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Frankreich und Deutschland im Krieg (18.-20. Jahrhundert) : Zur Kulturgeschichte der europäischen "Erbfeindschaft"
Obwohl auch die Militärgeschichte in den letzten Jahren eine Wendung hin zu alltags- und mentalitätsgeschichtlichen Fragen erfahren hat, ist ein übergreifender kulturgeschichtlicher Blickwinkel auf den Krieg als zwischenstaatlichem Kommunikationszusammenhang bis heute weitgehend Desiderat geblieben. Dabei waren es aber gerade die Menschen selbst, die im Krieg die Grenzen ihres Nationalstaates überschritten, in der Fremde Erfahrungen machten, Handlungen vollzogen und auch erlitten. Kriege zeichnen sich nicht nur durch besonders intensive Wechselwirkungen von Aktionen und Kommunikation aus; Kriegserlebnisse waren und sind vor allem in entscheidendem Maße konstitutiv für das Bild des "Anderen". Kriege prägten und prägen nachdrücklich transnationale Wahrnehmungsmuster sowohl der einzelnen Person als auch des Kollektivs. Im Rahmen solcher transnationalen Wahrnehmungsmuster kommt dem Verhältnis zwischen Frankreich und Deutschland eine herausragende Stellung zu. Die durchaus zahlreichen Konflikte zwischen den beiden Ländern ermöglichen es, diese Beziehungsgeschichte über einen Zeitraum von 200 Jahren hinweg diachron zu untersuchen. Die sogenannte deutsch-französische "Erbfeindschaft" wird traditionell auch in der Geschichtswissenschaft als ein Bestimmungsmoment der nationalen deutschen Sinnstiftung und der europäischen Konfliktgeschichte betont. Nur ansatzweise untersucht ist dagegen die Frage, welche Bedeutung gegenseitige Wahrnehmungsmuster für diejenigen Menschen besaßen, die unmittelbar an der Einleitung und Durchführung der Kriege zwischen Deutschland und Frankreich beteiligt waren. Statt der wechselseitigen Stereotypenbildung durch "Symbolproduzenten im engeren Sinn", also Lieder, Gedichte oder Karikaturen, werden im vorliegenden Projektbericht daher vorrangig Kommunikationstypologien, -situationen und -inhalte herausgearbeitet, die im direkten Umfeld kriegerischer Verwicklungen zwischen beiden Ländern entstanden sind. Die Ausgangshypothese für das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Projekt lautet, dass die vier zu untersuchenden Kriege - der Siebenjährige Krieg (1756-1763), der deutsch-französische Krieg 1870/71, der Erste und der Zweite Weltkrieg - die wechselseitige Wahrnehmung der Menschen beider Territorien voneinander nachhaltig und weit über ihren engeren Zusammenhang hinaus prägten. Das Projekt soll zu einer wechselseitigen deutsch-französischen Wahrnehmungsgeschichte beitragen, indem diejenigen Kommunikationssituationen und -formen herausgearbeitet werden, in denen die Menschen beider Länder unmittelbar miteinander in Beziehung traten und durch die sie Informationen und Meinungen übereinander vermittelt bekamen. Im Zentrum steht die Untersuchung der jeweils vorherrschenden Kommunikationsformen (u.a. diplomatisch-politischer, medialer oder alltagsgeschichtlicher Art) und Kommunikationssituationen (u.a. Einquartierungen, Umgang mit Besatzungsbehörden, Kollaborationsverhältnisse). Da es einen erheblichen Unterschied ausmachen kann, ob es sich bei den Kommunizierenden um einfache Soldaten, Diplomaten oder Verwaltungsbeamte handelt, wird eine für alle untersuchten Kriege einheitliche Aufteilung in vier verschiedene Kommunikatorengruppen vorgenommen: politische Entscheidungsträger, Militärangehörige, Zivilisten und Medienproduzenten. Diese Aufteilung ermöglicht wahlweise eine diachrone oder chronologische Darstellung der Untersuchungsergebnisse. Der vorliegende Projektbericht erhebt keinen Anspruch auf eine endgültige Behandlung des Gegenstandes. Er stellt vielmehr einen ersten Schritt in Richtung einer auf diese Weise noch nicht geschriebenen deutsch-französischen Kommunikationsgeschichte dar; Projektleitung und Bearbeiter wollen ausdrücklich zu weitergehenden Forschungen anregen