Behandlungsfehler in der Psychotherapie: ein empirischer Beitrag zum Fehlerbegriff und seinen ethischen Aspekten

Abstract

Zusammenfassung: Behandlungsfehler in der Psychotherapie sind bisher kaum erforscht. Eine empirisch gestützte Kategorisierung von Behandlungsfehlern stellt einen ersten Schritt dar, sich evidenzbasierten ethischen Empfehlungen zum Umgang mit solchen Fehlern zu nähern. Zielsetzung dieser Arbeit ist es, dafür erste Grundlagen zu erarbeiten, die auf Erfahrungen von Praktikern Bezug nehmen. Nach einer systematischen Literaturrecherche wurden 30 semistrukturierte Interviews mit approbierten Psychotherapeuten unterschiedlicher Ausrichtungen (Schulen) geführt und anhand der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet. Die beschriebenen, alltäglich auftretenden Behandlungsfehler konnten in technische, normative, Einschätzungs- und Systemfehler klassifiziert werden. Viele der technischen und Einschätzungsfehler wurden als reversibel angesehen; sie könnten sogar konstruktiv für die Behandlung nutzbar gemacht werden. Das Versäumnis, einen Fehler zu korrigieren, wurde als Hauptfehler betrachtet. Bei normativen Fehlern sei mit rechtlichen oder berufspolitischen Konsequenzen, aber auch mit Vertrauensverlust und Therapieabbruch zu rechnen. Für Systemfehler fühlten sich die befragten Therapeuten nicht verantwortlich; hier seien berufspolitische Änderungen nötig. Die Ergebnisse zeigen, dass die Befragten zu der Empfehlung tendieren, Psychotherapiepatienten in passender Form über Behandlungsfehler aufzuklären und in die entstehenden Konsequenzen einzubeziehen. Fazit: Psychotherapeuten äußern sich aufgeschlossen gegenüber einer transparenten, konstruktiven Fehlerkultur - eine wesentliche Voraussetzung für Fehlerprävention. Häufig resultiert erst durch die fehlende Korrektur eines (alltäglichen) Fehlers ein Behandlungsfehler, der Konsequenzen hat (z.B. Scheitern der Therapie). Um diesem entgegenzuwirken, zeichnet sich eine Befürwortung für eine passende Form der Patientenaufklärung über Fehler ab

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