Molekulargenetische Exploration der idiopathisch generalisierten Epilepsien

Abstract

Die idiopathisch generalisierten Epilepsien (IGEs) stellen eine Gruppe von Epilepsiesyndromen dar, die zusammen eine Lebenszeitprävalenz von 0,3% aufweisen und 20-30% aller Epilepsien repräsentieren. Die häufigen, klassischen IGE-Syndrome sind die kindliche Absence-Epilepsie (CAE), die juvenile Absence-Epilepsie (JAE), die juvenile myoklonische Epilepsie (JME) und die Epilepsie mit generalisierten tonisch-klonischen Anfällen (EGTCS). Die Ätiologie dieser vier klinisch überlappenden Subsyndrome ist genetisch determiniert. Molekulargenetische Forschungsansätze sind daher aussichtsreich, einen bedeutenden Beitrag zur Aufklärung der molekularen Mechanismen der Epileptogenese zu leisten. Trotz der hohen Heritabilität von ca. 80%, gelang es bislang nicht, die genetische Architektur der häufigen IGE-Syndome überzeugend aufzuklären. Lediglich für die seltenen, monogenen Formen der IGEs (ca. 1-2% der Fälle) sind klar prädisponierende Genvarianten identifiziert worden. In dieser Studie wurden zur Dissektion der genetischen Fakoren bei den häufigen IGE-Syndromen mit genetisch komplexer Disposition zwei verschiedene molekulargenetische Forschungsansätze angewandt. Ziel dieser Strategie war es, die unterschiedlichen genetischen Komponenten des multifaktoriellen polygenen Models zu erfassen. Mittels genomweiter Kopplunganalysen in familiären IGE-Formen sollten genetische Faktoren mit relativ hohen Effektstärken identifiziert werden, die zu einer oligonenen Vererbung beitragen. Komplementär sollten mittels genomweiter Assoziationsanalysen genetische Variationen identifiziert werden, die entsprechend der „common disease/common variant“- (CD/CV-) Hypothese meist geringe disponierende Effekte aufweisen, jedoch häufig in der allgemeinen Bevölkerung vorkommen. Darüber hinaus sollte überprüft werden, ob die idiopathischen Absence-Epilepsien (IAE) und JME syndromspezifische Determinanten aufweisen. Die Grundlage für diese Studien war die Rekrutierung der weltweit größten Kollektive von 379 IGE-Multiplexfamilien und 2826 unverwandten IGE-Patienten im Rahmen des europaweiten Forschungsprojektes EPICURE. In der genomweiten Kopplungsanalyse in 379 IGE-Multiplexfamilien fanden sich suggestive Kopplungshinweise für sechs Regionen (1p36.22, 3p21.1-p13, 5q31.3-q35.1, 13q12.11-q12.13, 13q31.1-q32.1, 19q13.32-q13.42). Für den Chromosomenabschnitt 13q31.1-q32.1, wurde in der Subgruppe mit 235 IAE-Multiplexfamilien eine signifikante Kopplung in der parametrischen Analyse erreicht (rezessives Vererbungsmodell: HLOD = 5,02 bei rs1332470; alpha = 0,22). Die nichtparametrische Kopplungsanalyse in der Subgruppe mit 118 JME-Multiplexfamilien ergab eine signifikante Kopplung in der chromosomalen Region 2q32.1-q36.1 (LODNPL = 3,43 bei D2S143). Die parametrischen Analysen in der JME-Subgruppe unterstützen den signifikanten Kopplungsbefund (HLOD > 2,5 in beiden Vererbungsmodellen bei D2S143). In der chromosomalen Region 5q31.3-q35.1 fanden sich suggestive Kopplungshinweise in beiden Subgruppenanalysen, sowohl in den nichtparametrischen als auch in den parametrischen Kopplungsanalysen mit dem dominanten Vererbungsmodell. Die Ergebnisse der Kopplungsanalysen unterstützen das oligogene Vererbungsmodell für die familiären IGE-Syndrome. Ein genetischer Risikofaktor in dem Chromosomenabschnitt 5q31.3-q35.1 prädisponiert für ein breites Spektrum von familiären IGE-Syndromen. Interessanterweise befinden sich in dieser Region zwei bekannte Epilepsiegene (GABRA1, GABRG2), in denen Mutationen bei monogenen IGE-Formen identifiziert wurden. Die zwei Kopplungsloci in den Chromosomenabschnitten 13q31.1-q32.1 und 2q32.1-q36.1 weisen auf subsyndromspezifische Determinanten hin, die differentiell zum Entstehungsrisiko von entweder IAE oder JME beitragen. Die aussichtsreichsten Kandidatengene sind GPC5 auf 13q31.3 und ERBB4 auf 2q34. Die GWAS mit anschließender Replikationsanalyse ergab in der kombinierten Analyse von 2826 IGE-Einzelfällen und 3701 Kontrollen europäischen Ursprungs eine genomweit signifikante Assoziation in der Region 17q21.32 (META-P = 7,9x10(-9) bei rs41336845; OR[T] = 0,76; 95%-KI: 0,70-0,84). In der IAE-Subruppe mit 1337 IAE-Einzelfällen und 3452 Kontrollen fanden sich suggestive Assoziationen auf Chromosom 2 in den Regionen 2p16.1 (META-P = 1,82x10(-7) bei rs2953442; OR[C] = 1,31; 95%-KI: 1,19-1,45) und 2q22.3 (META-P = 1,53x10(-7) bei rs17741930; OR[C] = 0,69; 95%-KI: 0,60-0,80). In der JME-Subgruppe mit 1067 JME-Einzelfällen und 3287 Kontrollen fand sich eine suggestive Assoziation in der Region 1q43 (META-P = 4,22x10(-7) bei rs1110615; OR[A] = 1,46; 95%-KI: 1,28-1,65). Die genomweit signifikante Assoziation in der chromosomalen Region 17q21.32 mit den häufigen IGE-Syndromen bestätigt erstmals die Existenz eines häufigen Risikofaktors für IGE entsprechend der CD/CV-Hypothese. In der assoziierten Region befindet sich das Gen für die Pyridoxamin 5'-Phosphat Oxidase (PNPO), das ein sehr aussichtreiches Kandidatengen darstellt. Die vorliegenden genomweiten Kopplungs- und Assoziationstudien identifizieren neue IGE-Loci in den Chromosomenabschnitten 2q32.1-q36.1, 13q31.1-q32.1 und 17q21.32. Die positionelle Identifizierung der zugrundeliegenden Epilepsiegene wird weitere Einblicke in die molekularen Mechanismen der Epileptogenese eröffnen und zur Klärung der genetischen Architektur von Epilepsien beitragen

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This paper was published in Kölner UniversitätsPublikationsServer.

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