Absicherung hochautomatisierten Fahrens durch passiven virtuellen Dauerlauftest

Abstract

Die Entwicklung des hochautomatisierten Fahrens (HAF) schreitet in hoher Geschwindigkeit voran. Verschiedene Fahrzeughersteller haben erste Derivate mit automatisierten Fahrfunktionen, die keine Überwachung durch den Fahrer mehr erfordern, für die kommenden Jahre angekündigt. Es fehlt allerdings noch der Sicherheitsnachweis, dass HAF eine insgesamt positive Risikobilanz gemäß den Anforderungen der vom deutschen Verkehrsministerium eingesetzten Ethik-Kommission hat und somit durch die Einführung dieser Funktion die allgemeine Gefahr von Personenschäden im Straßenverkehr nicht zunimmt. Die aktuell verfügbaren Ansätze zur Erbringung eines Sicherheitsnachweises für Assistenzsysteme sind für HAF ungeeignet. Die wenigen theoretisch möglichen Methoden wie ein Nachweis durch Dauerlauftest sind mit unrealistisch hohem Kosten- und Zeitaufwand verbunden und somit nicht industriell einsetzbar. In dieser Arbeit wird daher eine neue Absicherungsmethode erarbeitet, die einen Beitrag zum Schließen dieser Lücke leistet. Bei heutigen Entwicklungen von Fahrerassistenzfunktionen kommen nicht-statistische Absicherungsmethoden zum Einsatz. Die Komplexität der Absicherungsaufgabe wird bei diesen dadurch deutlich reduziert, dass ein wesentlicher Teil des Sicherheitskonzepts auf der permanenten Überwachung der Funktion durch den menschlichen Fahrer beruht, der in kritischen Situationen eingreifen muss. Eine Absicherung ist daher nur noch hinsichtlich der Beherrschbarkeit durch den Fahrer notwendig. Die Fahrerüberwachung kann beim HAF nicht vorausgesetzt werden, sodass die HAF-Funktion selbst alle auftretenden Situationen bis zu einer Fahrerübernahme beherrschen muss. Zusammen mit der großen Situationsvielfalt und dem Einsatz maschinell trainierter Algorithmen erhöht dies die Komplexität der Absicherungsaufgabe in einem Maße, dass die bisher genutzten Absicherungsverfahren an ihre Grenzen stoßen. Dies motiviert den Ansatz "`passives HAF"\u27 zur statistischen Absicherung des hochautomatisierten Fahrens. Grundidee dieses Ansatzes ist es, einen Teil der jedes Jahr von menschlichen Fahrern gefahrenen Kilometer zur Absicherung zu nutzen, indem ein Teil der Fahrzeuge zusätzlich mit den für HAF erforderlichen Sensoren und Steuergeräten ausgestattet wird. Diese entsprechen dem für den späteren Kundeneinsatz vorgesehen Umfang der HAF-Funktion bis zu der Stelle, an dem Steuer- und Regeleingriffe in die Aktorik des Fahrzeugs erfolgen. Statt der Umsetzung der vorgegebenen Stellgrößen durch die Fahrzeugaktorik wird der Ausgang der HAF-Funktion mit den vom menschlichen Fahrer tatsächlich durchgeführten Fahrhandlungen verglichen. Die Funktion läuft somit nur "`passiv"\u27 im Hintergrund mit, sodass aus fehlerhaften Aktorvorgaben kein Sicherheitsrisiko resultierten kann. Hierdurch entsteht ein offener Regelkreis, sodass der weitere Verlauf des Szenarios bei Eingriff der HAF-Funktion zunächst unbekannt ist. Der Regelkreis wird geschlossen, indem immer dann anhand der durch die Sensorik aufgenommenen Daten ein Simulationsszenario generiert wird, wenn die Fahrhandlungen vom HAF und menschlichem Fahrer voneinander abweichen. Anhand der Simulation kann überprüft werden, ob die geplante Handlung des HAF zu einer kritischen Situation geführt hätte. Zur Erhöhung der Validität der Simulation werden individualisierte Fahrermodelle verwendet, deren Entwicklung und Zuordnung Teil der entwickelten Methode ist. Ziel des Ansatzes ist die Nutzung der im realen Straßenverkehr vorkommenden Szenarien als Ausgangspunkt für die Absicherung des HAF mittels Simulation und anschließender Kritikalitätsanalyse. So kann fehlerhaftes Fahrverhalten erkannt und für eine Verbesserung der Funktion verwendet werden. Die Ergebnisse der Arbeit zeigen, dass mit Hilfe dieser Methode fehlerhafte Fahrentscheidungen des HAF gefunden werden können, welche bei aktivem Funktionsausgang zu kritischen Situationen geführt hätten. Vorteile der Methode sind, dass eine gefahrlose und vergleichsweise kostengünstige und zeiteffiziente Absicherung möglich ist, die aufgrund der Nutzung realer Verkehrsszenarien eine hohe Validität aufweist

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