Die Strahlendiagnostik ist die größte künstlich geschaffene Quelle für Röntgenstrahlung im Alltag. DNA-Doppelstrangbrüche (DSBs) sind hierbei die schwerwiegendsten von ionisierender Strahlung (IR) verursachten Läsionen, da sie die genomische Integrität gefährden (UNSCEAR 2000). Bei Computertomographie (CT)-Untersuchungen werden zur Unterstützung der Bildgebung vor der Bestrahlung häufig Kontrastmittel (KM) injiziert, welche Elemente mit einer hohen Ordnungszahl (Z) (z. B. Jod) enthalten und somit die Absorption der Strahlung verstärken. Dies beruht darauf, dass bei Photonenenergien, wie sie in der Röntgendiagnostik eingesetzt werden, bei der Absorption sowohl der Photo- als auch der Comptoneffekt auftritt und die Abhängigkeit der durch den Photoeffekt deponierten Energie von Z sehr hoch ist. Der erste Teil dieser Arbeit beschäftigte sich deshalb mit der Frage, ob eine Bestrahlung im Beisein von jodhaltigem KM einen Einfluss auf die DSB-Entstehung hat. In der Röntgendiagnostik werden Röntgendosen von wenigen mGy appliziert. Hierbei werden wenige DSBs induziert, für deren Messung man eine sensitive Methode benötigt. In einer früheren Studie wurde erfolgreich die Methode der Immunfluoreszenz-Mikroskopie (IFM) in Lymphozyten von CT-Patienten etabliert (Lobrich et al. 2005). Diese erwies sich als sehr sensitiv. Bei klinischen Studien besteht jedoch das Problem, dass sich Patienten in ihrem genetischen Hintergrund unterscheiden, was einen Einfluss auf die gemessenen Effekte haben kann. Daher sollte im Rahmen dieser Arbeit die Sensitivität der IFM unter standardisierten Bedingungen validiert werden. Dazu wurde zunächst in Kooperation mit der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie, Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg/Saar die gH2AX-IFM in murinen Lymphozyten etabliert (Rube et al. 2008b). Hierfür wurde die Induktion und Reparatur von DSBs in Lymphozyten verschiedener Mausmutanten mit bekannten Defekten in Komponenten der DSB-Reparatur gemessen. Hierbei spiegelte sich selbst eine geringe Strahlenempfindlichkeit der Mäuse in einer eingeschränkten DSB-Reparaturkapazität wider, sodass sich die IFM als sehr sensitive Methode zur Quantifizierung von DSBs erwies. Nach Validierung der Methode wurde zunächst in vitro die Auswirkung von KM auf die Induktion und Reparatur von DSBs untersucht. Dies wurde mittels gH2AX- und 53BP1-IFM sowie alternativer Methoden wie Pulsfeld-Gelelektrophorese (PFGE) und premature chromosome condensation (PCC) durchgeführt. Hierbei konnte in primären humanen Lymphozyten und Fibroblasten gezeigt werden, dass die Zugabe von KM vor 90 kV-Röntgenbestrahlung verglichen mit unbehandelten Proben zu einer 40-60%igen Erhöhung der initialen DSB-Anzahl führt (= KM-Effekt). Ohne Bestrahlung hatte KM keinen Einfluss auf die DSB-Entstehung. Um die Abhängigkeit des KM-Effektes von der Photonenenergie zu untersuchen, wurden humane Lymphozyten auch mit 660 kV-g-Strahlung bestrahlt, woraufhin kein KM-Effekt beobachtet wurde. Daraus konnte geschlossen werden, dass die Anwesenheit von KM während 90 kV-Röntgenbestrahlung eine Steigerung des Photoeffektes zur Folge hat, was zu einer erhöhten Induktion von DSBs führt, da nach -Bestrahlung die Energie hauptsächlich durch Comptonelektronen deponiert wird. Da dieser Vorgang unabhängig von Z ist, konnte kein KM-Effekt beobachtet werden. In anschließenden Patientenstudien wurde der KM-Effekt auch in vivo mittels H2AX-IFM an Lymphozyten von CT-Patienten untersucht. Parallel dazu wurde die individuelle in vitro-Reparatur anhand von in vitro-bestrahlten Proben ermittelt. Unter Berücksichtigung der individuellen DSB-Schadensantwort konnte auf diese Weise auch nach in vivo-Bestrahlung eine 20-40%ige Erhöhung der initialen DSB-Anzahl in Anwesenheit von KM beobachtet werden. Da die erste untersuchte Patientengruppe bezüglich der Patientencharakteristika inhomogen war, wurden die Ergebnisse mit einem zweiten unabhängigen CT-Patientenkollektiv verifiziert. Hierbei glichen sich die nativ und die mit KM bestrahlte Vergleichsgruppe im mittleren Alter, in der Altersverteilung innerhalb jeder Gruppe sowie in den klinischen Indikationen. Die Messungen ergaben auch hier eine signifikante Erhöhung der Anzahl an induzierten DSBs von 33% bei CT-Patienten mit KM-Gabe, sodass die in vivo-Daten der ersten Patientengruppe verifiziert werden konnten. In den o. g. Patientenstudien traten große Unterschiede im individuellen Reparaturverhalten auf. Daher wurde im weiteren Verlauf der Arbeit untersucht, ob die Reparaturkapazität von den Faktoren Alter, klinischer Indikation oder dem Geschlecht beeinflusst wird. Sowohl im ersten als auch in einer dritten Patientengruppe konnte gezeigt werden, dass Patienten über 60 Jahre eine verminderte DSB-Reparaturkapazität gegenüber jüngeren Patienten (im Mittel 30 Jahre) aufweisen. Weiterhin zeigten Frauen ein tendenziell schlechteres Reparaturvermögen als Männer. Dagegen ergab ein Vergleich der klinischen Indikationen keine Unterschiede. Eine frühere Studie konnte beobachten, dass in konfluenten Fibroblasten die DSB-Reparaturkapazität in vitro mit niedriger werdender Röntgendosis abnimmt und nicht-reparierte DSBs verbleiben (Rothkamm & Lobrich 2003). Um die physiologische Relevanz zu untersuchen, wurde daher im Rahmen dieser Arbeit das Reparaturvermögen im Niedrigdosisbereich auch in vivo in verschiedenen Mausgeweben untersucht. Hierbei zeigte sich, dass die DSB-Reparatureffizienz auch in vivo konsistent zu den bisherigen in vitro-Daten nach einer Niedrigdosis von 10 mGy verglichen mit höheren Dosen abnimmt. Nachdem die Daten von Rothkamm & Lobrich (2003) in vitro in konfluenten Fibroblasten mit zusätzlichen Röntgendosen und zwei DSB-Markern bestätigt wurden, wurde versucht, ein besseres Verständnis für die Ursache von nicht-reparierten DSBs zu erlangen. Hierfür wurde mittels H2O2-Behandlung vor Röntgenbestrahlung der oxidative Stress in den Zellen erhöht, was zur Reparatur aller strahleninduzierten DSBs führte. Dies lässt vermuten, dass durch eine Erhöhung des oxidativen Stresses in der Zelle die DSB-Reparatur stimuliert wird