Hengstenberg, R.

Sandemann, C.

German

MPG.PuRe

Verh.Dtsch.Zool.Ges. 1982, 313, Gustav Fischer Verlag, Stuttgart, 1982   Kompensatorische Kopf-Rollbewegungen von Fliegen   Compensatory Head-Roll-Movements of Flies  R. HENGSTENBERG* UND D. C. SANDEMAN Dept. of Neurobiology, Australian National University, P. O. Box 475, Canberra, A. C. T. 2601, Australia  Wenn Fliegen aus ihrer normalen Fluglage ausgelenkt werden, reagieren sie hierauf mit verschiedenen Steuermanövern (s. Götz, K. G. et al.: Biol. Cybernetics 35, 101, 1979) und mit kompensatorischen Kopfbewegungen (s. Sandeman, D. C., Markl, H.: J. exp. Biol. 85, 43, 1980). Kopfbewegungen tragen nicht unmittelbar zur Wiederherstellung der normalen Fluglage bei, sondern stabilisieren den Kopf relativ zur Umwelt. Hier wurden Kopf-Rollbewegungen von Schmeißfliegen (Calliphora) bei passiver Drehung um ihre Längsachse untersucht. Zur Charakterisierung der Sensorik wurde die Drehung der Tiere im Raum aufgespalten in rein mechanische Reize (Drehung in visuell homogener Umgebung) und in rein visuelle Reize (Drehung einer strukturierten Umwelt bei nicht bewegtem Tier). Durch senkrechte Anordnung der Drehachsen war die Schwerkraft als Richtvektor ausgeschlossen. Mechanische Drehreize verursachen Gegenbewegungen des Kopfes (relativ zum Körper), sofern visuelle Richtgrößen ausgeschaltet sind. Der mechanosensorische Eingang spricht auf Winkelgeschwindigkeit und -beschleunigung an, wobei die Reaktion mit der Geschwindigkeit bis zur Sättigung anwächst. Mechanisch induzierte Kopf-Rollbewegungen verschwinden mit Amputation der Halteren. Demnach vermitteln bisher nicht näher bestimmte Sensillen der Halteren das erforderliche mechanosensorische Signal, während andere mechanische Sinnesorgane offenbar keine wesentliche Rolle spielen. Visuelle Drehreize verursachen Folgebewegungen des Kopfes (relativ zur Umwelt), sofern mechanische Reize ausgeschaltet sind. Dabei wirken als Richtgrößen: (a) der dorsoventrale Helligkeitsgradient, (b) waagrechte Landmarken im lateralen Sehfeld, und (c) Roll-bewegungen großflächiger Muster, die keine diskreten Landmarken enthalten.  Mit periodischen Streifenmustern (λ= 30°) wird die Reaktion bei einer Drehgeschwindigkeit w ≈100°/sec maximal und fällt zu niedrigeren und zu höheren Drehgeschwindigkeiten wieder ab. Diese visuell induzierten Kopf-Rollbewegungen persistieren bei Ozellenblendung und werden demnach hauptsächlich durch die Komplexaugen gesteuert. Das Regelsystem zur Stabilisierung des Fligenkopfes um die Körperlängsachse erscheint uns aus folgenden Gründen besonders leistungsfähig: (a) Das visuelle System extrahiert parallel aus der Umwelt alle für diesen Zweck nutzbaren Richtgrößen; dadurch wird das System weitgehend unabhängig von der jeweiligen Struktur der Umwelt. (b) Die Eigenbewegung der Halteren im Flug ermöglicht eine kontinuierliche Messung der Winkelgeschwindigkeit auch im kräftefreien Zustand. (c) Die dynamischen Eigenschaften des visuellen und des mechanischen Eingangs ergänzen sich gegenseitig: im statischen Fall und bei extrem niedrigen Winkelgeschwindigkeiten, wo die Halteren kein brauchbares Signal liefern können, ermöglicht u. a. der Licht-Rücken-Reflex die Einhaltung der normalen Fluglage und die Korrektur langsamer Abweichungen. Bei mittleren Drehgeschwindigkeiten wirken visuelle und mechanische Signale synergistisch.  Bei extrem hohen Winkelgeschwindigkeiten, wo die Leistungsfähigkeit des visuellen Systems rasch abnimmt, wird das Halterensignal maximal.  Somit steht bei allen möglichen Drehgeschwindigkeiten stets ein ausreichendes Signal zur Verfügung. (d) Diese «dynamische Komplementierung» erfordert, daß die visuellen und die mechanischen Eingänge der Kopfstellungsregelung parallel wirksam werden können. Das ist tatsächlich der Fall.   * Jetzige Anschrift:     Max Planck Institut für biologische Kybernetik, Spemannstr. 38,   D-72076 Tübingen  313 

Kompensatorische Kopf-Rollbewegungen von Fliegen

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