das Mesolithikum: Lectio praecursoria 12.12.1956

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