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    Taktile Illusionen: Wahrnehmung und neuronale Analyse spatiotemporaler Reizmuster

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    Die Repräsentation von Reizen auf der Körperoberfläche ist eine Funktion ihrer räumlichen und zeitlichen Anordnung. Diese raum-zeitliche Interaktion in der Wahrnehmung ist die Grundlage des Saltationsphänomens, das in der vorliegenden Arbeit untersucht wurde. Bei dieser taktilen Illusion wird die Position eines Reizes örtlich verschoben wahrgenommen, wenn ihm zeitnah ein räumlich entfernter Reiz folgt (Geldard & Sherrick, 1972). Die Verschiebung ist umso größer, je kürzer das Zeitintervall zwischen den beiden Reizen ist. Entsprechend dem neuronalen Netzwerkmodell von Wiemer und Kollegen (2000) kann diese Illusion als perzeptives Korrelat der kortikalen Verarbeitungsmechanismen spatiotemporaler Information angesehen werden, bei denen die Repräsentation von Reizen im Kortex abhängig von deren zeitlicher Abfolge ist. Die dynamische Anpassung des neuronalen Netzwerkes an den Verlauf der Stimulation bildet die Grundlage für kurzfristige und längerfristige plastische Veränderungen der kortikalen Topographie und ermöglicht so eine Anpassung des Gehirns an veränderte Anforderungen. Ziel der vorliegenden Arbeit war es, die Bedingungen des Auftretens spatiotemporaler Verarbeitungsprozesse zu spezifizieren und adaptive Veränderungen des taktilen Wahrnehmungsraums und der Topographie in SI aufgrund spatiotemporaler taktiler Stimulation nachzuweisen. Zu diesem Zweck wurde zunächst eine fMRT-taugliche Experimentierumgebung aufgebaut und getestet. Im Vordergrund stand die Herstellung des Saltationseffekts. Deutlich wurde, dass die Auftretenswahrscheinlichkeit des Effekts von der Verlaufscharakteristik der Stimuli abhängt und die experimentelle Anordnung, insbesondere die Methode zur Einschätzung der Reizposition, einen Einfluss auf die wahrgenommene räumliche Anordnung der Reize auf der Körperoberfläche hatte. Das in der vorliegenden Arbeit evaluierte Punktlokalisationsverfahren mit einem 3D-Positionsgeber erwies sich als hinreichend stabil und reliabel. Aufgabe der insgesamt 67 gesunden Probanden, die an den verschiedenen Teilstudien teilnahmen, war es jeweils auf die wahrgenommene Reizposition auf dem Unterarm zu deuteten. Untersucht wurde nicht nur die Punktlokalisation spatiotemporaler Reizmuster mit denen der Saltationseffekt hergestellt wird, sondern auch die perzeptive Anordnung einzelner Reize an unterschiedlichen Reizorten auf dem Unterarm. Es zeigte sich, dass die spatiale Karte Verzerrungen aufweist: in der Nähe anatomischer Markierungspunkte wie z.B. des Hand- und Ellenbogengelenks waren die Lokalisationsfehler deutlich geringer als weiter von diesen entfernt. Der Einfluss der Gelenke auf die Lokalisation einzelner Reize deutet darauf hin, dass diese Areale im somatosensorischen Kortex (SI) anders repräsentiert sind als Areale, die nicht mit anatomischen Markierungspunkten verbunden sind. In einer weiteren psychophysikalischen Studie standen überdauernde Veränderungen der Topographie der taktilen Karte durch repetitive Stimulation mit spatiotemporalen Reizmustern im Vordergrund. Die repetitive Stimulation mit spatiotemporalen Reizmustern (ca. 45 Minuten) bewirkte eine zunehmende Verzerrung der perzeptiven taktilen Karte, in deren Folge sich die Lokalisationsleistung bei einzelnen Reizen verschlechterte. Dies wurde als Hinweis auf eine beginnende Veränderung der taktilen Karte in SI interpretiert. Auch die Reihenfolge, in der die spatiotemporalen Reizmuster mit unterschiedlicher zeitlicher Abfolge vorgegeben wurden, übte einen Einfluss auf deren Repräsentation in der taktilen Karte aus. Dieser hielt jeweils nur so lange an, wie ähnliche Reizmuster vorgegeben wurden; daher wurde er als Kalibrierungsprozess des taktilen Systems interpretiert, der eine Optimierung der Verarbeitung der momentan ankommenden Information garantiert. Der abschließende Teil der vorliegenden Arbeit beinhaltet die Untersuchung zur kortikalen Repräsentation spatiotemporaler Reizmuster und der saltatorischen Reizverschiebung in SI mit funktioneller Magnetresonanztomographie. Es wurde erwartet, dass die als Saltationseffekt auftretende wahrgenommene Ortsverschiebung eines Reizes in Abhängigkeit vom Zeitintervall zu einem räumlich getrennten nachfolgenden Stimulus in SI ihre Entsprechung findet. Möglicherweise wegen mangelnden räumlichen Auflösungsvermögens der verwendeten Messtechnik konnte eine entsprechend veränderte Topographie allerdings nicht nachgewiesen werden. Die unterschiedlichen spatiotemporalen Reizmuster hatten aber einen Effekt auf die Aktivierungshöhe in SI, der insbesondere mit dem Auftreten eines perzeptiven Saltationseffekts zusammenhing. Die Veränderungen in der Aktivierungshöhe wurden daher als Nachweis summativer Verarbeitungsprozesse interpretiert, die in Einklang mit dem Netzwerkmodell von Wiemer et al. (2000) stehen

    Spatiotemporal Integration in Somatosensory Perception: Effects of Sensory Saltation on Pointing at Perceived Positions on the Body Surface

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    In the past, sensory saltation phenomena (Geldard and Sherrick, 1972) have been used repeatedly to analyze the spatiotemporal integration capacity of somatosensory and other sensory mechanisms by means of their psychophysical characteristic. The core phenomenon consists in a systematic mislocalization of one tactile stimulus (the attractee) toward another successive tactile stimulus (the attractant) presented at another location, increasing with shorter intervals. In a series of four experiments, sensory saltation characteristics were studied at the forearm and the abdomen. Participants reported the perceived positions of attractees, attractants, and reference stimuli by pointing. In general, saltation characteristics compared well to those reported in previous studies, but we were able to gain several new insights regarding this phenomenon: (a) the attractee–attractant interval did not exclusively affect the perceived attractee position, but also the perceived attractant position; (b) saltation characteristics were very similar at different body sites and orientations, but did show differences suggesting anisotropy (direction-dependency) in the underlying integration processes; (c) sensory saltation could be elicited with stimulation patterns crossing the body midline on the abdomen. In addition to the saltation-specific results, our experiments demonstrate that pointing reports of perceived positions on the body surface generally show pronounced systematic biases compared to veridical positions, moderate intraindividual consistency, and a high degree of inter-individual variability. Finally, we address methodological and terminological controversies concerning the sensory saltation paradigm and discuss its possible neurophysiological basis

    Taktile Illusionen: Wahrnehmung und neuronale Analyse spatiotemporaler Reizmuster

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    Die Repräsentation von Reizen auf der Körperoberfläche ist eine Funktion ihrer räumlichen und zeitlichen Anordnung. Diese raum-zeitliche Interaktion in der Wahrnehmung ist die Grundlage des Saltationsphänomens, das in der vorliegenden Arbeit untersucht wurde. Bei dieser taktilen Illusion wird die Position eines Reizes örtlich verschoben wahrgenommen, wenn ihm zeitnah ein räumlich entfernter Reiz folgt (Geldard & Sherrick, 1972). Die Verschiebung ist umso größer, je kürzer das Zeitintervall zwischen den beiden Reizen ist. Entsprechend dem neuronalen Netzwerkmodell von Wiemer und Kollegen (2000) kann diese Illusion als perzeptives Korrelat der kortikalen Verarbeitungsmechanismen spatiotemporaler Information angesehen werden, bei denen die Repräsentation von Reizen im Kortex abhängig von deren zeitlicher Abfolge ist. Die dynamische Anpassung des neuronalen Netzwerkes an den Verlauf der Stimulation bildet die Grundlage für kurzfristige und längerfristige plastische Veränderungen der kortikalen Topographie und ermöglicht so eine Anpassung des Gehirns an veränderte Anforderungen. Ziel der vorliegenden Arbeit war es, die Bedingungen des Auftretens spatiotemporaler Verarbeitungsprozesse zu spezifizieren und adaptive Veränderungen des taktilen Wahrnehmungsraums und der Topographie in SI aufgrund spatiotemporaler taktiler Stimulation nachzuweisen. Zu diesem Zweck wurde zunächst eine fMRT-taugliche Experimentierumgebung aufgebaut und getestet. Im Vordergrund stand die Herstellung des Saltationseffekts. Deutlich wurde, dass die Auftretenswahrscheinlichkeit des Effekts von der Verlaufscharakteristik der Stimuli abhängt und die experimentelle Anordnung, insbesondere die Methode zur Einschätzung der Reizposition, einen Einfluss auf die wahrgenommene räumliche Anordnung der Reize auf der Körperoberfläche hatte. Das in der vorliegenden Arbeit evaluierte Punktlokalisationsverfahren mit einem 3D-Positionsgeber erwies sich als hinreichend stabil und reliabel. Aufgabe der insgesamt 67 gesunden Probanden, die an den verschiedenen Teilstudien teilnahmen, war es jeweils auf die wahrgenommene Reizposition auf dem Unterarm zu deuteten. Untersucht wurde nicht nur die Punktlokalisation spatiotemporaler Reizmuster mit denen der Saltationseffekt hergestellt wird, sondern auch die perzeptive Anordnung einzelner Reize an unterschiedlichen Reizorten auf dem Unterarm. Es zeigte sich, dass die spatiale Karte Verzerrungen aufweist: in der Nähe anatomischer Markierungspunkte wie z.B. des Hand- und Ellenbogengelenks waren die Lokalisationsfehler deutlich geringer als weiter von diesen entfernt. Der Einfluss der Gelenke auf die Lokalisation einzelner Reize deutet darauf hin, dass diese Areale im somatosensorischen Kortex (SI) anders repräsentiert sind als Areale, die nicht mit anatomischen Markierungspunkten verbunden sind. In einer weiteren psychophysikalischen Studie standen überdauernde Veränderungen der Topographie der taktilen Karte durch repetitive Stimulation mit spatiotemporalen Reizmustern im Vordergrund. Die repetitive Stimulation mit spatiotemporalen Reizmustern (ca. 45 Minuten) bewirkte eine zunehmende Verzerrung der perzeptiven taktilen Karte, in deren Folge sich die Lokalisationsleistung bei einzelnen Reizen verschlechterte. Dies wurde als Hinweis auf eine beginnende Veränderung der taktilen Karte in SI interpretiert. Auch die Reihenfolge, in der die spatiotemporalen Reizmuster mit unterschiedlicher zeitlicher Abfolge vorgegeben wurden, übte einen Einfluss auf deren Repräsentation in der taktilen Karte aus. Dieser hielt jeweils nur so lange an, wie ähnliche Reizmuster vorgegeben wurden; daher wurde er als Kalibrierungsprozess des taktilen Systems interpretiert, der eine Optimierung der Verarbeitung der momentan ankommenden Information garantiert. Der abschließende Teil der vorliegenden Arbeit beinhaltet die Untersuchung zur kortikalen Repräsentation spatiotemporaler Reizmuster und der saltatorischen Reizverschiebung in SI mit funktioneller Magnetresonanztomographie. Es wurde erwartet, dass die als Saltationseffekt auftretende wahrgenommene Ortsverschiebung eines Reizes in Abhängigkeit vom Zeitintervall zu einem räumlich getrennten nachfolgenden Stimulus in SI ihre Entsprechung findet. Möglicherweise wegen mangelnden räumlichen Auflösungsvermögens der verwendeten Messtechnik konnte eine entsprechend veränderte Topographie allerdings nicht nachgewiesen werden. Die unterschiedlichen spatiotemporalen Reizmuster hatten aber einen Effekt auf die Aktivierungshöhe in SI, der insbesondere mit dem Auftreten eines perzeptiven Saltationseffekts zusammenhing. Die Veränderungen in der Aktivierungshöhe wurden daher als Nachweis summativer Verarbeitungsprozesse interpretiert, die in Einklang mit dem Netzwerkmodell von Wiemer et al. (2000) stehen
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