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Studien zur molekularen Evolution anhand eines präbiotisch plausiblen Katalysatorsystems
Im Fokus der Erforschung des „Ursprung des Lebens“ stehen Mechanismen zur Darstellung eines sich selbst-erhaltenden Systems ausgehend von primitiven Molekülbausteinen unter präbiotisch plausiblen Rahmenbedingungen. Dabei wird ein gradueller Prozess der Komplexitätssteigerung angenommen, welcher die Polymerisation von präbiotischen Molekülen, sowie die Assemblierung der resultierenden Polymere zu einem interaktiven Netzwerk im Bereich des Metabolismus und der Replikation umfasst. Aufgrund der Vielzahl möglicher Reaktionstypen und Reaktionsprodukte sind für den Existenzerfolg des Systems effektive Selektionsvorgänge entlang der Synthesepfade von zentraler Bedeutung. Auf molekularer Ebene könnte eine Selektion sowohl in Bezug auf die chemische Ausbeute als auch auf die Enantioselektivität möglich sein. Das Phänomen der Homochiralität von proteinogenen Aminosäuren sowie natürlichen Zuckern verdeutlicht die Wirkmächtigkeit der stattgefundenen Selektionsprozesse und bildet zugleich eine der Kernfragen des interdisziplinären Forschungsgebiets „Ursprung des Lebens“.
Die vorliegende Dissertation beschreibt eine Herangehensweise zu einem chiralen, präbiotisch plausiblen Katalysatorsystem, das fähig ist, seine eigenen Bestandteile zu modifizieren und sich somit im Laufe der Generationen zu optimieren. Die Entwicklung eines solchen sich selbst-amplifizierenden Systems wurde mit dem Ziel verfolgt, Erkenntnisse zum Ursprung der Homochiralität bei natürlich vorkommenden Biomolekülen zu gewinnen.
Das zweite Kapitel dieser Arbeit befasst sich mit der Synthese potentieller Organokatalysatoren, die durch Ringschlussreaktionen aus Aminosäurederivaten und Aldehyden zugänglich sind. Durch Einsatz dieser Katalysatoren in asymmetrischen α-Alkylierungsreaktionen von Aldehyden und der Bestimmung der chiralen Eigenschaften der entstandenen Produkte wurden wirksame funktionelle Gruppen für die Optimierung der Reaktionsparameter identifiziert. Alkyl-substituierte Imidazolidin-4-thione wurden im Rahmen der von MACMILLAN beschriebenen lichtinduzierten α-Funktionalisierung als präbiotisch plausible Analoga der MacMillan-Katalysatoren ermittelt. Untersuchungen zur Stabilität dieser schwefelhaltigen Heterozyklen, die von A. C. CLOSS durchgeführt wurden, zeigten die Möglichkeit des Generationswechsels infolge des Einbaus verzweigter anstelle von linearen Aldehyde auf. Aufbauend auf diesen Ergebnissen wurden in dieser Arbeit die Kinetik und Enantioselektivität der α-Cyanomethylierung von Aldehyden mit unterschiedlichen Katalysator-Derivaten mit Hilfe zeitaufgelöster in situ NMR-Messungen und chiraler gaschromatographischer Analysen untersucht. Messbare Unterschiede der Reaktionsraten und der Enantiomerenüberschüsse bei Verwendung verschiedener Vertreter der Katalysatorfamilie, unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Bildungswahrscheinlichkeiten einzelner Isomere, belegen die Existenz von Selektionsprozessen. Aufgrund der Inkompatibilität der neu eingeführten Funktionalität von Katalyseprodukten in der Synthese des Imidazolidin-4-thion-Rückgrats, war mit dem beschriebenen System jedoch keine Teilnahme an einem Evolutionszyklus möglich. Um die katalytische Funktion solcher Strukturmotive auf der frühzeitlichen Erde weiter zu plausibilisieren, wurden die einzelnen Reaktionskomponenten an das präbiotische Szenario angepasst. Dabei wurde ein neuartiger lichtinduzierter Aktivierungsmechanismus von elektronenarmen Alkylbromiden gefunden, welcher in Abwesenheit externer Photosensibilisatoren wirksam war.
Das darauffolgende Kapitel behandelt die detaillierte mechanistische Untersuchung der neuartigen Photoreaktion. Durch gezielte Einflussnahme auf die sterischen und elektronischen Eigenschaften von 2,6-disubsituierten Pyridinen wurde ein Effekt auf die chemische Ausbeute des alkylierten Aldehyds beobachtet und damit eine Beteiligung der Pyridinderivate am lichtabhängigen Schlüsselschritt erkannt. Anhand UV-Vis- und NMR-spektroskopischer Analysen wurde ein EDA-Komplex, gebildet aus dem Alkylbromid und 2,6-Lutidin, als die zentrale lichtaktive Spezies ermittelt. Mit der Bestimmung der Quantenausbeute wurde ein effektiver Radikalkettenmechanismus ausgeschlossen. Basierend auf den gewonnenen Erkenntnissen sowie der hier gewonnenen Kristallstruktur eines vergleichbaren Charge-Transfer-Komplexes wurde ein Mechanismus postuliert, der mit allen experimentellen Befunden vereinbar ist. Die erfolgreiche Übertragung der Reaktionsbedingungen auf eine Bandbreite von Nukleophilen belegt das Vorliegen eines generellen Aktivierungsmechanimus und ermöglicht die zukünftige breite Anwendung der hier beschriebenen Photoreaktion zur metallfreien C-C-Bindungsknüpfung in der synthetischen organischen Chemie.
Das vierte Kapitel knüpft an die Thematik des zweiten Kapitels an und beschreibt die Synthese von präbiotisch plausiblen Carbenkatalysatoren mit dem Ziel der alternativen Aktivierung von Aldehyden durch Umpolung. Es werden drei Herangehensweisen zur Darstellung des gesättigten Thiazolidin-Carbens diskutiert, die auf der Deprotonierung, Thermolyse oder Reduktion des Heterozyklus basieren.
Ergänzend zu den Studien an Imidazolidin-4-thionen des zweiten Kapitels wird ein neuartiger Zugang zu chiralen α-methylierten Aldehyden vorgestellt. Der Einsatz Aldehyd-abgeleiteter Katalysatoren in den Modifizierungsprozess derselben Aldehyde, sodass geeignete Bausteine für die nächste Katalysatorgeneration geschaffen werden, bildet das letzte fehlende Glied für die Realisierung eines molekularen Evolutionszyklus. Der synthetische Ansatz basierte auf einer zweistufigen Reaktonssequenz, welche in die säurekatalysierte Methylenierung sowie die anschließende organokatalytische Hydrierung unterteilt war. Mit Imidazolidin-4-thion-Katalysatoren wurde keine Stereokontolle unter den getesteten Bedingungen erreicht. Hingegen konnte im Rahmen einer umfassenden Optimierungsstudie von Reaktionsbedingungen, Additiven und Organokatalysatoren für den Jørgensen-Hayashi-Katalysator eine Balance gegenläufiger Katalyseparameter, d. h. der chemischen Ausbeute und der Enantioselektivität, erzielt werden. Mit dem hier vorgestellten katalytischen Protokoll, das die Darstellung von chiralen, nicht-modifizierten Reaktionsprodukten ermöglicht, wurde erstmals eine Lösungsstrategie für die direkte, organokatalytische α-Methylierung von Aldehyden aufgezeigt.Research in the field of "origin of life" focusses on the formation mechanisms of a self-sustaining system based on primitive molecular building blocks under prebiotically plausible conditions. A gradual process of increasing complexity is assumed, which includes the polymerization of prebiotic molecules and the assembly of the resulting polymers into an interactive network in the field of metabolism and replication. Due to the variety of possible reaction types and reaction products, effective selection processes along the synthesis paths are of central importance for the success of the system. At the molecular level, selection could be possible both in terms of chemical yield and enantioselectivity. The phenomenon of the homochirality of proteinogenic amino acids and natural sugars illustrates the effectiveness of the selection processes that have taken place and is also one of the core questions of the interdisciplinary research area "origin of life".
The present dissertation describes an approach to a chiral, prebiotically plausible catalyst system that is capable of modifying its own components and thus optimizing itself over the course of generations. The development of such a self-amplifying system was pursued with the aim of gaining insights into the origin of homochirality in naturally occurring biomolecules.
Chapter 2 deals with the synthesis of potential organocatalysts accessible by ring-closure reactions from amino acid derivatives and aldehydes. By using these catalysts in asymmetric α-alkylation reactions of aldehydes and by determining the chiral properties of the resulting products, effective functional groups for the optimization of reaction parameters were found. Alkyl-substituted imidazolidine-4-thiones were identified as prebiotically plausible analogues of MacMillan-catalysts in the light-induced α-functionalization described by MACMILLAN. Stability studies of these sulfur-containing heterocycles performed by A. C. CLOSS showed the possibility of a generation change due to the incorporation of branched aldehydes instead of linear ones. Based on these results, the present work deals with kinetics and enantioselectivity of the α-cyanomethylation of aldehydes with dfferent catalyst derivatives, which were determined by time-resolved in situ NMR measurements or chiral GC analysis. Measurable differences of reaction rates and of enantiomeric excesses, when using different representatives of the catalyst family and the different formation probability of individual catalyst isomers proved the existence of selection processes. However, due to the incompatibility of the newly introduced nitrile-functionality of catalyst products with the synthesis of the imidazolidine-4-thione backbone, the described system was not capable of participating in the first amplification step. To further plausibilize the catalytic function of such structural motifs on primitive earth, the individual reaction components were adapted to the prebiotic scenario. A novel, light-induced activation mechanism of electron-deficient alkyl bromides was found, which operated in the absence of external photosensitizers.
The following chapter deals with the mechanistic investigation of the novel photoreaction. By influencing the steric and electronic properties of 2,6-disubstituted pyridines, an effect on the chemical yield of the alkylated aldehyde was observed and thus the participation of pyridine derivatives in the light-dependent key step was recognized. Using various UV-Vis- and NMR-spectroscopic analyses, an EDA complex formed from the alkyl bromide and 2,6-lutidine was identified as the central light-active species. By determining the quantum yield, an effective radical chain mechanism could be excluded. Based on the obtained findings and the crystal structure of a comparable, isolated charge-transfer complex, a mechanism was postulated that is compatible with all experimental observations. The successful transfer of reaction conditions to a broad range of nucleophiles confirms the existence of a general activation mechanism and enables the prospective broad application of the photoreaction described herein for metal-free C-C-bond formation in synthetic organic chemistry.
Chapter 4 connects to the topic of chapter 2 and describes the synthesis of prebiotic plausible carbene precursors with the aim to establish a further activation mode of aldehydes by umpolung. Three approaches for the formation of a saturated thiazolidine carbene, based on deprotonation, thermolysis or reduction, are discussed.
In addition, a novel approach to chiral α-methylated aldehydes is presented to supplement the studies on imidazolidine-4-thione catalysts of chapter 2. The integration of aldehyde-derived catalysts into the modification process of the same aldehydes, so that suitable building blocks for the next catalyst generation are created, was the last missing link for the realization of a molecular evolution cycle. The synthetic approach was based on a two-stage reaction sequence, consisting of acid-catalyzed methylation and subsequent organocatalytic hydrogenation. With imidazolidine-4-thione catalysts stereocontrol could not be achieved under the tested conditions. In contrast, a balance of opposite catalytic parameters, i. e. chemical yield and enantioselectivity, could be realized for the Jørgensen-Hayashi-catalyst within optimization studies of reaction conditions, additives and organocatalysts. With the novel catalytic protocol, which enables the synthesis of chiral, non-modified reaction products, a solution strategy for the direct, organocatalytic α-methylation of aldehydes was disclosed