Kook, Peter H

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Zurich Open Repository andArchiveUniversity of ZurichUniversity LibraryStrickhofstrasse 39CH-8057 Zurichwww.zora.uzh.chYear: 2021Die vererbliche Vitamin B12-Malabsorption beim Hund - eine oft nichterkannte Erkrankung mit dramatischem Verlauf und exzellenterLangzeitprognoseKook, Peter HPosted at the Zurich Open Repository and Archive, University of ZurichZORA URL: https://doi.org/10.5167/uzh-211510Conference or Workshop ItemPublished VersionOriginally published at:Kook, Peter H (2021). Die vererbliche Vitamin B12-Malabsorption beim Hund - eine oft nicht erkannteErkrankung mit dramatischem Verlauf und exzellenter Langzeitprognose. In: DVG-Vet-Congress 2021,Berlin, 18 November 2021 - 20 November 2021, DVG.Die vererbliche Vitamin B12-Malabsorption beim Hund - eine oft nicht erkannte Erkrankung mit dramatischem Verlauf und exzellenter Langzeitprognose  PD Dr med vet Peter Kook, Dipl ACVIM&ECVIM, Klinik für Kleintiermedizin, Vetsuisse-Fakultät, Universität Zürich, Schweiz    Das Imerslund-Gräsbeck-Syndrom (IGS) (auch: selektive Vitamin B12 (Cobalamin)-Malabsorption mit Proteinurie) ist eine autosomal-rezessiv vererbte selektive Störung der Cobalaminresorption im Ileum. Der Name der Erkrankung rührt von der zeitgleichen Beschreibung des Syndroms in skandinavischen Familien durch Olga Imerslund in Norwegen und Ralph Gräsbeck in Finnland Ende der 50er Jahre.1 In der Veterinärmedizin wurde diese Erkrankung das erste Mal Ende der 80er Jahre bei einer Riesenschnauzer Familie in den USA beschrieben,2 seither konnte mehr und mehr Wissen über „IGS“ beim Hund generiert werden, und bei einzelnen Rassen wie Beagle und Border Collie sind mittlerweile sogar Gentests kommerziell erhältlich.3,4   Physiologie & Pathophysiologie - Cobalamin ist ein wasserlösliches Vitamin aus der B-Gruppe (Vitamin B12). Es ist beim Säugetier ein essentieller Co-Faktor zweier Enzymsysteme und adequate Mengen sind erforderlich für die Nukleinsäurensynthese und Hämatopoese. Die zwei wichtigsten Cobalamin-abhängigen Reaktionen im Stoffwechsel sind die Umwandlung von Methylmalonyl-Coenzym A (CoA) zu Succinyl-CoA und die Remethylierung von Methionin zu Homocystein. Ein Cobalaminmangel führt demnach zum Anstieg der Methylmalonsäure (messbar im Urin und Serum) und des Homocysteins (messbar im Plasma).7 Die Messungen dieser Stoffwechselprodukte erlauben die Beurteilung der zellulären Versorgung mit Cobalamin und sind Tests der Wahl zur Dokumentation einer Cobalamindefizienz.5-8 Cobalamin wird vor allem mit Muskelfleisch aufgenommen. Im sauren Milieu des Magens wird das Muskelprotein aufgespalten, Cobalamin freigesetzt und sofort an ein Transporterprotein (Haptocorrin) gebunden. Im Dünndarm wird dieses Haptocorrin durch pankreatische Proteasen verdaut und das nun wieder freie Cobalamin bindet an den sog. Intrinsischen Faktor (IF). Dieses Glykoprotein IF wird beim Hund mehrheitlich im Pankreas und in kleineren Mengen auch in der Magenschleimhaut synthetisiert. Der Cobalamin-IF-Komplex wird dann im Ileum durch eine CUBAM Rezeptor-vermittelte Endozytose in die Blutbahn aufgenommen.9  Aus dem bisher Genannten wird klar: Ein Cobalaminmangel kann enstehen durch 1) diätetischen Mangel (bisher beim Kleintier noch nicht publiziert; ich hatte einen vegan gefütterten Hund mit zellulärem B12 Mangel bisher), 2) eine mit IF-Mangel einhergehende Pankreaserkrankung (v.a. exokrine Pankreasinsuffizienz beim Hund), 3) eine infiltierende Dünndarmerkrankung (IBD oder Neoplasie), und schliesslich 4) durch ein Fehlen (oder einen defekten) CUBAM-Rezeptor.   Die genetische Ursache der Erkrankung IGS liegt in einem Fehler des Rezeptorproteins für die Absorption des Komplex aus Cobalamin und IF. Hund und Mensch können Mutationen in zwei auf verschiedenen Chromosomen liegenden Genen vorliegen: dem Cubilin-Gen (CUBN) oder dem Amnionless-Gen (AMN). Beide Proteine (CUBilin und AMnionless) sind Bestandteile des sog. CUBAM-Rezeptors, der im Ileum den Komplex von Cobalamin und IF bindet und so die Cobalaminaufnahme ins Blut ermöglicht. Zusätzlich sind diese Rezeptorkomplexe in den proximalen Nierentubuli an der Rückresorption verschiedener Proteine aus dem Primärharn beteiligt (daher die zeitgleiche Proteinurie). Das Fehlen oder die gestörte Funktion des CUBAM-Rezeptors macht eine rezeptor-gesteuerte intestinale Cobalaminaufnahme unmöglich und der dann entstehende Mangel beginnt sich in der Regel mit wenigen Monaten klinisch auf zum Teil sehr unterschiedliche Weise zu manifestieren.  Betroffene Rassen - Das canine IGS wurde bisher beim Riesenschnauzer,2 Komondor,10 Australian Shepherd,11 Border Collie,5,6,12,13 und Beagle7,8,14,16,17 beschrieben. Vor kurzem wurde ebenfalls ein 8 Wochen alter Yorkshire Terrier Welpe mit Cobalamindefizienz und Methylmalonylazidurie beschrieben, der vollständig auf parenterale Cobalaminsupplementation ansprach.18 Während IGS beim Riesenschnauzer und Australian Shepherd durch Mutationen im AMN-Gen verursacht wird, konnten wir kürzlich zeigen, dass die ursächliche Mutation beim Beagle und Border Collie im CUBN-Gen liegt.3,4  Mischlinge der bekannten Rassen können ebenfalls betroffen sein.19 Stichwort: komplexe Heterozygotie; d.h. ein Individuum ist an zwei Stellen in einem Gen heterozygot, sowohl das mütterliche als auch das väterliche Allel tragen jeweils eine (schädliche) Veränderung. Publiziert ist beispielweise ein Beaglemischling der heterozygot war für die beiden beschriebenen Mitationen im CBUN Gen (der Mischling trug die bekannten Beagle und die Border Collie Variante).19 Mir sind ebenfalls Fälle von Hound-Beagle Mischlingen aus den USA bekannt.   Klinik -  Welpen und Junghunde können bereits mit wenigen Monaten (2-5 Monate) erkranken, zum Teil sind sie aber auch bereits > 1 Jahr. Es scheint, dass der Border Collie etwas später (8-24 Monate) erkrankt. Der mir bekannte älteste IGS-Border Collies wurde erst mit 42 Monaten diagnostiziert. Es handelte sich um eine chronisch müde und magere Hündin, die ausserhalb der Hütearbeit fast nur schlief.6 Diese deutliche Variation des Krankheitsbeginns lässt sich sehr wahrscheinlich durch unterschiedlich grosse in der Fötalentwicklung angelegte hepatische Cobalaminspeicher erklären. Sobald diese Speicher verbraucht sind, werden die Hunde krank. Beagle scheinen besonders früh krank zu werden. In der Regel beginnt der langsame Leidensweg mit Inappetenz, die sich zu vollständiger Anorexie steigert. Die Hunde zeigen Gedeihstörungen, bleiben im Wachstum zurück und werden zunehmend apathisch. Etwa die Hälfte der Hunde wird wegen Durchfall (+/- Vomitus) vorgestellt. Sehr selten kann es zu Krämpfen kommen (infolge der Methylmalonylazidämie und Hyperammonämie, oder auch wegen Hypoglykämie).14,15 Weitere klinische Befunde können Glossitis/Stomatitis, Bradykardie, intermittierende Pyrexie, Fellveränderungen, und erhöhte Infektanfälligkeit sein.6,13-16,17 Beim Border Collie kann IGS leicht mit dem sog.  “Trapped Neutrophil Syndrome” verwechselt werden.20  Labor - In seltenen Fällen kann das Routinelabor vollständig normal sein.6 Typische Befunde in der hämatologischen Untersuchung sind Anämie und / oder Neutropenie. Die Neutropenie ist beim Hund sogar häufiger als die Anämie. Die Anämie kann im Schweregrand stark varriieren, ebenso die Neutropenie. Sehr selten finden sich Thrombozytopenien. Im Gegensatz zum Kind mit IGS zeigen Hunde fast nie eine Makrozytose (normales MCV). In der klinischen Chemie können die Proteine und der Blutzucker erniedrigt sein; leichtgradig erhöhte Leberenzyme sind bei chronisch kranken Hunden möglich (ASAT > ALAT). Es ist wichtig zu wissen, dass der Ammoniak bei vielen IGS-Hunden ebenfalls leichtgradig erhöht sein kann (hohe Methylmalonsäure hemmt den Krebszyklus). Zum Ausschluss des häufig verdächtigten portosystemischen Shunts eignen sich daher besser die Bestimmung der Serumgallensäuren.14,16  Bei der Urinuntersuchung ist eine milde Proteinurie pathognomonisch (fehlender CUBAM-Rezeptor im proximalen Tubulus).6  Diagnose – Am wichtigsten überhaupt ist es einen Verdacht auf IGS zu haben. Es ist unsere Erfahrung, dass bei vielen Hunden initial entweder ein portosystemischer Shunt (Klinik, eventuelle Hypoglykämie und erhöhter Ammoniak) verdächtigt oder einfach “symptomatisch” behandelt wird. Diese jungen Hunde sind schlussendlich so schwach und mager, dass sie von den verzweifelten Besitzern und Tierärzten eingeschläfert werden müssen. Alle bereits erkrankten IGS-Hunde haben eine Hypocobalaminämie, Hyperhomozysteinämie und Methylmalonlyazidämie, bzw. –azidurie. In seltenen Fällen ist das Cobalamin nur leichtgradig erniedrigt, die Hunde haben aber bereits eine Methylmalonylazidämie/urie). In der Praxis reicht die Dokumentation des Cobalaminmangels bei passenden klinischen Zeichen UND die vollständige klinische Normalisierung bei ausschliesslicher Cobalamingabe. Beim Beagle und Border Collie stehen seit 2013 Gentests (EDTA Plasma) zur Verfügung (LABOKLIN) und an IGS erkrankte (homozygot für die Mutation), Carrier (heterozygot für die Mutation),sowie seltene Fälle mit komplexer Heterozygotie können damit einfach identifiziert werden.  Bei unklaren Fällen kann die Methylmalonsäure gemessen werden (vor Supplementation mit B12). Kommerzielle Veterinärlabore bieten den Test mittlerweile an.  Therapie -Wir verwenden parenteral verabreichtes Hydroxocobalamin (Hydroxocobalamin ist ein physiologisch vorkommendes Cobalamin; es gibt erste Hinweise bei der Katze, dass es effektiver in der Supplementierung bei Cobalaminmangel ist21). Initial wenn es dem Hund klinisch sehr schlecht geht, sollte parenteral (IM) behandelt werden. Dosis: 1000 μg IM 1 x monatlich. Die Hunde fangen in der Regel sofort an zu fressen und werden deutlich aktiver. Alle übrigen Befunde wie Maulschleimhautentzündungen, Fellveränderungen oder Durchfälle verschwinden in den darauf folgenden Tagen und Wochen. Hämatologische Veränderungen sind nach 3-4 Wochen normalisiert. Nur die milde Proteinurie  (UPC zwischen ca. 0.3-0.6) bleibt lebenslang bestehen, da der CUBAM Rezeptor (Rückresorption verschiedener Proteine in den Nierentubuli) in der Niere weiter fehlen wird. Man weiss von Langzeituntersuchungen vom Menschen (Zeitspanne bis zu 40 Jahren), dass diese milde Proteinurie benigne bleibt, und es nicht zu chronischen Nierenschäden kommt.22   Es ist unsere Erfahrung, dass die Serumcobalaminkonzentration im Vergleich zur Klinik weniger gut geeignet ist, um den Therapieerfolg zu überwachen, das gilt vor allem für parenterale Supplementation.7 Auch wenn der Patient klinisch vollständig munter ist und wieder ein normales Körpergewicht hat, wollen die Besitzer zur Beruhigung oft eine “normale” Serumcobalaminkonzentration im Blut sehen. Tatsächlich sind aber klinisch unauffällige IGS-Hunde auch bei hohen Supplementationsdosen oft leichtgradig hypocobalaminämisch (oder der Wert ist im niedrigen Normalbereich).6,7,13,14 Idealerweise müsste zur Dokumentation einer adequaten zellulären Cobalaminversorgung die Methylmalonsäure bestimmt werden. Wir haben in Zürich das optimale Supplementierungsintervall bei IGS-erkrankten Hunden untersucht.7,8 Wir konnten zeigen, dass Hunde klinisch und biochemisch langfristig einwandfrei kontrolliert sind mit 1 x monatlich 1000 μg IM 1 x und auch 1000 μg IM jeden 2. Monat.7 Wir hatten zu wenig Datensätze bei 1000 μg IM alle 3 Monate und tendenziell stieg die Methylmalonsäure mit 3-monatlichem Intervall zwischen den Injektionen wieder an, aber 1000 μg Hydroxocobalamin IM alle 2 Monate war ausreichend.7 Interessanterweise konnte bei Kindern mit IGS gezeigt werden, dass tägliche supraphysiologische Mengen an peroral verabreichtem Cobalamin trotz fehlendem (oder defektem) CUBAM-Rezeptor intestinal aufgenommen werden (sehr wahrscheinlich über freie Diffusion, unabhängig vom Rezeptor). Wir konnten bei Beaglen mit IGS zeigen, dass die Hunde die klinisch gut kontrolliert waren mit 1000 μg Hydroxocobalamin IM alle 2 Monate  auch mit 1 mg Cyanocobalamin tgl. klinisch und biochemisch (Methylmalonsäure blieb normal) über einen Zeitraum von 1 Jahr unauffällig blieben.8 Da die Injektionen etwas brennen können, erschien das für einige Besitzer die bessere Behandlung. Überdosierungen sind bisher nicht beschrieben – überschüssiges Cobalamin wird mit dem Urin ausgeschieden.   Prognose – Hunde mit IGS, die als solche erkannt und damit adequat behandelt (s.o.) werden, haben eine exzellente Prognose und normale Lebenserwartung. Bei manchen (oft spät) erkannten Fällen normalisiert sich der Wuchs nicht mehr. Die milde Proteinurie bleibt lebenslang bestehen (weiterhin fehlender CUBAM-Rezeptor in den Nierentubuli). Bei sehr spät (oder nicht) diagnostizierten jungen Hunden kann es (sehr wahrscheinlich aufgrund der Chronizität der massiven Hyperhomozysteinämie) zu chronisch-degenerativen Lebererkrankungen mit Aszites kommen, die reversibel sein können.15 Unbehandelte IGS-Hunde verkümmern im wahrsten Sinne des Wortes und sterben schlussendlich wegen dieses selektiven Cobalaminmangels.16,17    Referenzen:  1. Gräsbeck R. Hooked to vitamin B12 since 1955: a historical perspective. Biochimie. 2013;95(5):970-975.  2. Fyfe JC, Jezyk PF, Giger U. Patterson DF. Inherited Selective Malabsorption of Vitamin-B12 in Giant Schnauzers. J Am Anim Hosp Assoc 1989; 25:533–539.  3. Owczarek-Lipska M, Jagannathan V, Drögemüller C, Lutz S, Glanemann B, Leeb T, Kook PH. A frameshift mutation in the cubilin gene (CUBN) in Border Collies with Imerslund-Gräsbeck syndrome (selective cobalamin malabsorption) PLoS One. 2013;8(4):e61144.  4. 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Die vererbliche Vitamin B12-Malabsorption beim Hund - eine oft nicht erkannte Erkrankung mit dramatischem Verlauf und exzellenter Langzeitprognose

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