Belz, Malte

Ebert, Melissa

Müller, Miriam

Sun, Jianqi

Terada, Megumi

Xia, Qiang

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Der Einfluss videobasierter Kommunikation (Zoom) auf dieVokalqualitätMalte Belz, Melissa Ebert, Miriam Müller,Jianqi Sun, Megumi Terada, Qiang XiaHumboldt-Universität zu BerlinWährend der COVID19-Pandemie hat die Nutzung von Diensten zur audio-visuellen Kommu-nikation in Echtzeit stark zugenommen. Damit einher geht die Frage, ob die Verwendung audio-visueller Kommunikationsdienste einen Einfluss auf die gesprochene Sprache hat. Während fürdie technische Übertragung verschiedene Einflüsse auf das Signal festgestellt werden [1, 2], istbisher unklar, ob der Wechsel von einer kopräsenten in eine videokonferenzbasierte SituationAuswirkungen auf die phonetische Realisierung hat. Im Rahmen eines Seminars untersuchen wirexplorativ die Qualität von Vokalen des Deutschen in gelesenen Wortlisten in einer kopräsen-ten (face-to-face) und einer videobasierten Dialogsituation (per Zoom). Die Wortlisten sind Teildes Korpus BeDiaCo [3] und wurden am Anfang und Ende des Experiments in Anwesenheit derjeweils anderen Versuchsperson erhoben (entweder kopräsent oder über Zoom zugeschaltet). Zwi-schen den zwei Wortlisten lagen spontane gesprochene Dialoge von ca. 45 Minuten, die hier nichtuntersucht werden. Die 20 Sprecher:innen sind miteinander vertraut (Mitbewohner:innen, Part-ner:innen, Geschwister) und wurden mit separaten Mikrophonen sowohl in der kopräsenten alsauch in der videobasierten Dialogsituation aufgenommen, die einige Tage später stattfand.Für beide Dialogsituationen wurde für 15 Monophthonge und zwei Reduktionsvokale ein ge-meinsamer Zentroid im Vokalraum berechnet und anschließend die euklidische Distanz zu denneun äußeren Vokalen gemessen. In der Zoom-Situation werden sechs dieser neun Vokale signifi-kant reduziert artikuliert. Am stärksten zeigte sich der Effekt bei [a:]. Mittelgroße Effekte ließensich bei [u:], [o:] und [y:] beobachten, kleine Effekte zeigten sich bei [i:] und [E:]. Keine signifi-kanten Veränderungen waren bei [e:], [O] und [ø:] festzustellen. Systematisch sind somit die hohenVokale und der tiefe Vokal von einer Reduktion betroffen, während der Effekt für die ober- unduntermittelhohen Vokale inkonsistent ist.Drei Gründe könnten diese Ergebnisse erklären. (1) Nach der Theorie zur Hyper- und Hypoar-tikulation [4] variiert die Artikulation auf einem Kontinuum von klarer zu weniger klarer Sprache– Sprecher:innen bemühen sich dabei so weit, wie es für Hörer:innen zum Verständnis nötig ist.Die Reduktion der Vokale in der Zoom-Situation könnte auf eine geringere Involviertheit im Dia-log zurückgehen („an internal, even emotional connection individuals feel which binds them toother people“ [5, S.27]), da sich die Personen nur über Bildschirme und Lautsprecher sehen undhören, was zu einer geringeren kommunikativen Anstrengung und somit zu Hypoartikulation füh-ren kann. (2) Auch niedrigere Lautstärke könnte eine Rolle spielen: Das Signal gelangt in derZoom-Situation direkt vom Mikrophon zu den Kopfhörern der anderen Versuchsperson, währendes in Kopräsenz einen Raum zur ihr durchqueren muss. Das Wissen um diese direkte Perzepti-on könnte wiederum zu einer leiseren Produktion führen. Geringere Lautstärke kann nach [6] zueinem reduzierten [a:] führen, aber nicht unbedingt zu systematisch reduzierten hohen Vokalen(in unseren Daten sind jedoch [a:] und hohe Vokale systematisch reduziert); ein reduzierter Vo-kalraum ist aber nicht notwendigerweise auf geringere Lautstärke zurückzuführen. (3) Der Effektkönnte auch aus der internen technischen Aufbereitung des Signals durch Zoom resultieren [1, 2].Die Versuchspersonen passen sich möglicherweise dem über Zoom gehörten Signal an.P&P 18, 6-7 October 2022, BielefeldLicensed under CC BY 4.0doi:10.11576/pundp2022-1053əøːɐœa:ɛeːɛːɪiːɔoːʊuːʏyːaəøːɐœa:ɛeːɛːɪiːɔoːʊuːʏyːax-2-10123-2-1012F2 (Lobanov)F1 (Lobanov)fzAbbildung 1: Formantraum für gelesene Vokale in der kopräsenten (f) und der videobasiertenSituation (z). Die Ellipsen geben 68% der Vokaldistribution der äußeren Vokale wieder. Die Käst-chen stellen die Mediane der Distribution dar.Literatur[1] Jeremy Calder, Rebecca Wheeler, Sarah Adams, Daniel Amarelo, Katherine Arnold-Murray, Justin Bai, Mere-dith Church, Josh Daniels, Sarah Gomez, Jacob Henry, Yunan Jia, Brienna Johnson-Morris, Kyo Lee, Kit Miller,Derrek Powell, Caitlin Ramsey-Smith, Sydney Rayl, Sara Rosenau, and Nadine Salvador. Is zoom viable forsociophonetic research? A comparison of in-person and online recordings for vocalic analysis. Linguistics Van-guard, 2022.[2] Valerie Freeman and Paul De Decker. Remote sociophonetic data collection: Vowels and nasalization over videoconferencing apps. The Journal of the Acoustical Society of America, 149(2):1211–1223, February 2021.[3] Malte Belz, Christine Mooshammer, Alina Zöllner, and Lea-Sophie Adam. Berlin Dialogue Corpus (BeDiaCo):Version 2, 2021.[4] Björn Lindblom. Explaining phonetic variation: A sketch of the h&h theory. In William J. Hardcastle andAlain Marchal, editors, Speech Production and Speech Modelling, NATO ASI Series, pages 403–439. Springer,Dordrecht, 1990.[5] Deborah Tannen. Talking Voices: Repetition, Dialogue, and Imagery in Conversational Discourse. Studies inInteractional Sociolinguistics. Cambridge University Press, 2007.[6] Laura L. Koenig and Susanne Fuchs. Vowel formants in normal and loud speech. Journal of speech, language,and hearing research : JSLHR, 62(5):1278–1295, 2019.P&P 18, 6-7 October 2022, BielefeldLicensed under CC BY 4.0doi:10.11576/pundp2022-1053

Der Einfluss videobasierter Kommunikation (Zoom) auf die Vokalqualität

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