Grottke, Gotthard J.

Escola Superior de Teologia, São Leopoldo: Periódicos da Faculdades EST

gen, er wird hineingeführt in die immer gegenwärtige Spannung, vor der sich seine Existenz zu bewähren hat.Grassi’s Erschütterung ist nicht gespielt, wenn auch zeitweise überstilisiert. Manche Fragen (Technik und Natur in Südamerika; Umwandlung des südamerikanischen Zeitbegriffs durch die Tech­nisierung; mythisch-museale Welt der Ruinen und moderne Ideo­logien; Südamerikas Entwicklung im Schatten der Weltgeschichte; das Problem der Weltgleichzeitigkeit von heute u. a.) werden kaum gestreift. Der Hang zur exotischen Distanzierung wie die indivi- duell-poetisierende Färbung dienen zuweilen mehr dem schönen Wort als der sachlichen Erkenntnis. Aber fast überall ist die Ver­bindung des Philosophisch-Korrekten mit dem Betrachtend- Erzählungen meisterhalt geglückt. Gerade die Eigenart des Ver­fassers, der zum ersten Mal existentialistische Denkbegriffe auf die südamerikanische Welt anwendet, gibt dem Buch sein Ge­präge. Diese neuen Meditationen über Südamerika sind zwar keine Lektüre für jedermann, aber jeder, der sie wirklich liest, wird seine eigenen Südamerikabegriffe überholen müssen, auch wir, die wir hier leben. D r. E. Fausel.*Ein Gruss zum Abschied.Als ich am 8. Mai nach fast 23-jähriger Dienstzeit in der Ge­meinde Laranja da Terra meinen ersten Heimaturlaub antrat, ahnte ich nicht, dass dieser eine Wende in mein Leben bringen würde. Ich war fest entschlossen, nach dem Urlaub wieder in mein altes Arbeitsfeld zurückzukehren. Doch da griff eine andere Hand in mein Leben. Nach dem Tode von Herrn Missionsinspektor Langholf, meinen einstigen Vorgänger in Laranja da Terra, wurde ich als sein Nachfolger ins Missionsseminar Neuendettelsau be­rufen.Es war ein Beweis für die Aufgeschlossenheit der Leitung des Missionswerks für die Fragen, die mit unserer Arbeit hier Z u ­sammenhängen, dass sie dem neuen Referenten für Brasilien die Möglichkeit gab, aus dem engen Kreis seiner bisherigen Tätig­keit als Gemeindepastor hinauszutreten und die Gebiete zu be­suchen, in denen sich in diesem Lande die Haupzentren evange­lischen Lebens befinden. Ich darf heute sagen, dass diese Reise überaus wichtig für meine künftige Tätigkeit war: ohne sie hätten mir die Voraussetzungen für ein erspriessliches Arbeiten drüben gefehlt.Die leider zu kurze, nur gut vier Wochen dauernde Süden­reise gab mir zunächst einmal Gelegenheit, die Verschiedenheit der Verhältnisse, der Gebiete und der Synoden kennenzulernen. Ich erkannte, dass Alter und Geschichte von Gemeinden und Sy­noden Reichtum und Verpflichtung zugleich bedeuten und auch ihren jetzigen Weg bestimmen. Was uns hier zuweilen als hem-23mende Bindung erscheinen mag, ist oft nur Ausübung der einfa­chen Dankespflicht derer, die so viel Gutes empfangen haben.Was mir als Zweites wichtig wurde, war die Begegung mit Persönlichkeiten, die in leitender Stellung oder stillverborgen ihrer Kirche dienen. Es wurde mir klar, wie stark räumliche Ent­fernungen die Verständigung zwischen den Menschen hindert. Erst wenn man sich persönlich begegnet und ins Gespräch kommt, verschwinden Hemmungen und Vorurteile; man erkennt im an­deren den, der wie man selber ehrlich um die Sache ringt und die Wahrheit sucht; man sieht, dass es überall letzlich nur darum geht, “dass nur Christus verkündigt werde allerleiweise.” Von diesem M ittelpunkt her gibt es ein Verständnis für die Haltung des anderen, ein Sicheinfühlen in seine Anfechtung und ein Ver­stehen seiner Freude.Bei allen Begegnungen waren es vor allem drei Fragenkreise, an die ich immer wieder geführt wurde und die ich hier andeuten möchte.1. Wir sind uns überall, auch in unserer lutherischen Kirche, längst nicht genügend klar darüber, was unsere “Evangelische Kirche lutherischen Bekenntnisses” eigentlich ist und darstellen soll. Mir scheint, wir hängen alle zuviel am Hergebrachten und lassen uns von den Vorstellungen der alten Heimat bestimmen. In den Reihen der streng lutherisch Denkenden übt die Kirchen­form der VELKD mit ihrem klaren Bekenntnis und doch zu­gleich zu praktischen Arbeit hingewandten Art eine starke An­ziehungskraft aus. Sollte nicht unsere Kirche hier ihr ent­sprechen? Dort aber, wo man durch Geschichte und Herkunft mit den Unionskirchen verbunden ist, sieht man in der in ihrem Handeln vornehm und grosszügig auftretenden Kirchen der EKU die Form, für die man sich offenhalten sollte, oder man glaubt, dass unsere Kirche zumindest eine EKiD im Kleinen werden müsste. Wir müssen uns klar sein, dass die Pietät gegenüber den heimatlichen M utterkirchen eine Pflicht ist, aber auch darüber, dass jede Unklarheit kirchenpolitischen Strömungen und Span­nungen, die uns hier nur schaden können, Raum gibt. Sollten wir nicht in aller Nüchternheit die Tatsache anerkennen, dass Töchter doch anders sein werden und andere Wege gehen als ihre Mütter? Rechte M ütter werden das nicht zu verhindern suchen. Soll unsere Kirche ihre Einheit bekommen und erhalten, muss sie den Mut haben, etwas Eigenes zu sein. Wenn in ihr das ehr­liche Bemühen vorhanden ist, das zu sein und zu werden, was ihr Name sagt, kann sie getrost in die Zukunft gehen. Sie darf sich dabei helfen lassen, aber nur helfen, nicht bestimmen und regieren; letztlich muss sie ihren Weg allein gehen und nach Möglichkeit alle Spannungen, die von aussen in sie eindringen möchten, vermeiden. In ihrer Theologischen Schule besitzt sie einen M ittelpunkt und Quellort geistigen Lebens, von dem aus Einheit und Selbstständigkeit unserer Kirche gewahrt und ge­pflegt werden kann. Das geschieht vor allem durch stete Besin­29nung auf ihre eigentlichen Grundlagen. In ihrer Grundordnung sind sie für uns alle hinreichend bestimmt. In dem Augenblick, in dem die jungen Theologen zu einem eigenen positiven Ver­hältnis zu Schrift und Bekenntnis gelangen, wachsen sie hinaus über das, was in der alten Heimat oft durch blosse Kirchenpolitik getrennt marschieren muss; dann wäre unsere Kirche mündig geworden und könnte ihren Weg in aller Ehrfurcht und Dank­barkeit den Kirchen der Heimat gegenüber doch allein gehen als “Evangelische Kirche lutherischen Bekenntnisses.”2. Eine andere Frage, die viele Amtsbrüder bewegt, ist die der Anstellungsberechtigung in der Heimat. Die Diskussion darüber wurde durch den unglücklichen Ausdruck in einem Artikel des Sendbriefes des Martin Luther-Vereins in Bayern (Folge 2, 1955) “Auswanderung für immer” augelöst. Es wird allen klar sein, dass eine solche aus romantischen Gefühlen Fernstehender erwach­sene Ausdrucksweise der Sendung eines Brasilienpfarrers nicht gerecht wird. Wenn jemand seine Lebensaufgabe hier im Dienst der Kirche findet, reicht ein solcher Ausdruck nicht hin, um sie zu beschreiben, sondern rückt unsere Arbeit in ein falsches Licht. Es handelt sich nicht um Entschlüsse, die aus äusserer Not oder Romantik geboren sind, sondern um eine stets neu zu vollzie­hende innere Entscheidung: um den Gehorsam gegenüber dem Gott, der beruft und sendet. Wir können sagen, dass es auch heute noch Menschen gibt, die wie Jeremias sich senden lassen und zum Ganzopfer des Lebens bereit sind. Auf meiner Reise habe ich eine Reihe von Pastoren grüssen dürfen, die in hartem  Dienst hier alt geworden sind. Gerade diese Treuen machten nicht den Eindruck, dass Gott sie falsch geführt habe; sie sahen im Gegenteil viel besonderen Gottessegen über ihrem Leben und waren ohne Klage oder Vorwurf gegen Gott und Menschen. An ihnen sah ich es auch wieder, wie reich eine Kirche ist, die Pastoren mit solch echt missionarischer Einstellung besitzt und man kann nur bitten, dass auch in Zukunft in der Diasporaarbeit Männer tätig sind, die ihr Leben ganz in diese Arbeit stellen. .In den Diskussionen darüber wurde diese Seite oft zu gering betont. Sollte vielleicht doch nach dem Krieg eine Akzentverschiebung stattgefunden haben? Betont man nicht heute die Notwendigkeit des nur akademischen Stu­diums auch für das Ausland, die Sicherung des Lebens in allen Fällen und die Pension zu stark? Wir würden damit dem Zeit­geist verfallen, in dessen Folge die Menschen nur ängstlich darauf bedacht sind, das Leben nach allen Seiten hin abzuschirmen und zu sichern. Wie man in Anbauschränken Stück für Stück an­einanderfügt und sich die vollkommene Wohnung schafft, so versucht man durch Versicherungen und Kassen aller Art einen sicheren Wall um das Leben zu bauen. Aber aus der Sorge heraus, etwas vom Leben verlieren zu müssen, es hier zu “vertun” darf die Diasporaarbeit nicht geschehen. Wo in unserer Kirche etwas Bleibendes geworden ist, stam m t es aus der selbstlosen Hingabe an die Sache. Die kraftvolle Entwicklung der Riograndenser Sy­30node ist nicht denkbar ohne die Einwurzelung von ganzen Pfarr- familien in diesem Land. Die heute in dieser Synode führenden Persönlichkeiten sind meines Wissens zum grössten Teil Pfarrers­kinder und stammen aus Familien, die nicht “auswanderten”, aber doch im Dienst der Kirche hier ihre Lebensaufgabe sahen. Mir ist es wohl klar, dass Heimatbehörden das Ganzopfer des Lebens nie verlangen können, das kann nur Gott, und es müssen Wege gefunden werden, die jedem im Notfall die Heimkehr ermöglichen. Das zu vertreten wird drüben meine Augabe sein. Aber ich werde auch das Wort eines älteren Amtsbruders beherzigen müssen, der mir sagte: “Wenn der missionarische Gedanke und die Bereit­schaft zur Hingabe an den Dienst hier in der Pastorenschaft ver­schwindet, dann hat unsere Kirche keine Zukunft m ehr!”3. Die Südenreise hat mich zuletzt auch überall auf die Wun­de aufmerksam gemacht, an der die evangelisch-lutherische Chri­stenheit Brasiliens leidet: sie ist in zwei Lager gespalten, zwischen denen es nur wenig Beziehungen gibt. Wir bezeichnen den ganzen Komplex mit dem Wort Missouri. Es ist leider nur zu wahr, dass diese Synode, die sich überall als die einzige treulutherische aus­gab, in der Vergangenheit eine Praxis übte, die moralisch nicht einwandfrei war. Man hat mir auch auf der Reise von Erlebnissen berichtet, die das, was wir in Espirito Santo erfuhren, weit in den Schatten stellten. Einsichtige Pastoren dieser Synode haben zu­geben müssen, dass sie in ihrer Selbstsicherheit zu weit gegangen sind und Fleisch für ihren Arm gehalten haben. Aber man wies leise darauf hin, dass heute doch ein Wandel sich anbahne. Man stehe nicht mehr so voreingenommen uns gegenüber und bedauere die Trennung. An manchen Orten ist es sogar zu einem freund­schaftlichen Verhältnis zwischen Pastoren beider Synoden gekom­men und man kann annehmen, dass die junge Generation auch dort den Fanatismus als unchristlich ablehnt. So fragte ich mich, ob es nicht doch an der Zeit wäre, mit dieser Kirche, deren Opfer­mut wir bewundern und deren lutherische Stunde weithin Ein­gang findet, ins Gespräch zu kommen. Wieviel K raft wird hier, wo die Lutheraner nur eine kleine Herde im weiten Raum Anders­kirchlicher sind, in unnötigem Gegensatz verschwendet. Sollte es nicht möglich sein, dass beide Seiten sich von allen nutzlosen Ressentiments lösen und sich miteinander auf die Riesenaufgabe, die hier in diesem Lande zu lösen ist, nämlich ihm das Evange­lium lauter und rein zu bringen, besinnen? G . G ro ttk e .*

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