Um Herbstzeitlosen selektiv nicht-chemisch zurückdrängen zu können, wurden verschiedene Werkzeuge in einer Nutzwertanalyse bewertet und in Feldversuchen untersucht. Der Pflanzenbestand konnte auf 0 bis 2 Pflanzen pro Quadratmeter bzw. in 3 Jahren auf 50% bis 68% reduziert werden

Lohrmann, Georg

Martin, Fabio

Stoll, Albert (Prof. Dr.-Ing.)

Nuertingen-Geislingen University, GERMANY, OPUS

Kleinräumig arbeitende Werkzeuge zur nicht-chemischen Zurückdrängung von Herbstzeitlosen (Colchicum autumnale)

Stoll, Albert

Organic Eprints

16. Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau Beitrag wird archiviert unter http://orgprints.org   Kleinräumig arbeitende Werkzeuge zur nicht-chemischen Zurückdrängung von Herbstzeitlosen (Colchicum autumnale) Stoll A1, Lohrmann G1 & Martin F1  Keywords: selektive Unkrautbekämpfung, Grünland, Wasserhydraulik, Mähen Abstract  In order to control Colchicum autumnale non-chemically on a small scale, different tool principles were evaluated in a utility analysis. The most suitable tools were tested in field trials. They reduced the stock to 0 to 2 plants per m² at the time of hay harvest. The control over three years decreased the stock to a level between 50% and 68%.  Einleitung und Zielsetzung Extensives Grünland wird in der Regel ein- oder zweimal im Jahr gemäht und nicht oder nur wenig gedüngt. Der späte erste Mahdtermin ab Mitte Juni begünstigt die Aus-breitung der giftigen Herbstzeitlosen (Colchicum autumnale). Bewirtschaftungs-restriktionen schließen oft frühere und häufigere Mahdtermine, intensive Düngung und Herbizideinsatz aus. Auf Weiden meiden die Tiere die Pflanzen normalerweise. Aller-dings erkennen sie die giftigen Blätter und Samen nicht in Heu und Silage, was zu Atemlähmung und Tod bei den Nutztieren führen kann (Briemle 2000). Deshalb sollte zum Zeitpunkt der Ernte die Kontamination des Futters mit der Herbstzeitlose ver-mieden werden. Der Stand der Technik bei der Bekämpfung von Herbstzeitlosen ist das manuelle Entfernen, was sich aber wegen der hohen Arbeitsbelastung nur auf kleine Flächen beschränkten kann. Für größere Flächen hat sich deshalb das flächen-deckende Mulchen im April oder Mai bewährt (Seither und Elsäßer 2014). Dieses widerspricht aber den Bewirtschaftungsauflagen, führt zu einem geringeren Grünland-ertrag und reduziert den Lebensraum für Insekten. Denn vor allem Schlegelmulcher verursachen große Schäden an der Fauna (Lösch et al., 1997; Löbbert 2001). Auch Kreiselmäher weisen hohe Schadensraten auf (Humbert et al. 2010). Verbleiben aber ungemähte Bereiche, dienen diese als Rückzugsorte für Insekten. Um Grünland mit Herbstzeitlosenbewuchs sowohl aus landwirtschaftlicher als auch naturschutzfachlicher Sicht sinnvoll bewirtschaften zu können, bedarf es eines Verfahrens, mit dem diese Schadpflanzen kleinräumig entfernt werden können. So gelangen sie zum Ernte-zeitpunkt nicht ins Futter und der restliche Pflanzen- und Tierbestand wird geschont. Idealerweise sollte es auch zu einer langfristigen Zurückdrängung der Herbstzeitlose führen. Dieses Ziel wurde im Verbundprojekt „Selektive, nicht-chemische Bekämpfung von Giftpflanzen in extensiven Grünlandbeständen“ verfolgt. Es sollten Werkzeuge entwickelt werden, mit denen Einzelpflanzen bzw. Pflanzennester entfernt werden können. In dem Projekt wurde ein Detektionsverfahren entwickelt, um die Standorte der Herbstzeitlosen ermitteln (Petrich et al. 2020) und gezielt mit einem fahrerlosen Geräteträger mit Mähvorrichtung bzw. mit einem Traktor gekoppelten Wasser-strahlgerät abzuschneiden zu können (Martin et al. 2022). Welches Gerät sich bei welchem Befall eignet, wurde in Petrich et al. (2022) untersucht. In der hier vorliegenden Studie soll die Auswahl und Wirkung der untersuchten Werkzeuge beschrieben werden.                                                   1 Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen, Schelmenwasen 8, 72622 Nürtingen, Deutschland, albert.stoll@hfwu.de 16. Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau Beitrag wird archiviert unter http://orgprints.org   Material und Methoden In einer Nutzwertanalyse wurden verschiedene nicht-chemische Bekämpfungs-prinzipien, die potentiell für eine kleinräumige Entfernung der Herbstzeitlosen geeignet erschienen, eingegrenzt. Die Prinzipien wurden in Kategorien mit Punkten zwischen 0 und 3 bewertet, Tabelle 1. Hierbei steht 3 für ein Übertreffen, 2 für ein Erreichen und 1 für ein teilweises Erreichen des Zielwertes, 0 führte zum Ausschluss des Prinzips.  Tabelle 1: Bewertungskriterien für die Bekämpfungsprinzipien. Kategorie Exemplarisches Kriterium Leistungsan-forderungen Betriebsstoff nötig, Leistungsbedarf pro Arbeitsbreite, Flächenleistung, Sektionsbreite Koppelung an Trägerfahrzeug Anzahl der benötigten Anbauräume, Antrieb über Zapfwelle oder Hydraulik Steuerungstechnik Realisierungsaufwand für ISOBUS Section Control, Schaltdynamik, Anzahl bewegter Teile, Einzelpflanzentaugliche Steuerung Erwartete Wirkung Anzahl der notwendigen Maßnahmen pro Saison, Verrottung der Pfl-anzenbestandteile bis zur Ernte, Langzeiteffekt in der Zurückdrängung Kosten (Anschaf-fung Betrieb) Erwarteter Entwicklungsaufwand, Kosten der benötigten Einzel-komponenten, Erwartete Anschaffungs- und Betriebskosten  Nach der Nutzwertanalyse wurden die am besten geeigneten Werkzeuge dem fahrer-losen Geräteträger und dem Traktor zugeordnet. Dann wurde jeweils ein Prototypgerät entwickelt und zur Erprobung aufgebaut. Zeitgleich wurden die auswählten Werkzeuge in 1 m² großen Parzellen auf ihre Wirkung auf die Herbstzeitlose in einem Feldversuch erprobt. Dabei wurden sie einmalig im April/Mai sowie zweimalig im April/Mai und Mai/Juni eingesetzt. Die einmalige Behandlung wurde gewählt, um in der Praxis den arbeitswirtschaftlichen Aufwand zu begrenzen, die zweimalige Behandlung sollte sicher zu einem herbstzeitlosenfreien Bestand bei der Ernte führen. Die Anzahl der ver-bliebenen Herbstzeitlosen wurde im Juni kurz vor dem Heuerntetermin bestimmt. Die Kontrollgruppe bezeichnet die betriebsübliche Bewirtschaftung mit einem flächen-deckenden Schnitt im Sommer ohne Bekämpfungsmaßahmen. Ergebnisse und Diskussion Tabelle 2 fasst die Bewertung zusammen. Das mechanische Schneiden ist bekannt für eine gute Zurückdrängung der Herbstzeitlose. Zugunsten der Faunaschonung wurden aber in der Bewertung Sichelmäher oder Messerbalken mit geringerer bzw. ohne Sog-wirkung favorisiert. Einzeln schaltbare Mähsektionen erschienen aufgrund der Vielzahl von bewegten Bauteilen als nachteilig. Walzen auch in Form von Stachelwalzen stellen durch ihren Bodenantrieb geringe Anforderungen an das Trägerfahrzeug. Eine sektionsweise Ansteuerung, z. B. durch Absenken einzelner Segmente wurde aber als problematisch eingeschätzt. Die Wirkung des Walzens wurde aufgrund der Studie von Seither und Elsäßer (2014) als gering eingestuft. Heißes Wasser wurde bei der Ampferbekämpfung bereits erfolgreich eingesetzt und erschien in vielen Kategorien als vielversprechend. Allerdings muss neben Wasser auch Brennstoff mitgeführt werden. Abflammen ist ein etabliertes alternatives Unkrautbekämpfungsverfahren. Wenige bewegte Teile ließen einen dynamischen, sektionsweisen Betrieb erwarten. Allerdings besteht bei extensiven Grünlandbeständen zum Zeitpunkt der Bekämpfung erhöhte Brandgefahr und wurde daher ausgeschlossen. Laser und Infrarotstrahlen ließen einen zu großen Entwicklungsaufwand erwarten. Hochdruckwasserstrahlwerkzeuge wurden 16. Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau Beitrag wird archiviert unter http://orgprints.org   aufgrund der wenigen bewegten Teile und ihrer Eignung für einen sektionsweisen Aufbau in der Kategorie Steuerungstechnik sehr gut bewertet. Vorteilhaft ist die Verfüg-barkeit serienreifer Komponenten, allerdings verbunden mit hohen Beschaffungs-kosten. Die Leistungsanforderungen an den Traktor sind vergleichbar mit denen des mechanischen Schneidens. Für Düsen mit rotierendem Strahl wurde im Vergleich zu Flachstrahldüsen ein Zerkleinern und damit gutes Verrotten der Pflanzenbestandteile erwartet. Es wurde ein positiver Effekt des Wassers vermutet, da es über die Schnitt-fläche in den unterirdischen Teil der Pflanze gelangen und dort eine Schädigung hervor-rufen kann. Auch elektrischer Strom wirkt nicht nur auf die Blätter, sondern auch auf die im Boden liegenden Bestandteile und wurde als aussichtsreiches Verfahren bewertet.      Tabelle 2: Bewertung ausgewählter Werkzeugprinzipien für eine kleinräumige, nicht-chemische Bekämpfung der Herbstzeitlose, 3 Punkte für beste Bewertung. Bewertungs-kategorie Anteil Mechanisch Schneiden Walzen Heißwasser Abflammen Wasserstrahl Laser Infrarot El. Strom Leistungsanforderungen 35% 2,7 2,9 1,7 2,0 1,9 1,7 1,0 2,1 Koppelung an Trägerfahrzeug 10% 2,0 2,0 2,0 2,5 2,0 2,0 2,0 2,0 Steuerungstechnik 15% 1,0 0,0 2,3 2,0 2,3 2,7 1,3 2,0 Erwartete Wirkung 20% 2,0 0,5 2,0 2,0 2,0 1,0 1,5 2,5 Kosten (Anschaffung, Betrieb) 20% 2,3 1,5 1,8 0,8 1,8 0,0 0,0 1,8 Bewertung  2,2 1,6 1,9 1,8 2,0 1,4 1,1 2,1 Rang  1 - 4 - 3 - - 2  Abbildung 1: Anzahl der Herbstzeitlosen im Frühjahr vor der Behandlung und zum Zeitpunkt der Ernte (Mittelwert ± Standardabweichung) für drei Jahre2.                                                  2 Wegen der Corona-Pandemie konnte in 2021 nur bekämpft aber nicht bonitiert werden. 16. Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau Beitrag wird archiviert unter http://orgprints.org   Das mechanische Schneiden (Mech) wurde am besten bewertet. Wegen des geringen Leistungsbedarfs und den Verzicht auf Betriebsmittel wurde es dem fahrerlosen Geräteträger zugeordnet. Für einen sektionsweisen Betrieb wäre die Bekämpfung mit elektrischem Strom aussichtsreich gewesen. Da aber kein Kooperationspartner ge-funden werden konnte, wurde diese Lösung verworfen. Allerdings blieb mit dem Hoch-druckwasserstrahl eine adäquate Variante für ein sektionsweise arbeitendes Gerät für die Traktorkopplung. Es wurden eine senkrecht zum Boden gerichtete Düse mit ro-tierendem Wasserstrahl (RoDü) und eine um 45° geneigte Flachstrahldüse (Fl45) favorisiert. Die Feldversuche mit diesen ausgewählten Werkzeugen zeigten, dass unab-hängig von der gewählten Variante der Bestand auf 0 bis 2 Herbstzeitlosenpflanzen pro m² signifikant zur Kontrolle ohne Bekämpfungsmaßnahme (K) reduziert werden konnte (p ≤ 0,04) und damit die empfohlene Bekämpfungsschwelle (Briemle und Elsäßer 2008) erreicht wird, Abbildung 1. Innerhalb von drei Jahren wurde der Herbstzeitlosenbestand bezogen auf den Ausgangsbestand im Jahr 2019 zwischen 50 und 68% reduziert. Schlussfolgerungen Die Versuche lassen den Schluss zu, dass eine Kontamination durch Herbstzeitlosen reduziert werden kann, wenn eine der Bekämpfungsmaßnahmen durchgeführt wird. Eine zweifache Behandlung verspricht eine höhere Erfolgsrate.  Danksagung Die Förderung des Vorhabens erfolgte aus Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) aufgrund eines Beschlusses des deutschen Bundestages. Die Projektträgerschaft erfolgte über die Bundesanstalt für Land-wirtschaft und Ernährung (BLE) im Rahmen des Programms zur Innovationsförderung. Literatur Briemle G (2000): Giftpflanzen des Grünlandes – Wirkung auf Nutztier und Mensch, sowie Bekämpfungsmaßnahmen. Bildungs- und Wissenszentrum Aulendorf (LVVG). Briemle G & Elsäßer M (2008): Stoppen Sie rechtzeitig die Invasion von Giftpflanzen. Topagrar H. 6, S. 62-65. Humbert J-Y, Richner N, Sauter J & Walter T (2010): Wiesen-Ernteprozesse und ihre Wirkung auf die Fauna. Agroscope Reckenholz-Tänikon ART-Bericht 724. Löbbert M (2001): Landschaftspflege – Bewertung technischer Verfahren unter besonderer Berück-sichtigung der Wirbellosen-Fauna. Landtechnik 56, SH 1, S. 234-236. Lösch M, Stauß D, Wandel H & Jungbluth T (1997): Der Bio-Cutter - Ein technischer Ansatz zur faunaschonenden Mulchtechnik. Landtechnik 52, H. 1, S. 18-19. Martin F, Lohrmann G & Stoll A: Selective weed control in grassland using high-pressure water jets. 79th International Conference on Agricultural Engineering LAND.TECHNIK/AgEng (VDI-Berichte Nr. 2395), p. 105-110. Petrich L, Lohrmann G, Neumann M, Martin F, Frey A, Stoll A & Schmidt V (2020): Detection of colchicum autumnale in drone images, using a machine-learning approach. Precision Agriculture, 21, pp. 1291–1303. Petrich L, Stoll A & Schmidt V (2022): Tractor-mounted implement with section control and small-scale robot: Monte Carlo-based scenario analysis for effective weed control in extensive grassland. 79th International Conference on Agricultural Engineering LAND.TECHNIK/AgEng (VDI-Berichte Nr. 2395), p. 285-292. Seither M & Elsäßer M (2014): Bekämpfungsstrategien gegen Herbstzeitlose (Colchicum autumnale) und deren Auswirkungen auf die botanische Zusammensetzung artenreicher Wiesen. 58. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Grünland und Futterbau der Gesellschaft für Pflanzenbauwissenschaften e.V., Arnstadt, 28.-30. August. 

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