Angst, Depressivität und Allgemeinbeschwerden bei Patienten mit Reizdarmsyndrom im Vergleich zu Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen und psychosomatischen Patienten
1.1. Zusammenfassung
Hintergrund: Das Reizdarmsyndrom wird als eine chronisch funktionelle
Darmerkrankung angesehen und kann entsprechend der S3-Leitlinie wie auch nach
den ROME-Kriterien definiert werden. Unklar ist, wie nah das RDS den somatoformen
Störungen steht und wie stark psychische Faktoren eine Rolle bei der
Krankheitsentstehung, dem Krankheitsempfinden sowie dem Krankheitsverlauf
spielen. Die Patienten unterliegen einem hohen Leidensdruck aufgrund eines häufig
langwierigen diagnostischen Prozesses sowie der meist chronischen und belastenden
Symptomatik. Daher ist das Reizdarmsyndrom mit erheblichen Kosten für das
Gesundheitssystem und die Gesellschaft verbunden. Vorliegende Daten zeigen, dass
die Erkrankung oft mit psychopathologischen Störungen, insbesondere Depression,
Angst und Somatisierung, korreliert. Die Patienten profitieren daher von einer
frühzeitigen Diagnose sowie Therapie. Bislang liegen nur wenige Daten hinsichtlich
des Vergleichs von organspezifischen Beschwerden, Allgemeinbeschwerden sowie
Angst und Depressivität zwischen RDS-Patienten und weiteren psychisch bzw.
somatisch erkrankten Patienten vor.
Methodik: Es wurden insgesamt 372 Patienten/ Probanden eingeschlossen.
Untersucht wurden 4 Patientenstichproben, RDS-Patienten (n=65), Patienten, die an
einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung (CED) leiden (n=74), Patienten mit
muskuloskelettalen Beschwerden (n=72) und Patienten mit einer psychosomatischen
Erkrankung (n=45) sowie eine Probandengruppe aus Medizinstudenten (n=116). Zur
Beurteilung der organspezifischen Beschwerden in Bezug auf den
Gastrointestinaltrakt wurde sowohl die Skala Magenbeschwerden der Kurzversion des
Gießener Beschwerdebogens (GBB-24) als auch der Reizdarmfragebogen (RDF)
genutzt. Die Symptomausprägung von Angst und Depressivität wurde mit Hilfe des
HADS-D und die Allgemeinbeschwerden wurden mit Hilfe des GBB-24 erfasst. Es
wurde der Mittelwert der jeweiligen Patienten- bzw. Probandengruppe in den
jeweiligen Fragebögen miteinander verglichen. Die statistische Auswertung erfolgte
mit SPSS Version 20 für Windows. Ergebnisse: Das erste wichtige Ergebnis unserer Studie ist die Bestätigung der
höheren Belastung der RDS-Patienten durch Angst und Depressivität im Vergleich zu
den CED-Patienten, den Patienten mit muskuloskelettalen Schmerzen und der
studentischen Kontrollgruppe. RDS-Patienten zeigten eine vergleichbare Ausprägung
von Angst und Depressivität wie psychosomatische Patienten. Ein weiteres wichtiges
Ergebnis ist, dass RDS-Patienten stärker an organspezifischen Beschwerden leiden
als CED-Patienten. Es bestand keine Korrelation zwischen organspezifischen
Beschwerden und Angst sowie Depressivität bei den RDS-Patienten. Es zeigte sich
jedoch eine bedeutsame Korrelation zwischen organspezifischen Beschwerden und
Angst sowie Depressivität in der Gruppe der CED-Patienten und der Gruppe der
psychosomatischen Patienten. Zu erkennen war ebenfalls eine signifikante Korrelation
zwischen den Allgemeinbeschwerden und Angst sowie Depressivität in sämtlichen
Gruppen.
Schlussfolgerung: Zusammenfassend bestätigt diese Arbeit zum Großteil die
Ergebnisse bereits vorgestellter Studien, dass Patienten mit einem RDS an Angst und
Depressivität leiden und sogar eine ähnliche Symptomausprägung dieser beider
Krankheitsbilder zeigen wie Patienten, die an einer Angststörung und Depression
erkrankt sind. Die Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit der Diagnose und
Behandlung von Angst und Depressivität bei RDS-Patienten um den Krankheitsverlauf
sowie das Krankheitsempfinden positiv zu beeinflussen.1.2. Summary
Background: Irritable bowel syndrome (IBS) is a chronic functional bowel disease and
counts among the somatoform disorders. It can be defined according to the S3
guidelines in Germany as well as according to the ROME criteria. It is associated with
significantly high costs for patients, for the healthcare system and for society.
Numerous studies about IBS have shown that IBS is associated with significant
psychopathological disorders especially depression, anxiety and somatization. An
analysis regarding the direct comparison in relation to the organ-specific complaints,
general complaints as well as anxiety and depression between IBS patients and other
physically or mentally ill patients does not exist to our knowledge.
Methods: A total of 372 patients / subjects were enrolled. The study included 3 patient
groups, IBS patients (n = 65), patients with chronic inflammatory bowel disease (IBD)
(n = 74), patients with musculoskeletal complaints (n = 72), and patients with
psychosomatic disorders (n = 45), as well as a healthy study population consisting of
medical student (n=116). To assess the organ-specific complaints with respect to the
gastrointestinal tract, both the scale gastric disorder of the short version of the
Gießener Beschwerdefragebogen (GBB-24) and the German version of the
Gastrointestinal Symptom Rating Scale – Irritable Bowel Syndrome (GSRS–IBS), the
Reizdarmfragebogen (RDF), were used. The symptoms of anxiety and depression
were recorded using the German version of the Hospital Anxiety and Depression Scale
(HADS-D) and general complaints using the GBB-24. The middle value of the subject
group in the respective questionnaires was compared. Statistical evaluation was done
with SPSS version 20 for Windows.
Results: The first important result of our study is the confirmation of the higher burden
of anxiety and depression in IBS patients in comparison to IBD patients, patients with
musculoskeletal pain and the student control group. Moreover, the results show that
the level of anxiety and depression in the IBS patients and the psychosomatic patients
is comparable. Another important finding is that IBS patients suffer from higher organspecific
complaint than IBD patients. There is no correlation between organ-specific
symptoms and anxiety and depression in IBS patients. However, there was a significant correlation between organ-specific symptoms and anxiety as well as
depression in the group of IBD patients and the group of psychosomatic patients. A
significant correlation between general complaints and anxiety as well as depression
in all groups is also recognized.
Conclusion: This work largely confirms the results of previous studies that IBS
patients suffer from anxiety and depression and shows that in IBS patients the severity
of these two conditions is even similar to those patients who suffer from anxiety and
depression. The results underline the need to search and treat anxiety and depression
in IBS patients