Die deutsche Community in Siam zwischen 1850 und 1917. Eine Geschichte von Transkulturation und Integration

Abstract

Dieser Artikel befasst sich mit der Geschichte der deutschen Community in Bangkok seit ihrer Entstehung Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1917. Er gliedert sich in zwei Teile. Der erste präsentiert den Sachstand zur Entwicklung der Community, im zweiten werden diese Fakten analysiert und interpretiert. Der Artikel basiert auf einer Vielzahl unterschiedlicher Quellen, zu denen thailändische und deutsche Akten und Dokumente ebenso gehören wie die Gräber auf den beiden Ausländerfriedhöfen in Bangkok oder Interviews mit in Thailand lebenden Nachfahren. Im ersten Teil (Kapitel I-IV) kann gezeigt werden, dass sich die deutsche Auslandsgemeinschaft in Siam zwischen 1850 und 1917 in einem global-lokalen Wechselspiel makro- und mikrohistorischer Faktoren formte und entwickelte. Dabei lassen sich zwei Phasen unterscheiden. Am Beginn stand die Öffnungspolitik, die Siam 1850 als Reaktion auf einen ersten Schub kolonialer Expansion europäischer Mächte im kontinentalen Südostasien betrieb. Zahlenmäßig wuchs die Community dann in der Zeit, in der Siam sich nach westlichem Modell modernisierte, um einer zweiten Phase imperialistischer Aktivitäten seitens Großbritanniens und Frankreichs ab den 1880er Jahren zu begegnen. Gleichzeitig trug die Reichsgründung dazu bei, den Charakter der Community zu verändern. Aus einer Deutsch sprechenden kulturellen Gemeinschaft wurde eine nationale deutsche Community. Neben Entwicklung und sozialer Struktur der Community werden auch Herkunft, Tätigkeit und familiäre Verhältnisse ihrer Mitglieder beleuchtet, so dass ein abgerundetes Bild des beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Lebens der Siam-Deutschen in der Residenzgesellschaft deutlich wird. Der zweite Teil (Kapitel V) stellt auf dieser Grundlage Einzelbiografien vor, arbeitet Unterschiede in Eigen- und Fremdwahrnehmung heraus und geht vor allem der Frage nach, wie Kulturtransfer, transnationale und -kulturelle Entwicklungen und schließlich eine Siamesierung über mehrere Generationen verlaufen konnten. Deutlich wird, wie sich Elemente des Europäisch-Deutschen und des Siamesischen begegneten, miteinander interagierten, sich vermischten und schließlich neue hybride Erscheinungsformen herausbildeten. Die Deutschen nahmen andere Lebensformen, Einstellungen und Verhaltensweisen an. Aus dieser Transkulturation ging eine unterschiedlich intensive Siamesierung hervor, die bei manchen Familien mit gemischten Ehepaaren zu einer nahezu vollständigen Integration in die Residenzgesellschaft führte, ohne jedoch Erinnerungen an den deutschen Hintergrund gänzlich auszulöschen. Kulturtransfer und Transkulturation sind Prozesse, die über nationale Grenzen hinweg verlaufen und sie in gewisser Weise aufheben. Es handelt sich also um transnationale Vorgänge. Damit sind die Entwicklungen, die dieser Artikel beschreibt, auch Teil einer transnationalen Geschichte, in der Interaktion, Austausch und Zirkulation innerhalb einer zunehmend vernetzten Welt stattfand. Infolgedessen lassen sich die Mitglieder der deutschen Community in Siam nicht mehr eindeutig national verorten. In ihrer Arbeit, ihrer Lebensweise und ihren Beziehungen mischten sich Elemente unterschiedlicher Kulturen. Inwieweit sich dabei Regelhaftigkeiten erkennen lassen, wird ebenfalls angesprochen. Kapitel VI bietet eine Zusammenfassung der Erkenntnisse

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