Vorort und Stadt : Berlins Peripherie in einigen literarischen Texten der Weimarer Zeit

Abstract

In der Weimarer Zeit stand das Thema Großstadt Berlin in der Kunst, in der Literatur und im Journalismus auf dem Höhepunkt seiner Beliebtheit. Dem Vorort wurde dagegen nur selten Beachtung geschenkt. Die vorliegende Arbeit befaßt sich aufgrund einiger literarischen Texte mit dem Thema Vorort und soll herausarbeiten, wie ein Vorort wahrgenommen und erlebt wurde. Es haldelt sich also um den Vorort als erlebten Raum. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich Berlin rasch zur modernen Großstadt. Die explosive Zunahme der Einwanderer führte zur Verstädterung der umliegenden Orte und zur Entstehung der Vororte. Der Vorort grenzt an die Stadt sowie das Land, gehört aber zu keinem der beiden, ist ein Zwischenort. Der Vorort hat auch keine Geschichte wie die Stadt selbst und ist sozusagen ein Vakuum. Die Leere des Vorortes in Hinsicht auf Geschichte wie Bedeutung versuchte man seit seiner Entstehung zu füllen. So bauten die Vertreter der Villenkolonie-Bewegung und der Landhausideologie Vororte "landschaftlich" und hoben die von der Stadt verlorene "Natur" darin hervor. Die Architekten der Neuen Sachlichkeit bauten ihrerseits Siedlungen mit gleichmäßigen Bauten, in die frische Luft und Sonnenlicht hineindrangen. Für die Neue Sachlichkeit bildete der Vorort den Raum des völlig neuen und rationellen Lebens. Wie aus der Betrachtung der literarischen Texte hervorgeht, sind die Modi, wie man den Vorort wahrnahm und erlebte, jedoch nicht konform mit den Ideen der Stadtplaner und der Architekten. "Berlin" von Paul Burk, ein von apokalyptischen Visionen durchdrungener Großstadtroman, stellt den Vorort als einen negativen Raum dar, der von der Vampir-Stadt verschlungen wird. In Döblins "Berlin Alexanderplatz" erscheint der Vorort Freienwalde als gefährlicher Ort, wo durch die Nähe zur Großstadt und die Anonymität einerseits und durch die Dunkelheit im Wald andererseits der in der Stadt ins Extrem getriebene und jedoch verdrängte Trieb ausbricht. Der Vorort erhält erst in Falladas "Kleiner Mann - was nun?" den Rang von "Zuhause": am Schluß des Romans wird der Vorort, wo der Held die Entfremdung und Ausgeschlossenheit von der Stadt spürte, zum Ort, wohin er gehört und zu dem heimkehren kann

    Similar works