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    Kristallisationskinetik von Forsterit in dĂŒnnen amorphen Schichten bei hohen Temperaturen - Labordaten zur Modellierung von protoplanetaren Schichten

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    Neue Experimente zum thermischen Ausheilen amorpher Silikate in protoplanetaren Scheiben Die Simulationen protoplanetarer Scheiben mit gegebener Temperaturverteilung und gegebener HĂ€ufigkeit der Elemente Magnesium, Sauerstoff und Silizium ergaben charakteristische Verteilungen der sich bildenden Minerale als Funktion des Abstands zum Proto-Stern (z.B. Gail 1998). Bei vereinfachten Modellen finden sich im inneren Bereich der Scheibe vor allem kristalliner Forsterit (Mg2SiO4) und mit zunehmendem radialen Abstand auch z.B. Pyroxene. Reliktischer amorpher Staub aus dem interstellaren Rohmaterial der Wolke ist ebenfalls vorhanden, von innen nach aussen zunehmend. Die Prozesse, die diese Silikat-Minerale entstehen lassen, sind das thermisches Ausheilen (engl. Annealing) der Staubkomponente einerseits und Verdampfung und Kondensation andererseits, jeweils abhĂ€ngig von den Temperatur- und Druckbedingungen im entsprechenden Bereich der Scheibe. In dieser Arbeit wurden die kinetischen Parameter – Zeitskala und Aktivierungsenergie – des Kristallisationsprozesses einer amorphen Probe mit Forsteritzusammensetzung bestimmt. Die Aktivierungsenergie umfasst zwei verschiedene VorgĂ€nge: Keimbildung und Keimwachstum. FĂŒr die Modellierung der Temperprozesse, fĂŒr das VerstĂ€ndnis der physikochemischen Prozesse und die radiale AbhĂ€ngigkeit der Verteilung der amorphen bzw. kristallinen Staubphasen der Scheibe in verschiedenen Entwicklungsstadien sind verlĂ€ssliche Labordaten unabdingbar. Erstmals wurde die Kristallisation dĂŒnner amorpher Filme mit Forsteritzusammensetzung durch Standardmethoden, wie Rasterelektronenmikroskopie und Rasterkraftmikroskopie, dokumentiert und direkt mit Infrarotdaten korreliert. Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt beim Tempern, einem Prozess, der als subsolidus Reaktion beim Erhitzen eines amorphen Körpers ĂŒber einen langen Zeitraum stattfindet und der zu seiner Kristallisation fĂŒhrt. Im Gegensatz zu frĂŒheren Studien wurde hier großer Wert auf die chemische und strukturelle Analyse der Ausgangsmaterialien und der Reaktionsprodukte vor allem durch die Kombination von Standardmethoden zur Charakterisierung der Proben gelegt. Die PrĂ€paration der amorphen Ausgangmaterialien erfolgte in Form von dĂŒnnen Filmen, die mittels ”Pulsed Laser Deposition“ auf einen TrĂ€ger, das Substrat, aufgebracht wurden. Bei der Beschichtung wurde nur ein Teil des Substrats von dem Probenmaterial bedeckt, so dass der unbeschichtete Teil als Referenz dienen konnte. Besonders Augenmerk wurde auf die Auswahl eines geeigneten Substrates gelegt, welches möglichst nicht mit der Probe reagiert, sich wĂ€hrend des Temperns nicht verformt und somit fĂŒr die angestrebten Analysen geeignet ist. Zum Tempern unter Normalbedingungen wurde ein vertikaler Rohrofen mit einer Abschreckvorrichtung verwendet. Durch das schnelle Einbringen der Probe in die heiße Zone des Ofens wird die Endtemperatur nach maximal fĂŒnf Minuten erreicht und durch das Abschrecken der Probe ein AbkĂŒhlen auf Raumtemperatur in weniger als einer Minute. Es wurden insgesamt 123 Proben bei Temperaturen zwischen 1023 und 1123 K im Bereich von 30 Minuten bis hin zu ĂŒber einem Monat getempert und anschließend charakterisiert (Kapitel 2). Die Abbildung der OberflĂ€che (Kapitel 2) mit Rasterkraftmikroskopie (AFM) und Rasterelektronenmikroskopie (REM) zeigte bei ungetemperten Proben eine sehr glatte, kontinuierliche Topographie. Bei hohen Temperaturen bilden sich bereits nach kurzer Zeit zwei unterschiedliche Strukturen aus. Die eine ist kegelförmig, hat also eine runde GrundflĂ€che und erhebt sich mit einer Spitze ĂŒber den Film hinaus. An deren Rand befindet sich eine Vertiefung, die die Struktur radial umlĂ€uft. Die andere Struktur ist pyramidal, hat eine rechteckige GrundflĂ€che und erhebt sich ebenfalls ĂŒber die FilmoberflĂ€che hinaus. Bei den pyramidalen Strukturen sind eindeutig KristallflĂ€chen zu erkennen und zuzuordnen. FĂŒr hohe Temperaturen zeigen die pyramidalen Strukturen auch oft Verzwillingungen, die sich durch sogenannte einspringende Winkel auszeichnen. Die kegelförmigen Strukturen bilden bei höheren Temperaturen oder lĂ€ngeren Temperzeiten radialstrahlige, sphĂ€rolithische flache DomĂ€nen, die auf ein beschleunigtes Wachstum mit instabiler Wachstumsfront schliessen lassen. Vollkristalline Proben zeigen pyramidale Strukturen in einer polykristallinen Matrix bestehend, die unter anderem aus einzelnen Bereichen mit sphĂ€rolithischen Strukturen besteht. Die RĂ€nder der pyramidalen Strukturen können noch klar abgegrenzt sein, sind jedoch auch teilweise unregelmĂ€ssig und zeugen von einer Verschmelzung einzelner Bereiche. Je lĂ€nger die Proben getempert wurden, desto mehr sind die pyramidalen mit den sphĂ€rolithischen Strukturen verwachsen. Aus den Aufnahmen des Rasterkraftmikroskops konnte die OberflĂ€chenrauigkeit der Proben bestimmt werden. Zwischen dem Auftreten der ersten Strukturen und dem Übergang zur vollstĂ€ndigen Kristallisation steigt diese an, um nach dem Verschmelzen der Bereiche wieder abzunehmen. Mit zunehmender Laufzeit verĂ€ndert sich auch die Matrix zwischen den sphĂ€rolithischen und pyramidalen Strukturen: aus der anfangs glatten, strukturlosen OberflĂ€che bilden sich zuerst kleine Erhebungen heraus, die sich dann zu lĂ€nglichen, zufĂ€llig in der Matrix verteilten Mikrolithen verschiedener GrĂ¶ĂŸen entwickeln. Ihr Anteil nimmt mit lĂ€ngerer Laufzeit des Versuchs zu, doch eine eindeutige quantitative Bestimmung des amorphen bzw. kristallinen Anteils ist kaum möglich. ErgĂ€nzend zu den AFM und REM Untersuchungen wurden, mit Hilfe eines fokussierten Ionenstrahls (FIB), Schnitte der Probe senkrecht zur ProbenoberflĂ€che entnommen und mit einem Transmissionselektronenmikroskop untersucht (Kapitel 4). Diese Untersuchungen zeigten, dass die Kristallisation an der OberflĂ€che beginnt und die Kristalle von einer noch amorphen Matrix umgeben sind und keinen Kontakt zum Substrat haben. Die Matrix ist uniform und zeigt keine Risse oder andere Deformationen. Die Kristalle konnten mittels Elektronenbeugung eindeutig als Forsterit Einkristalle identifiziert werden. Ihre kristallographischen Richtungen sind unabhĂ€ngig voneinander, d. h. dass die Wachstumsrichtungen statistisch verteilt sind. FĂŒr die quantitative Analyse (Kapitel 5) der Rasterelektronenmikroskop- und Rasterkraftmikroskop Aufnahmen wurden bekannte FlĂ€chen- und Punktdichte-Auswertungsmethoden (Kapitel 4) an die Erfordernisse dieser Arbeit angepasst und so die GrĂ¶ĂŸe der Kristalle, die Anzahl von Kristallen pro FlĂ€cheneinheit und der FlĂ€chenanteil der Kristalle bestimmt. Hieraus wurden dann die Wachstumsgeschwindigkeit, die HĂ€ufigkeit kristalliner Strukturen pro FlĂ€cheneinheit und der Grad der Kristallisation berechnet. Alle Proben und die unbeschichteten Referenzproben wurden in Transmission im mittleren und fernen Infrarot charakterisiert. Die Spektren konnten dank eines unverĂ€nderlichen, vom Substrat stammenden Absorptionsbandes, skaliert werden. Mit Hilfe der Spektren der unbeschichteten HĂ€lfte konnten alle Banden eindeutig dem Substrat, dem wĂ€hrend des Temperns oxidierten Substrat oder der Probe zugeordnet. Anschließend wurden Gaußprofile ĂŒber den gesamten Messbereich angepasst. Die Extrapolation der Höhe der einzelnen Infrarot-Banden des Forsterits in AbhĂ€ngigkeit von der Temperatur erlaubte die Bestimmung des Beginns der Kristallisation, welche den Daten aus den Analysen des Rasterelektronenmikroskops und Rasterkraftmikroskops gegenĂŒbergestellt wurden. Die kinetischen Daten dieser Studie, die aus AFM- und REM-Messungen abgeleitet wurden, decken einen Bereich von 100 K mit sieben Messpunkten ab und erlauben eine genauere Bestimmung des Beginns der Kristallisation in AbhĂ€ngigkeit von der Tempertemperatur. Bisherige Versuche den Beginn der Kristallisation ausschliesslich ĂŒber das Vorhandensein charakteristischer Infrarotbanden oder das Wachstum von Infrarotbanden zu definieren, zeigten sich als wenig verlĂ€asslich. Die Kombination der topographischen Analysen mit der Infrarotspektroskopie erlaubt jedoch nicht nur einen genaueren Einblick in die Kristallisation selbst, sondern auch eine direkte Korrelation der aus den verschiedenen Methoden gewonnenen Daten. Der Vergleich mit bisherigen Studien zeigt klar, dass die Wahl der Ausgangsmaterialien von entscheidender Bedeutung ist. Eine deutliche Beschleunigung der Kristallisation kann z.B. bei der Verwendung eisenhaltiger Proben, gewonnen aus natĂŒrlich vorkommendem San Carlos Olivin, oder Proben, die vor dem Tempern bereits Mikrokristallite beinhalten oder unstöchiometrischer Proben auftreten. Mit dieser Arbeit liegt eine Reihe verlĂ€sslicher und konsistenter Labordaten der Kristallisation eines dĂŒnnen Films mit der Zusammensetzung von Forsterit vor und kann als Basis fĂŒr eine verfeinerte Modellierung verwendet werden
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