Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft (Journal)
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The role of political representation for the availability of childcare in municipalities of Upper Austria
The literature on public childcare provision focuses mainly on countries as unit of analysis and investigates public expenditures or enrolment rates. We contribute to existing studies by analysing the availability and flexibility of childcare provision at the subnational level. Although Austrian municipalities experienced childcare expansion, there are remarkable differences in availability and flexibility among them. We test four explanations for this variation: party ideology of local councils, party ideology of mayors, women’s representation in local councils, and gender of mayors. Ordinal and logistic mixed-effects models covering 429 municipalities in Upper Austria between 2011 and 2018 reveal that the cabinet share of the Social Democratic party (SPÖ) and women in local councils show a robust association with higher quality of institutional childcare provision, while the Christian Democratic party (ÖVP) is negatively associated. In contrast, mayors play no role.Die Literatur zum öffentlichen Kinderbetreuungsangebot konzentriert sich hauptsächlich auf Länder als Analyseeinheiten und fokussiert auf öffentliche Ausgaben oder Betreuungsquoten. Wir erweitern die bestehende Literatur, indem wir die Verfügbarkeit und Flexibilität von Kinderbetreuung auf subnationaler Ebene analysieren. Obwohl österreichische Gemeinden die Kinderbetreuung insgesamt ausgebaut haben, gibt es bemerkenswerte Unterschiede in der Verfügbarkeit und Flexibilität. Wir testen vier Erklärungen für diese Unterschiede: die Parteizugehörigkeit der Gemeinderät:innen, die Parteizugehörigkeit der Bürgermeister:innen, die Repräsentation von Frauen im Gemeinderat und das Geschlecht der Bürgermeister:innen. Ordinale und logistische Mixed-Effects-Modelle, die 429 Gemeinden in Oberösterreich zwischen 2011 und 2018 abdecken, zeigen, dass der Anteil von Gemeinderät:innen der Sozialdemokratischen Partei (SPÖ) und von Frauen im Gemeinderat einen robusten Zusammenhang mit einer höheren Qualität der institutionellen Kinderbetreuung aufweisen, während der Anteil von Gemeinderät:innen der Christdemokratischen Partei (ÖVP) einen negativen Zusammenhang zeigt. Im Gegensatz dazu finden wir für Bürgermeister:innen keine Effekte
Insights into the consensus machine of parliament: The conference of presidents in the Austrian National Council
Parliaments are arenas of political dispute, but at the same time they require a generally accepted basic consensus and its concrete implementation in organisational issues such as the design of the parliamentary agenda and the handling of procedural conflicts. To resolve such conflicts, many parliaments use coordination committees, consisting of members of the presidium and representatives of the parliamentary groups. The article at hand analyses the Presiding Conference (PK) in the Austrian National Council as such a coordination committee on the basis of detailed interviews with its members. What role does the PK play in setting the agenda in the National Council and what mechanisms does it use to establish and reproduce a basic procedural consensus? The analysis shows that the PK and the preparatory informal round of club directors primarily determine the National Council\u27s timetable agenda and serve as a coordinating body for a wide range of procedural and organisational issues. The highly consensual interaction in the PK can be explained by six institutional mechanisms - personality-oriented or interaction-based - including the strict separation of procedural and political decisions, the orientation towards precedents, the anticipation of obstruction possibilities, a consensus-oriented understanding of members\u27 roles and the repeated interaction in a small, confidential and highly professionalised group. These theoretical mechanisms can be generalised beyond the National Council and show how parliamentary organisation can promote stable and fair parliamentarianism even under conditions of political polarisation.Parlamente sind Arenen des politischen Streits, bedürfen aber gleichzeitig eines allgemein akzeptierten Grundkonsenses und dessen konkreter Umsetzung in organisatorischen Fragen wie der Gestaltung der Tagesordnung und dem Umgang mit prozeduralen Konflikten. Zur Lösung solcher Konflikte nutzen viele Parlamente Koordinationsausschüsse bestehend aus Mitgliedern des Präsidiums und Vertretern der Parlamentsfraktionen. Dieser Aufsatz untersucht die Präsidialkonferenz (PK) im österreichischen Nationalrats als ein solches Gremium auf Grundlage detaillierter Interviews mit seinen Mitgliedern. Welche Rolle spielt die PK bei der Agendasetzung im Nationalrat und über welche Mechanismen es ihr gelingt, einen prozeduralen Grundkonsens herzustellen und zu reproduzieren? Die Analyse zeigt, dass die PK und die vorbereitende informelle Runde der Klubdirektor:innen vor allem die Zeitplanagenda des Nationalrats bestimmt und als Koordinationsgremium für verschiedenste prozedurale und organisatorische Themen dient. Die hochgradig konsensuelle Interaktion in der PK erklärt sich durch sechs institutionelle, persönlichkeitsorientierte und interaktionsbasierte Mechanismen, darunter die strikte Trennung von prozeduralen und politisch-inhaltlichen Entscheidungen, die Orientierung an Präzedenzfällen, die Antizipation von Obstruktionsmöglichkeiten, ein konsensorientiertes Rollenverständnis der Mitglieder und die wiederholte Interaktion in einer kleinen, vertraulichen und hochgradig professionalisierten Gruppe. Diese theoretischen Mechanismen sind über den Nationalrat hinaus generalisierbar und zeigen, wie parlamentarische Organisation auch unter Bedingungen politischer Polarisierung einen stabilen und fairen Parlamentarismus fördern kann
Eine Debatte über Österreichs Neutralität: Warum sie notwendig ist und wie sie geführt werden sollte
In Österreich ist man von einer Debatte über den Zustand und die Zukunft der Neutralität immer noch weit entfernt. Dervorliegende Artikel erörtert, warum eine politische Debatte über die Neutralität dringend nötig ist und wie eine solche Debatteangelegt sein sollte, um fundierte Entscheidungen über die Zukunft der Neutralität zu ermöglichen. Er argumentiert, dassdie Debatte notwendig ist, weil sich die äußeren Rahmenbedingungen der Außen- und Sicherheitspolitik Österreichs sowieder rechtliche Rahmen der Neutralität grundlegend verändert haben, während die politische Diskussion über das Wesen undden Wert der Neutralität zunehmend verebbt ist. Hinsichtlich der Beschaffenheit einer vitalisierten Debatte argumentiert derBeitrag, dass diese sich stärker als bisher auf Evidenz aus Wissenschaft und Praxis stützen, klarer zwischen verschiedenenZugängen zu diesem Thema unterscheiden (Neutralität als Instrument, Grundprinzip, Bezugspunkt und Konfliktpunkt) undjenseits des Kreises von Expert:innen und Praktiker:innen in die Gesellschaft ausgedehnt werden sollte. Als Ausgangspunkt fürdas Schwerpunktheft zum Thema „Zustand und Zukunft der österreichischen Neutralität“ gibt der Artikel schließlich auch einenÜberblick über die nachfolgenden Artikel dieses Schwerpunkthefts
Wie glaubwürdig ist die österreichische Neutralität? Innen- und Außenwahrnehmung seit 1955
Dieser Artikel stellt die Frage nach der Glaubwürdigkeit der österreichischen Neutralität und wie sie innerhalb und außerhalb der österreichischen Grenzen wahrgenommen wird. Die Neutralitätspolitik ist zwar eine innerösterreichische Angelegenheit, aber die Neutralität bedingt den völkerrechtlichen Status der Zweiten Republik und bezieht sich auf zwischenstaatliche Beziehungen.Infolgedessen ist das, was das Ausland von der Neutralität wahrnimmt, auch wichtig für die internationale Stellung und Strategie Österreichs. Seit der Erklärung der immerwährenden Neutralität Österreichs am 26. Oktober 1955 hat es mehrere Auffassungen der österreichischen Neutralität und ihrer Rolle in der Sicherheitspolitik gegeben, deswegen verfolgt der Artikel einendiachronischen Ansatz. Zuerst wird auf die Diskussionen anlässlich der Erklärung der Neutralität und auf die von vielen Staaten geteilte Befürchtung, ein neutrales Österreich könnte zum Trojanischen Pferd in Europa werden, fokussiert. Anschließend wird auf die „aktive Neutralitätspolitik“ Österreichs eingegangen: Trotz diplomatischer Erfolge, die unter anderem Bruno Kreisky zu verdanken waren, gab es fortbestehende Zweifel an der Fähigkeit Österreichs, seine Neutralität und sein Territorium effizient zu verteidigen. In einem dritten Teil werden die Rolle der Neutralität in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik seit den 1990er Jahren und der Vorwurf untersucht, Österreich sei ein sicherheitspolitischer Trittbrettfahrer innerhalb der Europäischen Union.This article raises the question of the credibility of Austrian neutrality and how it is perceived within and beyond Austria\u27s borders. Although the policy of neutrality is an internal Austrian matter, neutrality determines the status of the Second Republic under international law and applies to interstate relations. As a result, what foreign countries perceive of neutrality is also important for Austria\u27s international position and strategy. Since the declaration of Austria\u27s perpetual neutrality on 26 October 1955, therehave been several interpretations of Austrian neutrality and its role in security policy, which is why this article takes a diachronic approach. First, it focuses on the discussions surrounding the declaration of neutrality and the fear shared by many states that a neutral Austria could become Europe\u27s Trojan horse. Austria\u27s "active neutrality policy" is then discussed: Despite diplomatic successes, which were due to a large extent to Bruno Kreisky, there were persistent doubts about Austria\u27s ability to effectively defend its neutrality and territory. In a third part, the role of neutrality in security and defence policy since the 1990s and the accusation that Austria is a security policy free rider within the European Union are examined
Jenseits der Neutralität
If Austria wants to be perceived as a serious partner and co-owner of the European integration project, it must actively contribute to European security. Security policy is the responsibility to protect population, territory and institutions in the light of respective conditions and challenges. In view of the Russian war of aggression, Austria should urgently take a closer look at its current and strategic security policy options. Without blindfolds, within the framework of neutrality, but also beyond it. Neutrality is a false protective shield. Wishful thinking cannot provide protection. Neutrality does not help against violent aggressors who respect neutrality just as little as they respect international law, basic political rules and the fundamental prohibition of violence. Even an active neutrality policy or military neutrality is not a mandate for petrifaction but rather requires ongoing adaptation to the respective security policy circumstances and challenges. In democracies, sustainable security policy requires public awareness and debate. Establishing acomprehensive overview, soberly weigh up advantages and disadvantages, recognize the outdated and leave it behind - this is the essence of the self-determined citizen, and this is what freedom thrives on. In the long run, you only have what you are willing to defend.Will Österreich als ernstzunehmender Partner und Miteigentümer des europäischen Einigungsprojektes wahrgenommen werden, muss es aktiv zur europäischen Sicherheit beitragen. Sicherheitspolitik ist der Auftrag zum Schutz von Bevölkerung, Territorium und Institutionen im Kontext der jeweiligen realen Bedingungen. Die Republik Österreich sollte angesichts des russischen Aggressionskrieges ihre tatsächlichen sicherheitspolitischen strategischen Optionen dringend genauer prüfen. Scheuklappenfrei, im Rahmen der Neutralität, aber auch jenseits derselben. Neutralität ist ein trügerisches Schein-Schutzschild. Wunschdenken schützt nicht. Gegen Gewalttäter hilft keine Neutralität, weil Aggressoren Neutralität genauso wenig respektieren wie Völkerrecht, politische Grundregeln und das Gewaltverbot. Selbst eine aktive Neutralitätspolitik oder militärische Neutralität ist kein Auftrag zur Versteinerung, sondern erfordert die laufende Anpassung an die jeweiligen sicherheitspolitischen Gegebenheiten und Herausforderungen. Ernsthafte Sicherheitspolitik kommt in einer Demokratie nicht ohne öffentliche Diskussion aus. Sich selbst ein möglichst umfassendes Bild zu machen, Vorteile und Nachteile nüchtern abzuwägen, Überholtes zu erkennen und allenfalls hinter sich zu lassen – das ist das Wesen des selbstbestimmten Bürgers, davon lebt Freiheit. Auf Dauer hat man nur, was man auch zu verteidigen gewillt ist
Benjamin A. Schupmann (2024): Democracy despite Itself: Liberal Constitutionalism and Militant Democracy
Katharina Bluhm (2023): Russland und der Westen. Ideologie, Ökonomie und Politik nach dem Ende der Sowjetunion
Austrian Neutrality from the Perspective of the Catholic Peace Ethics
This article discusses Austrian neutrality from the perspective of Catholic peace ethics. In a first step, Austria\u27s independence in 1955, a peace-oriented understanding of neutrality and a certain opportunistic tendency are named as three reasons for the Austrian population\u27s strong support for neutrality, which are then critically discussed in a second step from the perspective of peace ethics. This is done above all by contrasting the approaches of Carl Schmitt, who wants to preserve neutrality as an instrument of containment in a world of war, and Hans Kelsen, who wants to secure peace through law and can therefore no longer give neutrality a place in an order of collective security. The Catholic peace ethics is closer to Kelsen than to Schmitt. Neutrality is neither good in itself nor fundamentally pacifist. However, it can contribute to peace under certain circumstances. In a final section, two proposals for a new understanding of Austrian neutrality within Europe are considered, with Austria\u27s support for the Treaty on the Prohibition of Nuclear Weapons and a possible increased focus on methods of social defense.Dieser Beitrag diskutiert die österreichische Neutralität aus der Sicht der katholischen Friedensethik. In einem ersten Schritt werden mit der 1955 gewonnenen Unabhängigkeit Österreichs, einem auf Frieden ausgerichteten Neutralitätsverständnis und einer gewissen opportunistischen Tendenz drei Gründe für die große Zustimmung der österreichischen Bevölkerung zur Neutralität genannt, die dann in einem zweiten Schritt aus friedensethischer Sicht kritisch diskutiert werden. Dies geschieht vor allem mittels einer Gegenüberstellung der Zugänge von Carl Schmitt, der die Neutralität als Hegungsinstrument in einer Welt des Krieges bewahren will, und von Hans Kelsen, der den Frieden durch Recht sichern will und deshalb in einer Ordnung kollektiver Sicherheit der Neutralität keinen Platz mehr einräumen kann. Die katholische Friedensethik steht näher bei Kelsen als bei Schmitt. Die Neutralität ist weder an sich gut noch grundsätzlich pazifistisch. Sie kann aber unter bestimmten Umständen zum Frieden beitragen. In einem abschließenden Abschnitt werden mit Österreichs Unterstützung des Atomwaffenverbotsvertrags und einer möglichen verstärkten Hinwendung zu Methoden der sozialen Verteidigung zwei Vorschläge für ein neues Verständnis der österreichischen Neutralität innerhalb Europas angedacht
Die Ideologie der "ganz normalen Leute"? Eine Analyse des Antisemitismus als weltanschauliche Basis der Corona-Proteste in Wien
Protests against the Corona pandemic containment measures have been a major feature of political events over the past years. Previous empirical studies agree that the protests were characterized by conspiracy myths, anti-modern attitudes, and an unwillingness to engage in real political change. However, they only sporadically mention the manifold antisemitism within the protest movement. In order to reveal this characteristic of the protests in detail, this study examines the signs and banners designed by the demonstrators on the basis of more than 80,000 photographs documenting the demonstrations in Vienna from April 2020 to the end of February 2022 and thus depicting their development over time. The central findings of this research are a deeply rooted and shared antisemitism among the participants, which expresses itself in a tendency toward radicalization. This comes to a head over the course of almost two years, from accusations of lying about the dangerousness of Covid-19 to the construction of an almost omnipotent small foreign group controlling events for profit. Contemporary antisemitism is expressed through a mass identification of the protesters with the victims of the Shoah and thus at the same time the relativization of the crimes, which is a new phenomenon.Die Proteste gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie prägten das politische Geschehen in den vergangenen Jahren in erheblichem Maße. Bisherige empirische Untersuchungen stellen übereinstimmend fest, dass die Proteste von Verschwörungsmythen, anti-modernen Haltungen sowie dem Unwillen, sich für realpolitische Veränderungen einzusetzen, geprägt waren. Sie benennen dabei allerdings den mannigfaltig vorhandenen Antisemitismus innerhalb der Protestbewegung nur sporadisch. Um dieses Charakteristikum der Proteste im Detail aufzuzeigen, untersucht die vorliegende Arbeit die von den Demonstrierenden gestalteten Schilder und Transparente anhand von mehr als 80.000 Fotografien, welche die Demonstrationen in Wien von April 2020 bis Ende Februar 2022 dokumentieren und somit deren zeitliche Entwicklung abbilden. Zentrale Erkenntnisse dieser Forschung sind ein tief verankerter und geteilter Antisemitismus unter den Teilnehmenden, der sich in einer Radikalisierungstendenz ausdrückt. Diese spitzt sich im Laufe von fast zwei Jahren vom Vorwurf der Lüge bezüglich der Gefährlichkeit von Covid-19 bis zur Konstruktion einer das Geschehen aus Profitgier steuernden, fast allmächtigen kleinen Fremdgruppe zu. Darunter zeigt sich insbesondere der zeitgenössische Antisemitismus durch eine massenhafte Identifizierung der Protestierenden mit den Opfern der Shoah und damit gleichzeitig der Relativierung der Verbrechen, als ein in dieser Form neues Phänomen
Neither Self-Defence nor Solidarity: Assessing Austria’s Neutrality
Perpetual neutrality not only has a passive – abstaining from interference in inter-state warfare –, but also an active dimension: the duty to maintain the capacity to defend oneself independently. Yet, Austria is neither sufficiently willing – according to polls – nor able to do so. Rather, it has effectively outsourced its security. As a post-heroic society, Austria engages in cherry-picking to enjoy the benefits of neutrality while ignoring the corresponding obligations.Die immerwährende Neutralität hat nicht nur eine passive – das Heraushalten aus zwischenstaatlichen Kriegen –, sondern auch eine aktive Dimension: Die Verpflichtung, sich eigenständig verteidigen zu können. Dazu ist Österreich Umfragen zufolge weder ausreichend willens noch fähig. Vielmehr hat es seine Sicherheit faktisch ausgelagert. Als postheroische Gesellschaft betreibt Österreich sicherheitspolitisches Rosinenpicken, es genießt die Vorteile der Neutralität, ohne den damit verbundenen Pflichten nachzukommen