Transiente Glukose-Exposition des Nematoden Caenorhabditis elegans: Ein Modell für das metabolische Gedächtnis im Diabetes mellitus

Abstract

Das metabolische Gedächtnis im Diabetes mellitus ist die biochemische Grundlage der Entwicklung diabetischer mikrovaskulärer Langzeitkomplikationen wie der diabetischen Retinopathie, Nephropathie und Neuropathie. Komplexe irreversible Mechanismen können nach einer initialen Episode schlechter Kontrolle der Blutglukose anhaltende zelluläre Veränderungen verursachen, die durch die bisherigen vorwiegend blutglukosesenkenden Therapien nicht rückführbar sind. Ziel dieser Arbeit war es die anhaltenden Auswirkungen transienter Glukose-Exposition (GE) in dem Modellorganismus C. elegans im Vergleich zu persistenter GE zu untersuchen, Effekte im Sinne eines metabolischen Gedächtnisses zu identifizieren und somit die Eignung als Modell für dieses Phänomen zu evaluieren. Transiente Glukose-Exposition konnte im Vergleich zu persistenter GE keine erhöhte Bildung von „Advanced Glycation Endproducts (AGEs)“, einer typischen Veränderung des metabolischen Gedächtnisses induzieren. Allerdings zeigten sich Hinweise auf weitere Veränderungen wie eine erhöhte Bildung von reaktivem oxidativem Stress (ROS) nach transienter, sowie persistenter GE. Protektive Auswirkungen betrafen eine Erhaltung der Motilität im Alterungsprozess durch transiente und persistente GE, sowie eine Lebensverlängerung, die nur durch transiente GE induziert werden konnte. Diese protektiven Effekte könnten im Sinne der Mitohormese erklärt werden, die eine Induktion antioxidativer Systeme nach Stimulation mit ROS beschreibt. Dieser Mechanismus kann den Organismus vor späteren Schäden übermäßiger ROS-Bildung schützen. Im Gegensatz zu weiteren publizierten Studien zur Auswirkung von GE in C. elegans wurden hier sehr hohe Glukosekonzentrationen gewählt um eine Glukotoxizität zu untersuchen. Neben weiteren methodischen Unterschieden könnte das eine Erklärung für die zum Teil unterschiedlichen Ergebnisse liefern. Auf Transkriptomebene zeigte sich die Genexpression multipler Signal- und Stoffwechselwege anhaltend nach transienter GE verändert. Neben gleichgerichteten Mechanismen nach transienter und persistenter GE zeigten sich auch Mechanismen, die nur nach transienter GE anhaltend verändert waren. Komponenten des Insulinrezeptorsignalwegs zeigten sich vermindert, wohingegen Gene des Aminosäurestoffwechsel vermehrt exprimiert wurden, was insgesamt als Hinweise auf eine Insulinresistenz gedeutet werden könnte. Eine verminderte Genexpression endozytotischer Gene in beiden Gruppen könnte in Verbindung mit einem verringerten Recycling des Insulinrezeptors stehen. Weitere gleichgerichtete Genexpression von Signalwegen nach transienter und persistenter GE betraf antioxidative Enzyme sowie einerseits eine Verminderung ribosomaler RNA-Produktion und Reifung, andererseits eine Erhöhung ribosomaler Proteinproduktion. Diese Veränderungen sprechen für eine gestörte, potentiell inhibierte Translation, worauf auch die verminderte Genexpression der proteinprozessierenden Gene im endoplasmatischen Retikulum in beiden Gruppen hindeutet. Einzig nach transienter GE, aber nicht persistenter GE zeigte sich die Genexpression des FoxO- sowie mTOR-Signalweges vermindert, die unter Kontrolle des Insulinrezeptors stehen und einen Einfluss auf antioxidative sowie mitogene Prozesse wie Zellwachstum und –teilung haben. Diese Ergebnisse sollten mittels Untersuchung der Proteinexpression und mechanistischer Studien validiert werden. Sie liefern Hinweise auf neuartige Mechanismen des metabolischen Gedächtnisses, die eine unterschiedliche Regulation abhängig von der Dauer der GE zeigen. Metabolisch konnte unter persistenter GE keine erhöhte Glukosemenge in den C. elegans gemessen werden. Eine Messung des glykolytischen Flux in weiteren Studien könnte den Metabolismus der Glukose weiter entschlüsseln. Aufgrund der hohen GE-Konzentration wurde mittels Mannitol-exposition (ME) die Rolle der Osmose in diesem Modell untersucht. Die verringerte Größe, Länge und Proteingehalt der Nematoden unter GE konnte in gleichem Ausmaß unter ME erreicht werden. Im Gegensatz dazu war der Einfluss auf Lebensspanne und Motilität nicht vollständig über osmotische Mechanismen zu erklären, was auf weitere glukose-spezifische Mechanismen hindeutet. Insgesamt können durch transiente GE anhaltende AGE-unabhängige Effekte in C. elegans induziert werden, deren Mechanismen nicht vollständig geklärt sind. Das Modell des Fadenwurms kann nach den Daten dieser Studie Hinweise zur Aufklärung von frühen, noch nicht charakterisierten Mechanismen des metabolischen Gedächtnisses geben und damit einen wichtigen Beitrag in der weiteren Erforschung diabetischer Komplikationen und deren potenzieller Behandlung leisten. Zur Durchführung der aufwendigen Versuche konnte im Rahmen dieser Arbeit ein Protokoll für die Massenkultur in C. elegans optimiert werden

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