1 research outputs found

    Dekontamination Verletzter nach chemischer Gefahrstoffexposition: Vergleichende Untersuchung zur Wirksamkeit medizinischer Reinigungstücher bei der In-vitro-Hautdekontamination

    Get PDF
    Hintergrund Bei chemischer Kontamination der Haut bildet die umgehende Dekontamination, neben der Sicherung der Vitalfunktionen und einer eventuellen Antidot-Gabe, einen Schwerpunkt der akutmedizinischen Versorgung. Gegenwärtig wird die Dekontamination zumeist als Nassdekontamination mittels Schwamm und Wasser vollzogen. Vorangegangene Studien lassen Zweifel an diesem Vorgehen aufkommen, da es im Rahmen der Nassdekontamination zu einer Zunahme der perkutanen Absorption („Wash-in-Effekt“) und in Folge dessen zu einer Verstärkung der lokalen Hautreaktion als auch der systemischen Toxizität kommen kann. Bis dato ist darüber hinaus unklar welche Wischtechnik die beste Reinigungswirkung bei minimaler Kontaminationsverschleppung ermöglicht. Fragestellung In der der vorliegenden Arbeit wurde untersucht, ob eine Dekontamination mit medizinischen Reinigungstüchern der konventionellen Nassdekontamination überlegen ist. Zudem wurden verschiedene Reinigungstechniken („Aufpressen“, „Drehen“, „Wischen“) in Bezug auf ihre Effektivität verglichen sowie der Einfluss der Expositionsdauer auf die Wirksamkeit der Dekontamination untersucht. Material und Methoden Nach Exposition der Hautoberfläche gegenüber zwei lipophiler Modellsubstanzen, Capsaicin (Wirkstoff in Pfefferspray) und 2,2-Dichlordiethylether (DCEE, Strukturanalogon von Senfgas), wurde die Haut mittels fünf verschiedener Verfahren dekontaminiert: • Leitungswasser: - Spülen unter fließendem Wasser: Volumen: 12 mL, Dauer: 30 s, Temperatur 21,5 °C • Spontex®-Schwamm: - „Wischen“: 4-maliges, unidirektionales Wischen, Anpressdruck 0,5 N/cm^2 • Easyderm®-Reinigungstuch: - „Wischen“: 4-maliges, unidirektionales Wischen, Anpressdruck 0,5 N/cm^2 - „Drehen“: 4-maliges Drehen um je 360°, Anpressdruck 0,5 N/cm^2 - „Aufpressen“: bewegungsloses Aufsetzten für 1 min, Anpressdruck 0,5 N/cm^2 Die Konzentration der Kontaminaten wurde anschließend mittels HPLC (Capsaicin) bzw. Headspace-Gaschromatographie (DCEE) sowohl in der Haut als auch im Dekontaminationsmaterial bestimmt. Die Unterschiede zwischen den Dekontaminationsverfahren wurden mit Hilfe einer einfaktoriellen Varianzanalyse (ANOVA) auf Signifikanz getestet. Ergebnisse Capsaicin konnte schwerer von der Haut entfernt werden als DCEE. Die Dekontaminationsverfahren zeigen in ihrer Wirksamkeit dennoch ähnliche Tendenzen für beide Substanzen: fließendes Wasser < Schwamm < Reinigungstuch. Sowohl bei Capsaicin als auch DCEE war die Spülung unter fließendem Wasser demnach am ineffektivsten. Relativ betrachtet waren die Rückstände in der Haut nach der Wisch-Dekontamination mit dem Reinigungstuch im Vergleich zur Spülung unter fließendem Wasser ca. 70 % geringer (Konzentration im Applikationsfelds [% der applizierten Dosis] – Capsaicin: 22,86 vs. 88,15 (p < 0,001); DCEE: 6,05 vs. 22,75 (p < 0,001)). Im Falle von Capsaicin war das Reinigungstuch dem Schwamm überlegen (22,86 % vs. 47,35 %; p < 0,001). Bei DCEE unterschieden sich Tuch und Schwamm hingegen nicht signifikant (6,05 % vs. 10,28 %; p = 0,112). Anhand des Easyderm®-Tuches wurden die Reinigungstechniken „Aufpressen“, „Drehen“ und „Wischen“ in Bezug auf ihre Reinigungseffektivität verglichen. Zwar reduzierte „Wischen“ die Kontamination am stärksten, allerdings kam es im Zuge der Wischdekontamination zu einer Kontaminationsverschleppung in angrenzende Hautareale. Die Effektivität der Dekontamination nahm mit steigender Expositionszeit pro Minute um 0,47 Prozentpunkte ab. Schlussfolgerung In einem standardisierten In-vitro-Modell ist die Dekontamination mit medizinischen Reinigungstüchern gleich bzw. teilweise sogar besser wirksam als die herkömmliche Nassdekontamination mittels Schwamm und Wasser. Medizinische Reinigungstücher könnten somit eine effektive und nebenwirkungsarme Alternative für die Hautdekontamination darstellen. Da es durch Wischen zu einer Kontaminationsverschleppung in angrenzende Hautareale kommt, scheinen drehende Reinigungsbewegungen bei der Spotdekontamination günstiger zu sein. Insgesamt ist die Dekontamination umso wirksamer, je schneller sie erfolgt
    corecore