Mehrsprachige Individuen - vielsprachige Gesellschaften. 35. Jahrestagung der Gesellschaft für Angewandte Linguistik (GAL) vom 23.-25. September 2004. Bericht aus der Sektion 7: Soziolinguistik
Die Soziolinguistik ist noch immer gespalten zwischen korrelativ-globalen und konversationell-lokalen Ansätzen (Gilles 2002) bei der Beschreibung und Erklärung sprachlicher Variation. Dies zeigte sich deutlich in den Vorträgen und Diskussionen im Rahmen der Sektion Soziolinguistik, die während der 35. Jahrestagung der Gesellschaft für Angewandte Linguistik (GAL) zum Oberthema "Funktionale Nutzung von Mehrsprachigkeit in sozialen Räumen" abgehalten wurde. Schon das Oberthema der Jahrestagung "Mehrsprachige Individuen - vielsprachige Gesellschaften" brachte die unüberwundene Kluft zwischen mikro- und makrosoziolinguistischen Ansätzen auf den Punkt. Das von den Sektionsleiterinnen Elisabeth Burr (Bremen) und Bärbel Treichel (Magdeburg) zusammengestellte Programm zeigte zudem, dass gerade unter jüngeren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern eine größere Neigung zur Wahl interaktionaler Methoden zu bestehen scheint. Bemerkenswert ist, dass die beiden Ansätze weniger als komplementär angesehen werden, sondern jeweils für sich ein Primat reklamieren. Während die Konversationalisten den Varietätenlinguisten vorhalten, eine explanative Soziolinguistik müsse von der Sprachverwendung und der konversationellen Funktion von Varianten ausgehen, werfen die makrosoziologisch interessierten Varietätenlinguisten den Konversationalisten die mangelnde Systematisierbarkeit und Verallgemeinerbarkeit ihrer Ergebnisse und einen intuitiven Umgang mit den Daten vor und stellen so letztlich die Wissenschaftlichkeit dieser Methode in Frage. Bei diesem Streit um den richtigen Zugang zu sprachlicher Variation wird häufig übersehen, dass auch makrosoziolinguistische Untersuchungen häufig unreflektiert mit konversationellem Wissen operieren: Etwa werden beim Entwurf des Designs für die Datenerhebung Zusammenhänge zwischen Erhebungssituation und Sprachverwendung konstruiert, die möglichst "natürliche" Daten oder Daten unterschiedlicher Stilebenen produzieren sollen. Andererseits arbeiten auch konversationelle Methoden mit Erkenntnissen aus makrosoziolinguistischen Untersuchungen: Bei der Entwicklung der Analysekategorien geht varietätenspezifisches Wissen schon konzeptuell ein und findet auch bei der Analyse selbst Verwendung, etwa wenn von der Dialektalität von Varianten die Rede is