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    Das Volk als Autor? : der Ursprung einer kulturgeschichtlichen Fiktion im Werk Johann Gottfried Herders

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    Bis weit ins achtzehnte Jahrhundert hinein schöpft der Dichter seine IdentitĂ€t und AutoritĂ€t aus einer Tradition, die im wesentlichen als diachrone "textual community" auftritt. Die Schrift ist das Medium, das die KontinuitĂ€t der Tradition sichert. [...] Wer außerhalb dieses Universums steht, wer zum Archiv der Schrift keinen Zugang hat, ist gedĂ€chtnislos, kann seine IndividualitĂ€t, kann seine SubjektivitĂ€t nicht realisieren, ist allenfalls Objekt der Belehrung. Noch die aufklĂ€rerischen Konzepte der Volkserziehung – etwa bei Gottsched – speisen sich aus dieser Auffassung und beruhen auf dem Prinzip der In- bzw. Exklusion durch Teilhabe an der Schriftkultur. Dies scheint sich (in Deutschland) seit den sechziger und siebziger Jahren des achtzehnten Jahrhunderts grundlegend zu andern. [...] Als Phönix aus der Asche des poeta doctus steigt nun aber nicht nur das Originalgenie empor; zum GenialitĂ€tsparadigma gehört als komplementĂ€rer Pol wesentlich die Orientierung auf eine SphĂ€re, die im Horizont des Gelehrsamkeitsparadigmas außerhalb des Blickfelds geblieben war: jene des aliteralen Volks und der mĂŒndlichen Überlieferung. Das Volk gilt nicht mehr nur als Objekt der Erziehung, der Dichter nicht mehr einfach als sein Erzieher. Das Volk wird im Gegenteil zum Ursprungsort der Dichtung und damit das MĂŒndliche zum Ursprungsort des Schriftlichen erhoben. Die Schriftkultur legitimiert sich fortan gar durch Bezug auf ein ihr gegenĂŒber grundsĂ€tzlich anders strukturiertes semiotisches System. Diese KomplementaritĂ€t berĂŒhrt aber die Frage nach der Autorschaft bereits am kulturgeschichtlichen Ursprungsort ihres emphatischen Begriffes essentiell. Wer ist der Autor – das literale Originalgenie oder das aliterale Volk
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