Bohemia - Zeitschrift für Geschichte und Kultur der böhmischen Länder

Kliems, Alfrun

Alfrun KliemsZ W I S C H E N  P R A G  U N D  B E R K E L E Y,  F O R S C H E N  U N DÜ B E R S E T Z E N :  WA LT E R  S C H A M S C H U L A  ( 1 9 2 9 - 2 0 2 4 )Wen zuerst loben, den Wissenschaftler Walter Schamschula, der mit seiner dreibän-digen Geschichte der tschechischen Literatur der deutschen Bohemistik einen uner-messlichen Dienst erwiesen hat, und nicht nur ihr? Oder den Übersetzer WalterSchamschula, der sowohl Karel Hynek Máchas tschechisches Versepos „Máj“ (Mai)ins Deutsche übertrug als auch aus dem Polnischen Adam Mickiewiczs „Dziady“(Die Ahnenfeier) – und damit gleich zwei Meisterwerke der europäischen Romantik. Walter Schamschula wurde am 23. Dezember 1929 als Sohn eines kaufmännischenAngestellten in Prag geboren, wuchs dort zweisprachig auf, ging auf das Gym-nasium, das auch schon Max Brod, Rainer Maria Rilke und Franz Werfel besuchthatten. Ende der 1930er Jahre zogen die Schamschulas der Arbeit des Vaters wegennach Karlsbad. Nach Kriegsende fiel die Familie der Vertreibung der Deutschen zumOpfer, wurde enteignet und verließ 1946 die Tschechoslowakei. Das Abitur machteder Sohn dann wenige Jahre später in Schwäbisch-Gmünd. Studium und Qualifikation absolvierte er im pünktlichen Zehnjahrestakt: 1950beginnt er Slawistik, Romanistik, Anglistik und Germanistik zu studieren, in Frank-furt, Paris und Marburg. 1960 folgt die Promotion zum Thema „Der russische histo-rische Roman vom Klassizismus bis zur Romantik“ (1961) in Marburg, 1970 habili-tiert er sich mit „Die Anfänge der tschechischen Erneuerung und das deutscheGeistesleben“ (1973) in Frankfurt. Anschließend beginnt Schamschula zwischenAmerika, das er von einer Gastprofessur bereits kennt, und Deutschland zu pendeln,wo er zwischen den Lehrstühlen in Frankfurt und Bamberg wählen kann. Mitte der1980er Jahre entscheidet er sich endgültig für die University of California Berkeley,an der er bis zu seiner Emeritierung 1994 lehrt. Walter Schamschula, der Prager, Böhme und Deutsche wird an der kalifornischenWestküste heimisch und beliefert von dort aus die deutsche Slawistik so produktivwie kaum ein Ansässiger. Er war ein Entdecker, ein Aufdecker von gut gemeintenFälschungen (Igor-Lied), von vergessenen Ursprüngen (Mastičkář), von zweifelhaf-ten Vorlagen (Tkadleček und Ackermann), ideologischen Zuschreibungen (Stände-satire). Selbst eher empirisch denn theoretisch arbeitend, zeichnete er doch für einenbedeutenden Theorieschub in der deutschen Philologie verantwortlich, indem er diePrager Strukturalisten übersetzte. Zu ihnen gehörte unter anderen sein Freund JiříLevý, dessen Hauptwerk „Die literarische Übersetzung. Theorie einer Kunst-gattung“ Schamschula 1968 ins Deutsche übertrug. Levýs Überlegungen zur Kunstdes Übersetzens begleiteten ihn zeitlebens, zumal bei literarischen Arbeiten, die erüberraschend furchtlos anging, sich auf den tschechischen Jambus so beeindruckenkenntnisreich einließ wie auf die polnische Oktave. Bohemia 64 (2024) 1, 103-105So galt Máchas Versepos lange seiner euphonischen Struktur, der Lautinstrumen-tation wegen als unübersetzbar. Schamschula wagte es 1983 dennoch, die bunteKlangwelt Máchas, seine Musikalität zu übertragen: „Wir Deutschen haben gegenü-ber dem Hauptwerk Máchas eine Bringschuld.“ Schamschulas deutscher Version desPoems folgte erst dreißig Jahre später eine Neuübersetzung des jungen OndřejCikán aus Wien.Während sich Schamschula bei Máchas „Máj“ immerhin auf mindestens vier voll-ständige, wiewohl unvollkommene Übertragungen vor ihm stützen konnte, war er1991 gerade einmal der zweite, der nach Siegfried Lipiner Mickiewiczs „Ahnenfeier“komplett ins Deutsche brachte; zuvor kursierten sonst nur Teilübersetzungen.Zwischen der ersten Übersetzung von 1887 und Schamschulas Version liegen alsomehr als einhundert Jahre Sprach- und Rezeptionsgeschichte. Die „Ahnenfeier“ istein Monstrum, ein Referenzungetüm und gigantisches Dramenfragment faustischerNatur; aber das scheint Schamschula eher gereizt, denn abgeschreckt zu haben. Alsihm sein Büronachbar in Berkeley, Czesław Miłosz, vorschlug, auch noch den zwei-ten großen Romantiker Polens ins Deutsche zu bringen, nahm er diese Heraus-forderung an und beendete 1998 die deutsche Version eines weiteren lyrischenVersepos, „Król Duch“ (König-Geist) von Juliusz Słowacki. Abermals ein Literatur-Brocken von einem Text-Torso, ein unvollendet gebliebener mystischer Gang durchdie historischen Geschicke eines gespenstischen Polen. Forschen und Übersetzen gingen bei Schamschula stets in eins. Seine philologischgenau reflektierten Übersetzungen begleitete er mit klugen Kommentaren und wis-senschaftlichen Einordnungen; er war Übersetzer-Philologe so sehr wie Übersetzer-Dichter. Unter den eigenständigen Arbeiten ragt die eingangs schon angesprochene „Ge-schichte der tschechischen Literatur“ (1990-2004) heraus. Sie ist aus einer stupendenMaterialbeherrschung geschöpft; Ludger Udolph bemerkte, er kenne keinen ande-ren deutschen Bohemisten, der die tschechische Literatur so souverän von ihrenUrsprüngen bis in die Gegenwart überblicke.1 Mit Georg Escher: „Im Alleinganghat er eine Darstellung erarbeitet, die hohen Ansprüchen auf enzyklopädischeVollständigkeit und Zuverlässigkeit genügt, so dass wir jetzt das seltene Glückhaben, über eine homogene und umfassende Historiografie einer literarischen Tradi-tion auf höchstem wissenschaftlichem Niveau zu verfügen.“ 2In der Tat, ein seltenes Glück, das nicht viele der „Kleinen Literaturen“ haben.Selbst die polnische nicht, deren Historie sich das deutschsprachige Lesepublikumaus vielen Einzelbänden zusammenklauben muss, um am Ende nicht annähernd inder Tiefe informiert zu sein, wie nach der Lektüre von Schamschulas tschechischerLiteraturgeschichte. In seinen letzten Forscherjahren hat Walter Schamschula sich der Folklore-Epikzugewandt, den slawischen Sängerepen. In „Vom Mythos zum Epos. Die Wege derBohemia Band 64 (2024)1041 Udolph, Ludger: Walter Schamschula zum 80. Geburtstag. In: Bulletin der deutschen Sla-vistik 16 (2010) 40-43.2 Escher, Georg: „… Dieses Tagebuchführen einer Nation“. Walter Schamschulas Geschichteder tschechischen Literatur. In: Kakanien Revisited 23.05.2006, 4, URL: https://www.kakanien-revisited.at/rez/GEscher2.pdf (letzer Zugriff 03.04.2025).slawischen Sängerepik“ (2012) spürte er den Relikten der Griechen, Skythen,Sarmaten und anderer alter Kulturen in der slawischen Epik nach, fragte, ob und wiesie mit diesen frühgeschichtlichen mythischen Quellen verbunden sei. Entgegen bis-heriger Annahmen fand er mehr Gemeinsames als Trennendes zwischen der slawi-schen Volksballade und beispielsweise der homerischen Dichtung. Wie Überbleibseleines archaischen sakralen Idioms hätten sich mythische Topoi und epische Formeln,das Erbe der antiken Götterwelt und heidnischer Naturreligionen in der slawischenVolksdichtung eingelagert. Diese enge geistige Verbindung der Slawen mit derarchaischen Mythenwelt sucht Schamschula auf breiter Materialbasis nachzuweisen.Ein revolutionäres Alterswerk.Mit Walter Schamschula, der 1975 Mitglied des Collegium Carolinum wurde, ver-liert München einen großen Freund, einen Mitstreiter und feinsinnigen Mit-Denkeraus der Ferne. Wobei, wirklich fern war er in den USA für das Collegium nie, ganzim Gegenteil gehörte Schamschula lange Jahre zum Redaktionskreis der ZeitschriftBohemia.Am 13. Februar 2024 ist Walter Schamschula im Alter von 94 Jahren in Hunstville,Alabama gestorben. Kliems: Zwischen Prag und Berkeley, Forschen und Übersetzen 105

German

Zwischen Prag und Berkeley, Forschen und Übersetzen:Walter Schamschula (1929-2024)

Domke, Damian

ge interessante Detailfragen, wie die Einflussnahme Roms auf die Wahl von EdvardBeneš zum tschechoslowakischen Präsidenten im Jahr 1935 oder dazu, wie sich derPrager Nuntius während der Sudetenkrise 1938 genau positionierte, finden sich indem Buch keine neuen Erkenntnisse und Šmid hütet sich trotz seines profundenHintergrundwissens hier wie auch an anderer Stelle vor Spekulationen.Im Unterkapitel über die Protektoratszeit erinnert der Autor an tschechische undsudetendeutsche Märtyrer wie den 1945 im KZ Dachau verstorbenen und 2016 seliggesprochenen Priester Engelmar Unzeitig (S. 247). Die von den deutschen Bischöfenunterstützte Neugliederung der Diözesangrenzen in Böhmen und Mähren erwähnter aber nur beiläufig, obwohl er selbst bereits über das Verhältnis des Vatikans zuHitlerdeutschland gearbeitet hat.6Für die Jahre nach 1950 liegt der Schwerpunkt der Darstellung einerseits auf denvon kommunistischer Seite inhaftierten Bischöfen, die zum Teil Exil im Vatikan fan-den, andererseits auf der vatikanischen Außenpolitik gegenüber dem Ostblock(„Ostpolitik“). Aufgrund der Restriktionen, die die kommunistische Regierung derKommunikation mit dem Vatikan auferlegte, bildete für die tschechoslowakischenKatholiken der vatikanische Rundfunk eine der wenigen Möglichkeiten zur Kon-taktaufnahme (S. 310 f.) Etwas zu kurz kommt bei Šmid bedauerlicher Weise dietschechoslowakische Untergrundkirche, die der Vatikan grundsätzlich unterstütze. Obwohl die Tschechoslowakei 1991 erneut diplomatische Beziehungen zum Vati-kan aufnahm, erreichten diese nie wieder die Bedeutung, die sie einst gehabt hatten.Das galt umso mehr nach der Auflösung der Tschechoslowakei. Nachdem bereitsder Besuch von Papst Johannes Paul II. in Prag im Jahr 1990 eher ernüchternd aus-gefallen war, ging die Zahl der Katholiken in Tschechien kontinuierlich zurück,wenngleich die vom Autor angegebene Abnahme von 39 Prozent der Gesamtbevöl-kerung im Jahr 1991 (S. 455) auf nur noch gut 10 Prozent 2011 (S. 455) etwas über-trieben erscheint. Trotz gewisser Defizite hat Šmid mit seiner umfassenden Forschungserfahrungauf diesem Gebiet eine wertvolle Darstellung geliefert, die die bisherige Forschungzusammenfasst und auch die internationale Literatur zur vatikanischen Außen-politik einbezieht. Es wäre dem Buch deshalb zu wünschen, dass viele Bibliothekenauch in Deutschland es anschaffen. Julbach Martin Renghart 6 Šmid, Marek: Vatikán a německý Nacismus 1923-1945 [Der Vatikan und der deutscheNationalsozialismus]. Praha 2019; Ders.: Vatikán a druhá světová válka [Der Vatikan undder Zweite Weltkrieg], Brno 2021.Jürgens, Henning P./Wien, Ulrich A. (Hgg.): Rezeption und Memoria der Refor-mation im östlichen Europa. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2024, 227 S., 28 farbige Abb. (Veröffentlichungen desInstituts für Europäische Geschichte Mainz, Beiheft 142), ISBN 978-3-525-57147-7.Dieser Band präsentiert die Ergebnisse einer Tagung, die vom 7. bis 9. März 2018 inMainz stattgefunden hat und den zweiten Teil einer Tagungsreihe unter dem Über-thema „Die Reformation im östlichen Europa“ bildete. Nachdem die erste TagungRezensionen 411sich den „Reformatorischen Netzwerken im östlichen Europa“ gewidmet hatte, gingdiese zweite der Frage nach, wie die Reformation in Ostmittel- und Südosteuroparezipiert und in der Memoria dieses geografischen Raumes verankert wurde. Dabeiwird von der Prämisse ausgegangen, dass der pluriethnische Kontext dieser Region,in dem die verschiedenen Ethnien auf ihre eigene Weise ein Nationalbewusstseinausbildeten, auch zu einer regional unterschiedlichen Rezeption der Reformationund ihrer Geschichte geführt hat und das konfessionelle Bewusstsein unterschiedlichprägte. Die elf Beiträge dieses Bandes thematisieren die Frage nach der Reforma-tionsmemoria einerseits mit Blick auf einzelne geografische Räume des östlichenZentraleuropa – von Pommern über Böhmen, Schlesien und Ungarn bis hin insZarenreich – andererseits unter Einbeziehung einer großen Bandbreite (kultur-)historischer Gegenstände, wie etwa der Historiografie, der Kunst und Architektur,der Literatur und auch der Festkultur. Zoltán Csepregi kann in seinem Aufsatz zeigen, dass im Königreich Ungarnbereits im ausgehenden 16. Jahrhundert umfang- und detailreiche Schriften und Fest-bzw. akademische Reden abgefasst wurden, die eine Memorialkultur auf unmittel-baren Erfahrungen und lebendigen Überlieferungen aufbauten. Im Laufe des17. Jahrhunderts konkurrierten dann Vertreter der verschiedenen Konfessionen umdie Deutungshoheit über die ungarische Reformation, wobei sich vor allem auf pro-testantischer Seite in der Folge der zahlreichen Verfolgungswellen eine systematischeKirchenhistoriografie entwickelte – zu nennen sind hier vor allem die Micae desJohannes Burius des Älteren, mithilfe derer eine Erinnerungstradition für die eige-nen Zwecke konstruiert wurde. Eva Kowalská fragt nach den Bedingungen einer durch die Konfessionalisierungstark polarisierten „slowakischen“ Geschichtsschreibung und ihrer weiteren Ent-wicklung. Sie stellt fest, dass die ersten slowakischen Werke der Theologie in derzweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts im Kontext der innerprotestantischen Ausein-andersetzungen zwischen Gnesiolutheranern und Kryptocalvinisten gefertigt wur-den, wobei auch eine volkssprachliche religiöse Terminologie entstand. Bei derVerarbeitung der Reformation bildeten sich zwei diametral unterschiedliche Inter-pretationen heraus: Während die Katholiken die neue Lehre mitsamt ihrer Sprache –dem Bibel-Tschechischen – als Häresie ablehnten, wurde diese bei den Lutheranernzu dem identitätsprägenden Element schlechthin. Dabei betrachteten sich die slowa-kischen Lutheraner des 17. und 18. Jahrhunderts als Bewahrer der tschechischenReformation. Diesen Gedanken entwickelten sie bis zur Idee einer slawischen Na-tion weiter, die katholische Historiker strikt ablehnten. Die Festkultur der preußischen Städte Danzig, Thorn und Elbing anlässlich derReformationsjubiläen von 1717 und 1730 steht im Mittelpunkt von Edmund KiziksAnalyse. Neben einer detaillierten Beschreibung der einzelnen Abläufe stellt derAutor heraus, dass die Feierlichkeiten – wie der Autor am Beispiel des Jubiläums1717 in Falle demonstriert – eine sehr gute Gelegenheit boten, um innerlutherischeStreitigkeiten zu klären und sich gegen den aufkommenden Pietismus zu positionie-ren. Wojciech Kriegseisen vollzieht in seinem Beitrag nach, wie die polnische Historio-grafie des 20. Jahrhunderts die Reformation im Königreich Polen und ihre Ent-Bohemia Band 63 (2023)412wicklung bis zum 17. Jahrhundert deutete und darstellte. Stand zu Beginn des Jahr-hunderts der Katholizismus von Historikern wie Oskar Halecki einer neutralenBewertung der polnischen Reformation nicht im Wege, so gab das kommunistischeRegime ab 1948 mit dem „antifeudalen Klassenkampf“ ein verbindliches Deutungs-muster vor. Die gesellschaftlichen Veränderungen nach 1968 führten schließlich zueiner Übernahme des kulturhistorischen Ansatzes, der bis zum Ende des 20. Jahr-hunderts angewandt wurde. Joachim Krüger untersucht profane und kirchliche Kunstwerke Pommerns vonder frühen Neuzeit bis hin zum 20. Jahrhundert als reformatorische Erinnerungs-orte. Während man in der Vormoderne mit der Darstellung Luthers, Bugenhagensund Melanchthons ein klares Bekenntnis zum Luthertum ausdrückte und sichgleichzeitig vom Calvinismus abgrenzte – eine Haltung, die sich mit der Teilung desHerzogtums nach dem Dreißigjährigen Krieg verschärfte – verschob sich die Auf-merksamkeit im 20. Jahrhundert, und insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg, aufdie Abbildung des gebürtigen Pommeraners Bugenhagen, der für seine Verdiensteum die Kirche der Region geehrt wurde. Eine andere Perspektive auf die Bedingungen der reformatorischen Erinnerungs-kultur präsentiert Roland Gehrke in seiner Untersuchung zu Schlesien. Anhand derso genannten Friedens- und Gnadenkirchen kann er zeigen, dass hier der Fokusweniger auf das Ereignis „Reformation“ gelegt wurde, als vielmehr auf die „Selbst-behauptung der eigenen konfessionellen [protestantischen/D.D.] Identität“ inAbgrenzung zur von den Habsburgern initiierten Gegenreformation. Bei denGnadenkirchen fanden dabei Elemente einer borussisch-nationalen Memoria in dasSelbstverständnis. Johannes Hund macht die Beobachtung, dass die Lutheraner, die sich im Zuge vonDeportation und Immigration im Russischen Reich ansiedelten, eine entscheidendeRolle für die anti-aufklärerische Politik der Zaren des 18. und 19. Jahrhunderts spiel-ten. Beim Reformationsjubiläum von 1830 hatte die verstaatlichte lutherische Kirchedas Augsburger Bekenntnis traditionsgemäß auszulegen und „dogmen- und herr-schaftskritische Gedanken“, zum Beispiel aus dem aufklärerischen Gedankengut derFranzösischen Revolution, in den entsprechenden Veröffentlichungen zu unterlas-sen. Die Einhaltung dieser Vorschriften wurde mittels universitärer Zensur durchge-setzt. Die Reformationsjubiläen in den böhmischen Ländern von 1617 bis 2017 stehenim Mittelpunkt von Martin Wernischs Untersuchung. Im Zuge der massiven Gegen-reformation wurde die Memoria auch von katholischer Seite stark vereinnahmt undgleichsam in ein Anti-Jubiläum überführt. Seit der Toleranzpolitik Kaiser Josephs II.im 18. Jahrhundert stand sie allerdings immer  mehr „unter dem Vorzeichen des poli-tischen Ökumenismus“, wobei die Erinnerungskultur im Folgejahrhundert auf pro-testantischer Seite durch preußischen Einfluss um ein Nationalbewusstsein und –ausgelöst durch kulturprotestantische Strömungen – eine völkische Komponenteerweitert wurde. Timo Hagen konzentriert sich in seiner kunsthistorischen Untersuchung darauf,wie das 400-jährige Jubiläum von Martin Luthers Geburt im Jahr 1883 in Sieben-bürgen begangen wurde. Die Siebenbürger Sachsen orientierten sich bei der Kon-Rezensionen 413zeption von Sakralbauten, wie etwa dem Lutherhaus in Siebenbürgen, am Eise-nacher Regulativ des Deutschen Bundes und ließen in ihren Festpredigten und musi-kalischen Darbietungen patriotische und nationale Motive erkennen, welche„Luthers Reformation als nationales Schlüsselereignis“ und „Befreiungskampf“ deu-teten. Als umfassende Ergänzung hierzu kann man Ulrich A. Wiens diachrone Analyseder Reformationsmemoria der Siebenbürger Sachsen vom 17. bis ins 20. Jahrhundertverstehen. Wien hebt hervor, dass die siebenbürgische Memoria-Tradition spätestensab 1817 maßgeblich von aufklärerischen bzw. rationalistischen Denkmustern ge-prägt war, welche sich in ethischer Sicht in der Betonung eines „diakonischenNächstendienstes“ ausdrückte. Gründungen wie die Pflegeanstalt in Hermannstadtund ein Waisenhaus in Birthälm entstanden aus diesem Geist.Schließlich analysiert Robert Bonn die Bildkunst Ostmitteleuropas unter beson-derer Berücksichtigung von Darstellungstypen und Kommemorationspraktikenvom 16. bis ins 19. Jahrhundert. Er kann zeigen, dass die protestantische Bild-programmatik bis ins späte 17. Jahrhundert in besonderem Maße Verfolgung undMartyrium mit dem dazugehörigen Ideal der Standhaftigkeit im Glauben zeigte,während der Katholizismus eine besondere Betonung auf antiprotestantische Glau-benssätze, wie etwa der Pietas Mariana, legte, um im städtischen Raum die Deu-tungshoheit zu gewinnen. In der Zeit nach dem Wiener Kongress dagegen konntesich das kaiserliche Österreich als Toleranzstaat inszenieren, in dem den Protes-tanten zum Jubiläum von 1817 eigene Lutherbildnisse und Gedenkmünzen erlaubtwaren. Die Beiträge demonstrieren auf gelungene Weise zwei Aspekte: Zum einen be-leuchten sie die Komplexität und Vielfalt der religiösen Memorialpraxis der Vor-moderne und Neuzeit, die eine Vielzahl an Ausprägungsformen annehmen konnte.Zum anderen erhellen sie mit dem Blick auf das östliche Europa einen geografischenRaum, der in Bezug auf die Reformation und ihre Rezeption vergleichsweise wenigerforscht wurde. Da die Beiträge exemplarisch gehalten sind, also in der Regel einenkonkreten Gegenstand in einer ganz konkreten Region und Zeitspanne untersuchen,können sie als Startpunkt für weitere umfangreichere Studien betrachtet werden.Das macht den vorliegenden Band zu einem wertvollen Beitrag zur Memorial-forschung. Heidelberg Damian DomkeJaniš, Dalibor: Landfrýdy jako pramen zemského práva na stavovské Moravě[Landfrieden als Quelle des Landrechts im ständischen Mähren].Ostravská Univerzita, Scriptorium, Ostrava, Dolní Březany 2023, 462 S., zahlr. Abb., 22 far-bige Beilagen, ISBN 978-80-7599-366-3 (Ostravská Univerzita), ISBN 978-80-7649-043-7(Scriptorium).Im September 1434, ganz am Ende des ersten Hussitenkrieges (1420-1434), be-schloss der im südmährischen Brünn (Brno) versammelte und von den Ständen zahl-reich frequentierte Landtag der Markgrafschaft den Abschluss eines für die Dauervon fünf Jahren geltenden Landfriedens. Es handelte sich um die erste derartigeBohemia Band 63 (2023)414

Jürgens, Henning P./Wien, Ulrich A. (Hgg.): Rezeption und Memoria der Reformation im östlichen Europa

Gieseke, Jens

schuldet. Auch die damit verbundene (über)komplexe Begründung einer „non-line-ar historiography“ irritiert, erscheint diese Vorgehensweise doch unmittelbar ein-sichtig und auch nicht so außergewöhnlich. Dafür werden andere Aspekte, Begriffeund Konzepte kaum erläutert oder tauchen einfach auf, teilweise erst in derConclusion: beispielsweise das Framing von Gesundheitsfilmen als „fantasy“(S. 236) oder die Einordnung in den zuvor nicht benannten Forschungsansatz der„medical culture“ (S. 240). Der wiederum von Beginn an für die wiederkehrendenNarrative und Topoi genutzte, an den französischen Semiotiker Claude Bremondangelehnte Begriff „regimes of authenticity“ wirkt eher wie ein bemüht ungewöhn-liches Label ohne zusätzlichen Erkenntnisgewinn, genauso wie der zur Charakte-risierung einiger Filmfiguren genutzte Begriff der „ant-personality“. Die Auswahlder Länder Tschechoslowakei und Jugoslawien als Stellvertreter für die ganze Re-gion wird nicht begründet. Genauso wird auf die Einflechtung historischenKontextwissens über die Region und ihre Geschichte weitgehend verzichtet.All das sind Faktoren, die die Zugänglichkeit des präsentierten Wissens erschwe-ren. Das ist sehr schade, denn die Untersuchung ist tiefgründig und detailreich, aller-dings kaum in die breitere historische Forschung eingebettet, sodass Ansatzpunktebeim Lesen selbst gesucht werden müssen. Es bleibt also ein zwiespältiger Eindruckzwischen neuen, wichtigen Zusammenhängen und Inspiration auf der einen undÜberkomplexität, Lücken und losen Enden auf der anderen Seite.Kiel Frank Henschelvon Puttkamer, Joachim: „Ich werde mich nie an die Gewalt gewöhnen“. Polizei-brutalität und Gesellschaft in der Volksrepublik Polen.Hamburger Edition, Hamburg 2022, 599 S., Abb.,  ISBN 978-3-86854-367-4.Joachim von Puttkamer legt mit seiner Studie über Polizeibrutalität und Gesellschaftim kommunistischen Polen eine beeindruckende Untersuchung vor, die über diegesamte Existenzzeit der Volksrepublik reicht und sich nicht auf Gewaltakte gegenim engeren Sinne politische Opponenten beschränkt, sondern auch die breite Zonedes Alltagshandelns der „Bürgermiliz“ erfasst. Es geht um unterschiedliche Formenexzessiver Polizeigewalt, von Schlägen in der Ausnüchterungszelle über Todes-schüsse bis zum Einsatz von Polizeiformationen gegen Demonstranten. Ein wesent-licher Topos ist das Vorgehen gegen „Hooliganismus“, unter dem in diesem Zusammenhang das „Über-die-Stränge-schlagen“ überwiegend männlicher, proleta-rischer Jugendlicher, aber auch Erwachsener zu verstehen ist. Meist war bei solchenVorfällen Alkohol im Spiel – durchaus auch auf Seiten der Miliz. Die Definitionsfrage, was „Polizeibrutalität“ ist, führt zum roten Faden derStudie, nämlich zu den zeitgenössischen Auseinandersetzungen um legitime und ille-gitime Einsätze der Miliz. Die so ausgebreitete Gesellschaftsgeschichte polizeilichenHandelns lebt von der unablässigen Interaktion zwischen Befehlsgebern, Polizistenim unmittelbaren Einsatz, Opfern von Polizeigewalt und den verschiedenen Seg-menten der polnischen Öffentlichkeit, vor allem der Oppositionsmedien des „Zwei-ten Umlaufs“. Diesem breiten Ansatz folgend, schreitet von Puttkamer zu BeginnBohemia Band 63 (2023)360die Theorieangebote der Gewalt- und Polizeisoziologie und -historiografie ab, ohnesich jedoch etwa auf Randall Collins’ situationsbezogene Erklärungen festzulegen. Im Vergleich mit anderen sozialistischen Staaten ist es geradezu frappierend, wieintensiv Polizeihandeln in der polnischen „zweiten“ Medienöffentlichkeit, aber auchvor staatlichen Gerichten zum Thema werden konnte. Von Puttkamer kann so einefacettenreiche Szenerie beleuchten, sowohl in Hinblick auf die Gewaltexzesse selbstals auch in Hinblick auf ihre Skandalisierung, die besonders in den 1970er Jahrenerhebliche mobilisierende Wirkung für die Opposition insgesamt hatte. Auffällig ist,dass im Fall Polen die Unterscheidung einer stalinistischen und einer poststalinisti-schen Phase, wie wir sie etwa aus der sowjetischen und der ostdeutschen Polizei-geschichte kennen, weniger ausgeprägt ist. Zwar führte die Entstalinisierung 1956auch hier zu einer Einhegung von terroristischer Willkür und Folter, aber Tötungs-gewalt (überwiegend durch exzessive Schläge) blieb eine relativ häufig anzutreffen-de Erscheinung. „Erwartungssicherheit“ hinsichtlich des Polizeihandelns, wie sieJörg Baberowski als Leitgedanken der „sozialistischen Gesetzlichkeit“ in der UdSSRnach Stalins Tod identifiziert hat, stellte die polnische Miliz in weitaus geringeremMaße her. Zwar gab es eine gewisse Professionalisierung, die auch westliche Einsatz-psychologie aufnahm, aber die Aufstellung der berüchtigten ZOMO-Einheiten(Zmotoryzowane Odwody Milicji Obywatelskiej, Motorisierte Reserven der Bür-germiliz) in den 1960er Jahren befeuerte eher den Korpsgeist von Spezialkomman-dos, die nicht lange fackelten, wenn es zu Protestkundgebungen auf den Straßenkam. So arbeitet von Puttkamer eine Abfolge von Schüben heraus, die von den wech-selhaften Anstrengungen des polnischen Parteistaates geprägt waren, die renitent-lebendige Gesellschaft einzuhegen. Die damit verbundenen Auseinandersetzungenblieben auf Dauer potenziell gewalttätig und führten immer wieder zu Todesopfern,die wiederum erneute Anlässe für Empörung und damit Aufruhr waren. Eigentlicher Gipfelpunkt war die Solidarność-Bewegung 1980/81: Sie setztedurch, dass frühere Opfer von Polizeigewalt durch öffentliche Mahnmale gewürdigtwurden. Gleichzeitig kam es selbst in Polizeieinheiten zu Ansätzen für die Bildungeiner eigenen Milizgewerkschaft. Diese Initiativen stellten die Autorität des Staatesund die Kontrolle der Parteiführung über die Gewaltexekutive in Frage, was auch inMoskau und Ost-Berlin registriert wurde. Das Kriegsrecht setzte all diesen Ent-wicklungen ein Ende, aber die Autorität der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei(PVAP) blieb nachhaltig geschädigt: „Tatsächlich befand sich Polen bis 1989 ineinem Schwebezustand zwischen Resignation, regelmäßiger Gewalt und drohenderExplosion.“ (S. 485)In der Gesamtschau kommt Joachim von Puttkamer zu einem abwägenden Urteil:Die beobachteten Formen und Dynamiken von Gewaltexzessen der Polizei seien„weder spezifisch für Polen noch für die kommunistische Diktatur“ (S. 559). Siezeigten eher typische Merkmale einer Polizeipolitik, die auf die Rekrutierung von„Raubeinen“ setzte und deren Machtgehabe tolerierte, wie sie auch in nichtdiktato-rischen Systemen verbreitet ist. Außerdem hätten die Gewaltakte – aufs Ganze gese-hen – die Ordnung nicht stabilisiert, sondern die Staats- und Parteiführung belastet,weil sie fortwährend für Skandale sorgten: Rezensionen 361Als die Volksrepublik auf Verlässlichkeit und Stabilität zu setzen begann, wurden die Über-griffe ihrer Beamten zu einem internen und bald auch zu einem öffentlichen Problem. […] Dievon der Miliz ausgehende Gewalt entfremdete erst die Gläubigen, dann die Intellektuellen, dieArbeiterschaft und 1976 schließlich weite Teile der Bevölkerung vom Regime. (559 f.) So resümiert von Puttkamer, es handele sich um die „Geschichte einer schleichen-den Selbstzerstörung“, und kommt zu der (aus polizeihistorischer Sicht etwas zurigoros klingenden) Schlussthese: „Ein Regime, das seine Polizei nicht verlässlichunter Kontrolle hat und sich auch nur halbherzig darum bemüht, hat so oder sokeine Zukunft.“ (S. 563)Diese These impliziert, dass die PVAP-Führung ein Interesse gehabt hätte, weni-ger außergesetzliche Gewaltakte der Polizei zu erleben oder nur solche, die sie selbst„kontrolliert“, also zum Beispiel zur gezielten Abschreckung, einsetzen konnte.Möglicherweise gab es aber durchaus ein informell tradiertes Einverständnis, dasseine Polizei nicht nur durch Kontrolle, sondern mindestens ebenso durch Loyalitätzu führen ist. Um diese interne Dynamik zu untersuchen, wäre ein tieferer Einblickin Einsatzsituationen notwendig: die Gruppenpsychologie in geschlossenen Forma-tionen bei Demonstrationseinsätzen, die Bändigung von betrunkenen Delinquentenin der Ausnüchterungszelle des Polizeireviers, das Verhör im Vernehmungszimmer,oder auch die Parteiversammlung, in der die Bedeutung der „Gesetzlichkeit“ undihre gewohnheitsrechtlichen Übertretungen intern debattiert wurden. Gerade überdie konkreten Abläufe von Gewaltakten, die Motive der Milizionäre und interneDiskurse, die diese befeuerten, rechtfertigten oder disziplinierten, liegen allerdingsoft nur fragmentarische Informationen vor. Von Puttkamers Anfrage an das Archivdes polnischen Innenministeriums hierzu lief ins Leere.Diese weiterführende Frage ist ebenso anregend wie von Puttkamers Studie ins-gesamt. Sie bietet reichhaltigen Stoff für die Analyse der Herrschaftspraktiken in derpolnischen Gesellschaft, und liefert damit zugleich einen inspirierenden Beitrag füreine vergleichende Polizeigeschichte kommunistischer Diktaturen.Potsdam Jens GiesekeHlaváček, Jiří (ed.): Mezi pakárnou a službou vlasti. Základní vojenská služba(1968-2004) v aktérské reflexi [Between a Nuthouse and Service to the Country.Basic Military Service (1968-2004) in the Reflections of the Actors]. Academia, Praha 2021, 448 pp. ISBN 978-80-200-3332-1.This important volume covers the experiences of military service in the Czecho-slovak People’s Army from 1968 to 1989, in the post-communist CzechoslovakArmy from 1989 to 1992, and then in the Czech Army from 1993 to 2004, whenmandatory service ended and the Czech military turned fully professional. To someextent, this work fills a gap, since the post-1968 military had previously not seen alot of scholarly attention in academic circles – perhaps because the People’s Armyunder Soviet occupation and during the Normalization era seemed almost “impo-tent” and hence irrelevant for any ambitious study in social and political history. TheCzech Army, soon a NATO member, with its short history was likely more a studyobject for anthropologists than for historians and may have appeared inaccessible toBohemia Band 63 (2023)362

von Puttkamer, Joachim: „Ich werde mich nie an die Gewalt gewöhnen“. Polizeibrutalität und Gesellschaft in der Volksrepublik Polen

Krzenck, Thomas

in vorhussitischer Zeit, während der hussitische Revolution, dem Interregnum, derZeit des Kampfes um die böhmische Krone, in der Ära der Jagiellonen sowie schließ-lich der Epoche vor der Schlacht am Weißen Berg 1620.Exemplarisch beleuchtet Janiš in Kapitel drei Struktur und Inhalt mährischerLandfrieden, während das nachfolgende vierte Kapitel die Landfrieden als Be-standteil des mährischen Landrechts in den Mittelpunkt rückt, was sich unter ande-rem anhand des 1480/81 vom Landeshauptmann und späteren Oberstkanzler desKönigreichs Böhmen Ctibor Tobischau von Cimburg (um 1438-1494) verfasstenTobischauer Rechtsbuches als Sammlung mährischer Rechtsbräuche sowie gedruck-ter Landesordnungen aufzeigen lässt. Darüber hinaus analysiert Janiš die konkretenBedingungen beim Abschluss eines Landfriedens, die Autorität des Landesgerichts,aber auch Aspekte der in den Landfrieden zum Ausdruck kommenden Fragen desLandesaufgebots, des Schutzes der Münzqualität sowie der öffentlichen Wege. Dasabschließende Kapitel fünf resümiert die Bedeutung der Landfrieden als Bestandteildes Landrechts und der Ständeordnung. Eine ausführliche Zusammenfassung in eng-lischer sowie deutscher Sprache ermöglicht es dem des Tschechischen nicht kundi-gen Leser die Untersuchungsergebnisse dieser überaus wichtigen Monografie, dieeine Forschungslücke schließt, zu verstehen.Leipzig Thomas KrzenckHledíková, Zdeňka: Jan Očko z Vlašimi. První český kardinál a rádce Karla IV.[Johann Očko von Wlaschim. Der erste böhmische Kardinal und Ratgeber Karls IV.].Nakladatelství Vyšehrad, Praha 2024, 288 S., 56 Abb., ISBN 978-80-7601-960-7.Der eine Geistliche, Ernst von Pardubitz (um 1300-1364), fand seine letzte Ruhe-stätte in der Glatzer Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt, der andere Kirchenmann,Johann Očko von Wlaschim (nach 1315-1380), ruht in einer Tumba in der Kathe-drale des hl. Veit, Wenzel und Adalbert auf der Prager Burg. Ernst war 20 Jahreerster Metropolit der 1344 gegründeten Prager Erzdiözese, Johann Očko, sein un-mittelbarer Nachfolger und zudem erster böhmischer Kardinal. Beide „dienten“ sieeinem weltlichen Herrscher: Karl IV. aus dem Hause Luxemburg, römisch-deut-scher und böhmischer König, zudem seit 1355 römischer Kaiser. Und beide fandengut sechseinhalb Jahrhunderte später eine gemeinsame Biografin: Zdeňka Hledíková.Die 2018 verstorbene Autorin vorzustellen, hieße sprichwörtlich Eulen nachAthen tragen zu wollen. Ivan Hlaváček, der Grand Seigneur der tschechischenHistorischen Hilfswissenschaften, beschreibt ihre wissenschaftliche Karriere wiefolgt: Dieser am Beginn großen Hoffnung und später großen Persönlichkeit der tschechischenMediävistik, die nicht allein in die Diplomatik, Paläographie, Kirchengeschichte, Kodikologie,sondern auch in die Verwaltungsgeschichte „eingriff“, war vom Schicksal her fachlich nahezualles vergönnt, was sie sich wünschen konnte.1Rezensionen 4171 Hlaváček, Ivan: Život mezi listinami a knihami [Ein Leben zwischen Urkunden undBüchern]. Praha 2023, 304.Mit Hledíková hat Hlaváček bereits 1973 das „Protocollum visitationis archidia-conatus Pragensis annis 1379-1382 per Paulum de Janowicz archidiaconum Pra-gensem factae“ ediert, eine herausragende Quelle zum Innen- und Alltagsleben derPrager Erzdiözese. Die spätmittelalterliche Kirchengeschichte Böhmens bildeteeinen thematischen Schwerpunkt in den Forschungen Hledíkovás, wovon unteranderem die Biografie Johanns IV. von Draschitz (um 1250-1343) als letztem PragerBischof vor der Erhebung des Bistums zur Erzdiözese, eine Aufsatzsammlung zurWelt der mittelalterlichen Kirche sowie eine Monografie zu den Beziehungen zwi-schen dem avignonesischen Papsttum und den böhmischen Ländern Zeugnis able-gen.2 Hinzu kam zuletzt ein postum herausgegebener Band, der Studien der Auto-rin, diesmal als Kodikologin und Paläographin, vereint, in dem spätmittelalterlicheHandschriften böhmischer Provenienz breiten Raum einnehmen.3Ernst von Pardubitz porträtierte Zdeňka Hledíková vor eineinhalb Jahrzehntenals Erzbischof, Gründer und Ratgeber.4 Ähnlich ließe sich dessen Nachfolger JohannOčko von Wlaschim charakterisieren. In ihrer Einleitung gliedert die Autorin dieRegierungszeit Karls IV. in zwei große Teile. Das Jahr 1363/64, also die Zeit, in derErnst von Pardubitz starb und Očko von Wlaschim ihm nachfolgte, bezeichnet sieals Wendepunkt, für den die Geburt Wenzels IV. sowie die Verlagerung der Orien-tierung des Luxemburgers vom Südwesten des Reiches Richtung Norden (Lausitz,Brandenburg) ausschlaggebend waren. Diese Neuausrichtung war von einer harmo-nischen Zusammenarbeit zwischen weltlicher und geistlicher Gewalt im KönigreichBöhmen flankiert; Johann Očko sicherte hier sozusagen das „geistliche Hinterland“ab. Im Mittelpunkt der vorliegenden Biografie steht das Bemühen, Johann als „Erz-bischof am Vorabend einer neuen Frömmigkeit“ (S. 10) aus dem Dunkel hervorzu-holen und im Kontext der politischen, geistigen und kunsthistorischen Entwicklungzu verorten, was in insgesamt 13 chronologisch aufgebauten Kapiteln geschieht. AmBeginn stehen Herkunft und Anfänge, für die alle verfügbaren Quellen herangezo-gen und sorgfältig ausgewertet wurden. Johann stammte keineswegs, wie in derSekundärliteratur oft zu lesen ist, aus dem Adelsgeschlecht derer von Wlaschim, seingleichnamiger Vater kam möglicherweise aus Seitschen bei Bautzen und gelangteirgendwann nach 1315 nach Böhmen. Die soziale Herkunft und die Ehe des Vaters(matrimonium clandestinum und spätere Dispenserteilung bei Johann Očko) blei-ben mit einem Fragezeichen versehen. Was Johann Očkos Geburtsdatum betrifft,plädiert Hledíková entgegen der traditionellen, auf den barocken HistoriografenBohuslav Balbín (1621-1688) zurückgehenden Lesart für die Zeit kurz vor 1320 (S.23). Dafür führt sie überzeugende Argumente wie seine Stellung in der kirchlichenBohemia Band 63 (2023)4182 Hledíková, Zdeňka: Biskup Jan IV. z Dražic [Bischof Johann IV. von Draschitz]. Praha1991; Dies.: Svět středověké církve [Die Welt der mittelalterlichen Kirche]. Praha 2010sowie Dies.: Počátky avignonského papežství a české země [Die Anfänge des avignonesi-schen Papsttums und die böhmischen Länder]. Praha 2013.3 Dies.: Paleograficko-kodikologické etudy [Paläographisch-kodikologische Studien]. Praha2021. 4 Dies.: Arnošt z Pardubic. Arcibiskup, zakladatel a rádce [Ernst von Pardubitz. Erzbischof,Gründer und Ratgeber]. Praha 2008.Hierarchie an: Er wurde 1340 Probst an der Allerheiligen-Kapelle auf der PragerBurg, 1342 dann Domherr.Von Beginn an stand Johann Očko in Diensten Karls IV., seit 1351 als von PapstClemens VI. ernannter Bischof von Olmütz/Olomouc. Die Bischofsweihe empfinger dem Chronisten Benesch Krabitz von Weitmühl zufolge in Prag aus den Händendes Metropoliten Ernst von Pardubitz. Das bischöfliche Wappen und die verschie-denen Siegel des neuen Würdenträgers der mährischen Diözese werden im Buch alsaussagefähige Quellen ebenso komparativ analysiert, wie die zunehmende Zahlschriftlicher Quellen einschließlich des Itinerars, das auf eine wachsende Nähe zuKarl IV. verweist. Johann Očko nahm seine geistlichen Pflichten sehr ernst, zu denenauch karitative Wohltaten gehörten. 1355 beteiligte er sich an der Romfahrt Karls IV.Dessen Unterstützung bei der Wahl zum Metropoliten der Erzdiözese Prag 1364wiederum, argumentiert die Autorin, die stets nah an den Schriftquellen bleibt, fes-tigte die Beziehungen zwischen beiden noch mehr. Seine Diözese führte Johann Očko mit großer Umsicht und Einfühlungsvermö-gen, wofür gerade die durchgeführten (mindestens acht, ausführlich behandelten)Synoden und vorgetragenen sowie analysierten Synodalpredigten stehen, unteranderem jene des Johann Milíč von Kremsier und des Kuneš von Třebovle. Zugleichwerden die Beziehungen zum Papsttum auf der Grundlage des überliefertenUrkundematerials beleuchtet. Im Mai ernannte Urban V. Johann Očko in Avignonzum ständigen päpstlichen Legaten für die Diözesen Prag, Olmütz, Leitomischl,Meißen, Bamberg und Regensburg mit vielfältigen Aufgaben (u.a. Gesetzgebung,Jurisdiktion, Visitationen). Hledíková kann hier auf vereinzelt überlieferte Origi-nalurkunden, vornehmlich jedoch zeithistorische Abschriften im päpstlichen Archivzurückgreifen, wobei ihr ihre langjährige Tätigkeit als Leiterin des TschechischenHistorischen Instituts in Rom (1994-2008) zugutekommt. Große Bedeutungschenkt die Autorin der institutionellen und personellen Verwaltung der Diözese(potestas ordinis und potestas jurisdictionis), der bedeutsamen Weihtätigkeit desErzbischofs für Kirchen und Altäre (Übersicht S. 169 f.) und schließlich seinerInteraktion in Kreisen des hohen Adels. Ausführlich berücksichtig werden die archi-tektonischen Veränderungen der Kathedrale auf dem Hradschin, Ähnliches gilt fürBauten und Kunstwerke auf den erzbischöflichen Gütern (Helfenburg, Spital inBöhmisch Brod, Bischofteinitz/Horšovský Týn, Umbaumaßnahmen an der bischöf-lichen Burg Raudnitz/Roudnice nad Labem, Prager Residenz). Den Abschluss bilden die Pompa funebris Karls IV. sowie 1379 die Verleihung desKardinaltitels an Johann Očko kurz vor dessen Ableben im Januar 1380. Ein ideali-siertes Abbild zeigt das Votivbild des Prager Metropoliten, um 1370 von einemunbekannten böhmischen Künstler gemalt und ursprünglich für die neugeweihteKapelle der bischöflichen Burg in Raudnitz bestimmt. Auch wenn es keine An-zeichen dafür gibt, dass Johann Očko literarisch aktiv gewesen wäre und die narra-tiven Quellen wenig zu seinem Persönlichkeitsprofil beitragen können, spricht seindargestelltes und kontextualisiertes – mitunter steingewordenes – Wirken (undNachwirken) für sich. Dies ist das Verdienst der Autorin, die ein mit mehr als 600Fußnoten versehenes, anschauliches Lebensbild des zweiten Prager Erzbischofszeichnet. Rezensionen 419Habent sua fata libelli. Das gilt auch für die vorliegende Biografie, die postum2024 erschienen ist, und an deren Veröffentlichung zahlreiche Personen mitgewirkthaben, unter denen besonders der Schüler Zdeňka Hledíkovás, Jan Hrdina, zu nen-nen ist, der das Manuskript kritisch gelesen, für den Druck vorbereitet hat undzugleich eine einfühlsame Würdigung von Leben und Werk der tschechischen Me-diävistin (S. 248-255) vornimmt. Leipzig Thomas KrzenckBohemia Band 63 (2023)420

Hledíková, Zdeňka: Jan Očko z Vlašimi. První český kardinál a rádce Karla IV.

Bláha, Filip

Kořinek, Pavel/Šantora, Roman: Rychlé šípy. Původní kresby a scénáře Jaroslava Foglara, Jana Fischera a Marko Čermáka

Kubátová, Hana

seine Tätigkeit in der Slowakei bewertete. Im Freiburger Institut für Volkskunde derDeutschen des östlichen Europa (IVDE) finden sich im Nachlass von Bruno Schieraufschlussreiche Materialien dazu, die zur weiteren Bearbeitung des spannendenThemas neue Aspekte liefern könnten. Freiburg Elisabeth FendlFrankl, Michal: Občané země nikoho. Uprchlíci a pohyblivé hranice středovýchodníEvropy 1938-1939 [Citizens of No Man’s Land. Refugees and Shifting Borders inEast-Central Europe 1938-1939]. Nakladatelství Lidové noviny, Masarykův ústav a Archiv AV ČR, Praha 2023, 294 pp., ISBN978-80-7422-924-4 (NLN), 978-80-88611-07-3 (MÚA).Michal Frankl’s Citizens of no man’s land presents a nuanced exploration of bordersand refugees during the late 1930s, an essential yet still largely overlooked aspect ofthe history of the Holocaust and the region. This work stands as the first compre-hensive analysis of stateless spaces in East-Central Europe on the brink of WorldWar II and provides insights into how states, peoples, and crises intersected in thearea.Frankl’s analysis extends to the broader context of East-Central Europe, where noman’s lands mushroomed in the late 1930s. Unlike brief episodes in the West, thestateless areas in East-Central Europe were often inhabited for extended periods,resulting in an enduring impact on those who lived there as well as on the states thatlost or eventually took control of these places. Given its geographical focus, Frankl’sbook will likely find its primary audience among specialists and students of theregion. That said, it also offers a wider theoretical appeal by offering tools and mech-anisms for scholars studying stateless spaces here as well as elsewhere. The author’sexamination of the social relations that construct, alter, and reproduce borders addsa rich layer of understanding concerning people and places in distress. Moreover, themultidisciplinary approach incorporating perspectives from geography, spatial stud-ies, anthropology, and Holocaust research invites readers from other disciplines,broadening the book’s relevance and making it a valuable resource for a more diversescholarly audience. With regard to East-Central Europe, Frankl focuses on four events on theCzechoslovak and Polish borders. They include the annexation of Austria by NaziGermany in March 1938 and the expulsion of local Jews, who were now consideredalien either because they lacked Austrian citizenship or because their resided in theborderland Burgenland state. The precarious situation of these Jewish men, womenand children was further complicated by the shifting borders and ethnic policies ofthe region. Furthermore, the book also documents the experiences of Czechs, dem-ocratic Germans, and Jews expelled from the Sudetenland following the MunichAgreement, as well as the aftermath of the First Vienna Arbitration, where ethnicminorities such as Hungarians, Slovaks, Czechs, and Jews faced forced migration.Notably, the closing of borders specifically targeted Jewish populations in all thesecases, highlighting the discriminatory practices of the time. Finally, the Polenaktionof October 1938, in which Germany deported approximately 17.000 Polish JewsRezensionen 391outside of Poland’s borders, enabled the Nazi government to implement measuresagainst all “foreign” Jews.Apart from the stateless zones on the Czechoslovak and Polish borders, the bookalso explores the evolving border practices within these two countries and their dif-ferent contexts, in particular the holding of apprehended individuals in interior shel-ters and the mass revisions of citizenship in 1938 and 1939. As shown in the book,these differing practices intertwined in specific ways with the physical spaces and thehistories of displaced people in the region, further complicating the narratives of cit-izenship and belonging. Perhaps unintentionally, the interdependence of physical spaces, citizenship, andbelonging is further accentuated by the book’s source base, which includes twenty-three archives across Austria, Czechia, Germany, Hungary, Israel, Slovakia, Switzer-land, the United Kingdom, and the United States. Often working with fragmenteddocumentation from humanitarian organizations, the author skillfully reads thesesources against witness testimonies and press reports, underscoring the extensiveresearch and effort that went into his book.The structure of the text occasionally makes for somewhat awkward reading,however: In building his narrative around key issues and themes, Frankl frequentlyshifts back and forth in time. The first chapter follows the journeys of displacedpeople, linking their radicalized removal to the histories of ethnically mixed regions.Here, Frankl argues that the periphery became a focal point for dramatic changesand experiments in citizenship in 1938, claiming that these “borderlands offered aplatform for staging the nation and experimenting with radical ideas about theremaking of citizenship” (p. 60). As Frankl demonstrates, it is not surprising that thefirst no man’s land was created here, and that its inhabitants were not only foreignJews but also those with uncertain or otherwise “problematic” identities. The sec-ond chapter examines the interplay between citizenship and exclusion, revealinghow Poland and Czechoslovakia sought to marginalize refugees who were also citi-zens. By treating citizenship as a border zone between states and individuals, Frankl“offers a productive insight into the interaction and operation of different actors inthis figurative space beyond the letter of the law” (p. 89). In the third chapter, hefocuses on the expellees at the borders, exploring how these individuals and theirinteractions with aid workers and state officials transformed physical spaces. Thischapter highlights the significant role of refugees in shaping the history and geogra-phy of no man’s lands during the Holocaust. The fourth and final chapter addressesthe contemporary and historical interpretations of wandering and confinement inthese stateless areas, bringing societal agency and popular discourse into the discus-sion. Returning to his reliance on the concept of bordering—in which a space is notcarved in stone but rather socially constructed—it is in these two latter chapters thatFrankl brings the voices, emotions, and overall agency of people at the borders to thefore. He argues that the hopelessness, despair, and passivity captured in the memo-ries of refugees do not imply a negation of their agency: While refugees recounted wandering or immobility, shock, and emotion, they also acted, madedecisions, organized, corresponded, and used their social networks. The contradiction betweenpassivity in the narrated no man’s land and independent action and decision-making speaks toBohemia Band 63 (2023)392the nature of no man’s land as a benign space to exist and be seen, but in which refugees alsoacted and socialized. (p. 252)While Citizens of no man’s land is an invaluable addition to Holocaust and refugeestudies, the book would have benefited from an experienced developmental editor tohelp refine its structure and more prominently highlight the author’s own contribu-tions, which are sometimes overshadowed by numerous references to other scholarsand repeated mentions of gaps in the literature. Despite these structural issues,Citizens of no man’s land is a seminal work that deepens our understanding of thecomplex dynamics of borders and statelessness during a pivotal historical period.Frankl’s work underscores the emergence of lawless spaces as a critical aspect ofthe Holocaust. Citizens of No Man’s Land reminds us that borders are social spaceswhere the state, citizens, and refugees negotiate their visions of the future. His inter-disciplinary approach and meticulous research provide a compelling, academicallyrigorous, and deeply human narrative not only of refugees and borders in the late1930s but of people and places in general.Praha Hana KubátováMeier, Jörg (Hg.): Mehrsprachigkeit in der deutschsprachigen Presse des östlichenEuropas/Multilingualism in the German-Language Press in Eastern Europe.de Gruyter, Oldenbourg, Berlin, Boston 2023, 181 S., 24 Abb. und sechs Tabellen (Journal fürKultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa 4), ISBN 9783111078281.Zeitungen und Zeitschriften in Ostmitteleuropa bilden, obwohl lange als ephemerabgetan, längst eine zentrale Quelle für historisch orientierte Forschung. Bei ihnenhandelt es sich um Textsorten, die den Prinzipien der Aktualität (Gegenwarts-bezogenheit und Neuwertigkeit), der Publizität (Öffentlichkeit und Zugäng-lichkeit), der Universalität (thematische Offenheit zumindest der Zeitungen) undPeriodizität (regelmäßiges Erscheinen) verpflichtet sind.1 Forciert durch technolo-gische Innovationen wie die Erfindung des Holzschliffpapiers (1844), den Rota-tionsdruck (1872) und neue Vertriebskanäle per Eisenbahn entstand mit ihnen dieVoraussetzung für Massenproduktion und damit eine mediale Öffentlichkeit. DieAufhebung des Anzeigenmonopols der staatlichen Intelligenzblätter verändertezudem die Kalkulationsgrundlagen, urheberrechtliche Regelungen schufen weitereSicherheiten. In diesem Rahmen entwickelten sich Zeitungen und Zeitschriften „voneinem linearen zu einem nichtlinearen Medium“ (S. 10), das sich allerdings bis in das19. Jahrhundert hinein kaum von Büchern unterschied. Erst in der Folge kam es zuSegmentierungen in Form von Rubriken.Der Zugang zu diesen häufig an entlegener Stelle erschienenen Periodika konntedurch Digitalisierungsprojekte wie das Portal ANNO in Wien und das Mitte der2000er gegründete Portal DiFMOE entscheidend verbessert werden. Bezieht mandann noch Digitalisierungsprojekte in den einzelnen ostmitteleuropäischen Ländernwie an der tschechischen Národni knihovna (Nationalbibliothek; Kramerius Portal)Rezensionen 3931 Meier, Jörg: Einleitung 1-21, hier 7.

English

Frankl, Michal: Občané země nikoho. Uprchlíci a pohyblivé hranice středovýchodní Evropy 1938-1939

Fendl, Elisabeth

European races with a lack of interdisciplinary connection to the social sciences. Oneof numerous examples of how such a view elides the various manifestations of sci-entific racism is the interpretation of Karel Chotek’s position considering self-iso-lated groups to be racially “pure” as an anti-racist argument rather than a form ofracialization (p. 260). In its many contradictions, the collection edited by Ducháček is a significant his-torical document, the reading of which contributes at the very least to an under-standing of what hinders the critical revision of race science.Graz Victoria ShmidtPanczová, Zuzana/Kiliánová, Gabriela/Kubisa, Tomáš: Volkskunde in den Diens-ten des Dritten Reiches. Deutsche Forscher und Forscherinnen in der Slowakei. LIT, Berlin 2023, 196 S. (Kultur: Forschung und Wissenschaft 26), ISBN 978-3-643-25076-6.Bei der zu besprechenden Studie handelt es sich um die erweiterte Fassung des 2021als E-Book erschienenen Bandes „Národopis na Slovensku v službách Tretej ríše“.Dieser wurde 2024 von der Slowakischen Akademie der Wissenschaften (SAV) alsbeste wissenschaftliche Monografie ausgezeichnet. Zuzana Panczová, GabrielaKiliánová und Tomáš Kubisa, alle drei Mitarbeitende des Instituts für Ethnologieund Sozialanthropologie der SAV in Bratislava, haben hier ihre Forschungen zurRolle deutscher Volkskundler:innen in der Slowakei während des Zweiten Weltkrie-ges zusammengeführt und dabei die Beziehungen zwischen Wissenschaft und Ideo-logie herausgearbeitet. Die in vier Hauptkapitel unterteilte Publikation stützt sichauf die unter dem Projekttitel „Geschichte der Ethnologie in der Slowakei im20. Jahrhundert: Ethnologische Forschungen zur deutschen Minderheit“ durch-geführte Auswertung bisher unbearbeiteten Materials aus den wissenschaftlichenSammlungen des Instituts.Das erste Kapitel widmet sich dem Einfluss des Nationalismus auf die volks-kundliche Forschung in Deutschland und der Tschechoslowakei. Hier wird darge-legt, wie sich die Volkskunde zu einer Disziplin entwickelte, die sich der nationalso-zialistischen Ideologie extrem anpasste. Am Beispiel des 1941 nach dem Vorbild derSudetendeutschen Anstalt für Landes- und Volksforschung gegründeten Instituts fürHeimatforschung (IHF) in Käsmark/Kežmarok untersucht das zweite Kapitel dieRolle der Forschungsinstitute für deutsche Minderheiten während des ZweitenWeltkriegs. Die Autor:innen charakterisieren die dort betriebene Ethnografie alsWissenschaft mit politischen Zielen: Ihre Forschungsergebnisse sollten die national-sozialistische Außenpolitik legitimieren. Im dritten und vierten Kapitel beschreibensie die stark von der Ostforschung beeinflussten Forschungsziele der damaligenVolkskunde am Beispiel der Projekte, die Franz J. Beranek, Hertha Wolf-Beranekund Bruno Schier in ihrer Zeit in der Slowakei als „Abgesandte der Reichswissen-schaft“ durchführten. Die Dokumentation der kulturellen Repräsentationen derdeutschen Minderheiten, die diese Forscher:innen vornahmen, wird als ideologischeMission gewertet, mithilfe derer die von den Nationalsozialisten als bedroht be-schriebene Kultur der Deutschen in der Slowakei gesichert und vor Assimilationgeschützt werden sollte.Bohemia Band 63 (2023)388Erstmals wird mit Hertha Wolf-Beranek, die wie ihr Ehemann Franz J. Beranekvom Stuttgarter Deutschen Auslands-Institut (DAI) nach Käsmark entsandt wordenwar, auch eine Wissenschaftlerin der sogenannten Ostforschung näher in den Blickgenommen. Wolf-Beranek leitete ab dem 1. Juli 1942 die Volkskunde-Abteilung desIHF und plante die Einrichtung mehrerer Archive nach reichsdeutschem Vorbild,deren Inhalt wissenschaftlich ausgewertet und durch Editionen, öffentliche Vorträgeund Folkloreprogramme popularisiert werden sollte. Die Analyse der ProjekteWolf-Beraneks macht die strategische Bedeutung der Arbeit der deutschenWissenschaftler:innen deutlich. So beschied sie etwa der 1943 erschienenen „Slowa-kischen Volkskultur“ Rudolf Bednáriks in einer Rezension, das Buch beeinträchtige„den aus der kulturellen Leistung in diesem Raum entspringenden deutschenFührungsanspruch aufs schwerste und [sei] infolgedessen nicht geeignet den gegen-wärtigen Kampf des Deutschtums um seine Vormachtstellung in Europa zu unter-stützen“ (S. 74).Als Beleg für die Forschungsaktivitäten von Franz J. Beranek im Umfeld deut-scher Minderheiten in der Slowakei und in Transkarpatien stellen die Autor:innenUnterlagen zu den Volkserzählungen der im 18. Jahrhundert in den Kleinen Kar-paten angesiedelten, als Holzarbeiter tätigen Hunzokaren vor. Diese lebten bis zumfrühen 20. Jahrhundert als geschlossene soziale Gruppe, bevor es in der Tschecho-slowakei der Zwischenkriegszeit zu einer schrittweisen Assimilation kam. Nach demZweiten Weltkrieg zerstreut, versuchen Nachfahren heute ihre ethnische Identitätwiederzubeleben. Beranek sah in ihnen eine „assimilationsresistente deutscheEnklave“ und verschriftlichte ihre Erzählungen bereits in den frühen 1930er Jahrengemeinsam mit Walter Kuhn. Während des Zweiten Weltkriegs kehrte er zu diesemThema zurück. Damals beschäftigte er sich auch mit den aus Mähren in die Slowakeigekommenen Habanern und sammelte vor allem Materialien zu ihrer Sprache. SeineIdee, einen dialektologischen Atlas zu erstellen, scheiterte jedoch. Beranek präsen-tierte Habaner-Deutsch als philologisches Unikat und behauptete 1943 in einemArtikel, eine Geheimschrift der Habaner verwende alchimistische Zeichen, die aufmittelalterliche Alchimisten zurückgingen. „Für die Wissenschaftler der ariosofischgeprägten Ahnenerbe-Institution“ musste – so die Autor:innen – „dieser Hinweisauf geheimes Wissen in der Habaner-Kolonie verlockend gewesen sein […].“ (S. 109)Bruno Schiers Zeit in Bratislava wird unter dem Titel „Wissenschaft im Volks-tumskampf“ analysiert. Dabei geht es unter anderem um die Frage, welche Rolle derWissenschaftler der Volkskunde zuschrieb, bevor er in die Slowakei kam, und wie ersie während seiner dortigen Jahre (1940-1944) sah. Sei er bereits in den 1920er Jahrenin Vereinen völkischer Prägung engagiert gewesen, habe sich mit seinem beruflichenWerdegang auch sein politisches Engagement intensiviert. Seit den 1930er Jahren bil-dete die Tschechoslowakei für Schier ein interessantes Forschungsgebiet, da hier, wieer 1933 schrieb, „alle Übergänge zwischen dem hochkulturellen Westen und dem inursprünglichen Verhältnissen verharrenden Osten“ zu finden seien (S. 116). In derSlowakei könne man zudem „die fortschreitende Eindeutschung der osteuropäi-schen Sachgüter“ beobachten (S. 116). Nach Bratislava war Schier 1940 im Rahmen eines Kooperationsabkommens zwi-schen den Universitäten Leipzig und Bratislava gekommen. Er kannte die SlowakeiRezensionen 389bereits von studentischen Wanderfahrten in den 1920er Jahren. Neben seinerSlowakei-Begeisterung könnte – so die Autor:innen – beim Umzug nach Bratislavaallerdings auch politisches Kalkül eine Rolle gespielt haben, möglicherweise habe ersich davon Vorteile für eine spätere Ernennung zum ordentlichen Professor in Leip-zig erhofft. Nicht nur an der Beschreibung der Slowakei als deutscher Kulturbodenin seinem Beitrag in der Festschrift für Erich Gierach von 1942 lasse sich ablesen,dass seine Forschungen als politischer Auftrag gewertet werden könnten. Schierhabe die slowakische Volkskultur als Kultur einer unabhängigen und eigenständigenNation bewertet, zugleich aber versucht, die deutsche Überlegenheit nachzuweisenund die Slowakei als Gebiet eingestuft, dessen Kultur auf der deutschen basiere. DieAutor:innen stimmen mit deutschen Arbeiten über Bruno Schier überein, wenn siesein Wirken in der Slowakei als hochpolitisch und ideologisch einschätzen. Sie bele-gen zudem, dass seine Äußerungen in slowakischen Veröffentlichungen teilweisegemäßigter ausfielen als in deutschen. Schiers Werk über die slowakischeVolkskultur, das 1943 an der im Jahr zuvor gegründeten Slowakischen Akademie derWissenschaften und Künste (SAVU) als Manuskript eingereicht wurde und 1945 inder Akademie-Ausgabe erschien, wurde jedoch nicht mehr an den Buchhandel aus-geliefert.  Petr Lozoviuk hat 2008 in seinem Band „Interethnik im Wissenschaftsprozess.Deutschsprachige Volkskunde in Böhmen und ihre gesellschaftlichen Auswirkun-gen“ die These vertreten, Schier habe die Entwicklung der slowakischen Volkskundein der ersten Hälfte der 1940er Jahre maßgeblich beeinflusst. Dem widersprechen dieAutor:innen. Das von Schier propagierte Atlas-Projekt zum Beispiel sei bereits vorseiner Ankunft in der Slowakei diskutiert worden. Wenn Lozoviuk schreibe, Schierhätte den slowakischen nationalen Emanzipationsprozess unterstützt, übersehe er,dass dieser immer den starken Einfluss Deutschlands betont habe. Ihr Buch solle – so die Schlussbemerkung der Autor:innen – dazu anregen, „überaktuelle politische Einflüsse auf die Wissenschaft nachzudenken und über wissen-schaftliche Erkenntnis und die Bedrohungen, denen sie in der Gegenwart – reali-stisch oder potenziell – ausgesetzt ist, zu forschen“ (S. 154).Mit diesem Plädoyer für eine freie Wissenschaft endet ein interessantes Buch, dasnoch interessanter hätte sein können, wenn ein kurzer Überblick über die in derSammlung „Ethnologische Forschungen zur deutschen Minderheit“ verzeichnetenMaterialien in den Band aufgenommen worden wäre. Weil das nicht der Fall ist, irri-tieren die etwas unvermittelt zitierten Belege eines Informanten Beraneks undKuhns zum Thema „Hexen und Zauberer“. Auch erscheint die Darstellung derEntwicklung des Faches Volkskunde im ersten Kapitel etwas verkürzt. In einer Besprechung des hier in Rede stehenden Buches konstatiert Petr Lozo-viuk,1 dass das Hauptproblem bei der Bewertung von Schiers Arbeit nicht in dessenBehauptung einer deutschen kulturellen Überlegenheit liege, sondern in der Ethni-sierung von Kultur, die er vollzogen habe; auch dieser Aspekt hätte berücksichtigtwerden sollen. Interessant wäre schließlich auch ein Blick darauf, wie Schier selbstBohemia Band 63 (2023)3901 In: Slovenský národopis 72 (2024) 3, 410-414. seine Tätigkeit in der Slowakei bewertete. Im Freiburger Institut für Volkskunde derDeutschen des östlichen Europa (IVDE) finden sich im Nachlass von Bruno Schieraufschlussreiche Materialien dazu, die zur weiteren Bearbeitung des spannendenThemas neue Aspekte liefern könnten. Freiburg Elisabeth FendlFrankl, Michal: Občané země nikoho. Uprchlíci a pohyblivé hranice středovýchodníEvropy 1938-1939 [Citizens of No Man’s Land. Refugees and Shifting Borders inEast-Central Europe 1938-1939]. Nakladatelství Lidové noviny, Masarykův ústav a Archiv AV ČR, Praha 2023, 294 pp., ISBN978-80-7422-924-4 (NLN), 978-80-88611-07-3 (MÚA).Michal Frankl’s Citizens of no man’s land presents a nuanced exploration of bordersand refugees during the late 1930s, an essential yet still largely overlooked aspect ofthe history of the Holocaust and the region. This work stands as the first compre-hensive analysis of stateless spaces in East-Central Europe on the brink of WorldWar II and provides insights into how states, peoples, and crises intersected in thearea.Frankl’s analysis extends to the broader context of East-Central Europe, where noman’s lands mushroomed in the late 1930s. Unlike brief episodes in the West, thestateless areas in East-Central Europe were often inhabited for extended periods,resulting in an enduring impact on those who lived there as well as on the states thatlost or eventually took control of these places. Given its geographical focus, Frankl’sbook will likely find its primary audience among specialists and students of theregion. That said, it also offers a wider theoretical appeal by offering tools and mech-anisms for scholars studying stateless spaces here as well as elsewhere. The author’sexamination of the social relations that construct, alter, and reproduce borders addsa rich layer of understanding concerning people and places in distress. Moreover, themultidisciplinary approach incorporating perspectives from geography, spatial stud-ies, anthropology, and Holocaust research invites readers from other disciplines,broadening the book’s relevance and making it a valuable resource for a more diversescholarly audience. With regard to East-Central Europe, Frankl focuses on four events on theCzechoslovak and Polish borders. They include the annexation of Austria by NaziGermany in March 1938 and the expulsion of local Jews, who were now consideredalien either because they lacked Austrian citizenship or because their resided in theborderland Burgenland state. The precarious situation of these Jewish men, womenand children was further complicated by the shifting borders and ethnic policies ofthe region. Furthermore, the book also documents the experiences of Czechs, dem-ocratic Germans, and Jews expelled from the Sudetenland following the MunichAgreement, as well as the aftermath of the First Vienna Arbitration, where ethnicminorities such as Hungarians, Slovaks, Czechs, and Jews faced forced migration.Notably, the closing of borders specifically targeted Jewish populations in all thesecases, highlighting the discriminatory practices of the time. Finally, the Polenaktionof October 1938, in which Germany deported approximately 17.000 Polish JewsRezensionen 391

Panczová, Zuzana/Kiliánová, Gabriela/Kubisa, Tomáš: Volkskunde in den Diensten des Dritten Reiches. Deutsche Forscher und Forscherinnen in der Slowakei

Krátka, Lenka

Gál, Fedor/Leikert, Jozef/Šútovec, Andrej (Hgg.): Hasta la vista komunista. PríbehKoordinačného výboru slovenských vysokých škôl 1989/1990 [Die Geschichte desKoordinationsausschusses der slowakischen Hochschulen 1989/1990]. Slovart, Praha 2022, 301 S., zahlr. Abb., ISBN 978-80-566-5952-6.Die Publikation „Hasta la vista komunista“ erregt zweifellos schon durch ihren TitelAufmerksamkeit, dem auch die visuelle Gestaltung entspricht: Die Illustration aufdem Umschlag, ein Bandit mit hohem, roten Sombrero, ruft die Atmosphäre einerWestern-Story hervor. Wer sich in das Buch vertieft, erfährt, dass das Bild wie auchdas Motto, das der Titel aufnimmt, Ende 1989 spontan auf dem heutigen Hlavnénámestie im Stadtzentrum von Bratislava entstanden ist. Seinerzeit wurde hier einBauzaun aus Wellblech zu einer improvisierten Ausstellungsfläche umfunktioniert.Studierende der Hochschule für bildende Künste (Vysoká škola výtvarných umění)brachten dort großformatige bunte Plakate an, die die Stimmung der demokrati-schen Revolution einfingen. Diese Plakate sind fotografisch dokumentiert, die Re-produktion der Abbildungen bildet einen Teil der besprochenen Publikation, nachmeiner Ansicht einen der besten. Insgesamt sind Umschlag und Titel jedoch etwas irreführend, und das sowohl aussprachlicher Sicht („hasta la vista“ – „auf Wiedersehen“), als auch in Bezug auf daseigentliche Thema des Buches, das die „Geschichte des Koordinationsausschussesder slowakischen Hochschulen 1989/1990“ erzählt. Die Publikation bietet zweifel-los eine interessante Auswahl an Quellen zur Funktionsweise des Koordinationsaus-schusses, es enthält zwei Dutzend Interviews mit seinen wichtigsten Akteur:innen,Abdrucke zentraler Erklärungen, eine Fotodokumentation und den bereits erwähn-ten Bildanhang. Sie richtet sich an ein breites Publikum und präsentiert einen histo-rischen Moment in zugänglicher journalistischer Form – in diesem Sinn kann mansie als durchaus gelungen bezeichnen.Doch führt das gewählte Format zu Verkürzungen, was besonders die Kapitelbetrifft, die die für das Verständnis der historischen Zeit notwendigen historischenFakten liefern sollen. In der Einleitung schildert der Historiker Jozef Leikert die tra-gischen Ereignisse des Jahres 1939 – die Demonstrationen gegen die Nationalsozia-listen, das Begräbnis von Jan Opletal, die Schließung der tschechischen Universitäten– und erklärt den Zusammenhang dieser Geschichte mit der späteren Ausrufung des17. Novembers zum Internationalen Studententag. Das Kapitel endet mit Leikertseigenen Erinnerungen an den 17. November 1989. Der Text arbeitet also mit einerinteressanten Perspektive, indem er persönliche Reflexionen und historische Ereig-nisse übereinanderlegt. Der folgende Beitrag des Publizisten Fedor Blaščák soll die Ereignisse des No-vember 1989 in einen breiteren historischen Kontext einordnen und reicht von einerkurzen Darstellung wichtiger Meilensteine des Jahrzehnts (auch im internationalenKontext) bis zum November 1989. Allerdings ist dieses Kapitel merklich kürzer alsder vorhergehende Text, folglich wirkt es eher wie eine Art vereinfachtes und ver-einfachendes Mosaik der Ereignisse. Dabei wäre eine differenziertere Betrachtungder verschiedenen Themen ohne Abstriche bei der Leserfreundlichkeit durchausmöglich gewesen. Zum Beispiel hätten sich die Dokumente und zeitgenössischenBohemia Band 63 (2023)370Texte, die im separaten, unkommentierten Anhang abgedruckt sind, konsequent indie Darstellung einbeziehen lassen. So aber wird ihr großes informatives (und auchemotionales) Potenzial im Buch kaum ausgeschöpft.Anschließend öffnet sich bereits der Raum der persönlichen Erinnerungen. ImBeitrag „(Meine) Geschichte des Studentischen Koordinationsausschusses („(Môj)príbeh študentského koordinačného výboru“) beschreibt die Filmproduzentin Zu-zana Mistríková, eine der führenden Persönlichkeiten des Koordinationsausschussesim November 1989, ausführlich die intensive Zeit des studentischen Aktivismus inder Slowakei von Ende November 1989 bis Anfang Januar 1990. Anknüpfend an denvorhergehenden Beitrag bietet sie einen Überblick über die wichtigsten historischenEreignisse, schildert die tägliche Arbeit des Koordinationsausschusses sowie dasstudentische Engagement im Allgemeinen. Meiner Ansicht nach ist dieses Kapitelwichtig, es hilft, die folgenden Teile des Buches zu verstehen, seien es die zeitgenös-sischen Fotografien, seien es die abgedruckten politischen Erklärungen. Vor allemaber bietet es eine Grundlage für das Verständnis des Hauptteils der Publikation, dasaus Gesprächen besteht, die der renommierte Kolumnist Karol Sudor mit Zeit-zeug:innen geführt hat. Diese Interviews, die mit einer persönlichen Bemerkung von Fedor Gál ein-geleitet werden, könnten eine interessante historische Quelle darstellen, wenn siezumindest mit einem kurzen methodischen Kommentar zur Auswahl der Ge-sprächspartner:innen, den Umständen der Interviews und der weiteren Bearbeitung(Genehmigung, Korrekturen, Redaktion usw.) versehen worden wären. Abgedrucktsind 20 Interviews mit den Protagonist:innen der Ereignisse vom November 1989und mit wichtigen Akteuren des Koordinationsausschusses. So entsteht ein persön-lich geprägtes Bild dieser Zeit, allerdings eines, zu dem vor allem Männer beigetra-gen haben. Sudor hat seine Interviews mit 18 Männern und zwei Frauen geführt, beieiner davon handelt es sich um die bereits erwähnte Zuzana Mistríková. Die zeit-genössischen Fotografien im Buch führen indessen vor Augen, dass sich auch zahl-reiche weitere Frauen an der Studierendenbewegung beteiligten, die man ebenfallshätte interviewen können oder sollen. Hier geht es gar nicht um Quoten – sondernum die Tatsache, dass die unausgewogene Auswahl der Zeitzeug:innen auch zueinem unausgewogenen Resultat führt.Indessen liefert die präsentierte überwiegend männliche Gruppe den Stoff für eineinteressante soziologische Studie: Hier sprechen ehemalige „Studentenführer“, dieheute erfolgreich im Leben stehen. Das Buch ist über 30 Jahre nach den historischenEreignissen von 1989 erschienen, daher treten sie als gereifte Persönlichkeiten auf,sind in der Lage, die gesamte Entwicklung der slowakischen Gesellschaft nach derWende einzuschätzen und ihre Sichtweise zu aktuellen Herausforderungen undKrisen darzulegen. Dieser Perspektive geben die Interviews leider wenig Raum, waswohl auf den thematischen Schwerpunkt des Buches und den vorgegebenen Umfangder Interviews zurückzuführen ist. Möglicherweise drückt sich hier aber auchVorsicht aus – sei es auf Seiten des Herausgeberteams oder der Zeitzeuginnen undZeitzeugen selbst.Auf die Interviews folgt der Bildanhang mit Plakaten, die die zeitgenössischenSlogans dokumentieren, aber auch durch ihre künstlerische Konzeption bestechen.Rezensionen 371Dann kommt nur noch ein Namensregister. Was spürbar fehlt, ist ein Schlusskapitel,ein Höhepunkt und Fazit der Erzählung. Ohne Reflexion der Quellen, ohne Re-sümee wichtiger Themen oder eine Skizze weiterer Fragen hinterlässt das Bucheinen unfertigen Eindruck.Vergleicht man „Hasta la vista komunista“ mit den vielen vorliegenden Büchernzu 1989, sind als Pluspunkte dieser neuen Publikation die grafische Gestaltung unddie Verknüpfung von Faktengeschichte, Erinnerungen und gut ausgewählten Bildernhervorzuheben. Schade ist, dass das Herausgeberteam die Gelegenheit verstreichenlassen hat, dies alles mit einer kritischen Reflexion dieser wichtigen historischen Zeitzu verbinden. Ältere Leserinnen und Lesern werden sich durch den Band atmo-sphärisch in die 1990er Jahre zurückversetzt fühlen, vielleicht eine nostalgischeFreude an ihm empfinden. Ob er sich einem jüngeren Publikum erschließt, bleibtjedoch fraglich; es wäre bedauerlich, wenn es solche Zeugnisse aus der Umbruchzeitals bloße „Pflichtlektüre“ wahrnehmen würde. Prag Lenka KrátkáGoodman, Brian K.: The Nonconformists. American and Czech Writers across theIron Curtain.Harvard University Press 2023, Cambridge/MA, London, 352 pp. ISBN 978-06-749-8337-3.This excellent book explores literary interactions between Czechoslovakia and theUnited States during the Cold War, focusing chronologically on figures who trav-elled to Prague, from the Harvard professor and arguable founder of modernAmerican literary studies, F.O. Mathiessen, in 1947, through Allen Ginsberg in 1965and Philip Roth in the 1970s to John Updike in the 1980s, and their relationshipswith leading Czech writers, notably Josef Škvorecký and Milan Kundera. As the titleindicates, Brian K. Goodman suggests that each was drawn to the other throughtheir status or self-perception as “nonconformists” in their own societies.Goodman’s opening description of the genesis of the project, when in 2004 he wasgiven copies of secret police files relating to Ginsberg’s stay in Prague in May 1965,sparked for me a memory of seeing Ginsberg in the autumn of 1993, signing auto-graphs and chatting with local students and several generations of hippies inOlomouc’s pre-eminent alternative pub. I had just arrived in the Czech Republicafter finishing my undergraduate degree, spoke little Czech and knew very littleabout Czech literature. Ginsberg held court among his adoring, awestruck courtiers,seeming to have wholly embraced the title “King of May”, conferred in 1965 andimmortalized in his poem “Kral Majales”, an episode meticulously unravelled andanalysed by Goodman. Goodman’s considerable achievement is that he dispels thisimage of American gods and subservient Czechs and persuasively demonstrates thebalanced, two-way nature of the relationship; there is no hierarchy of literary worthhere, and the Czech writers sometimes seem almost more important to theirAmerican counterparts than the reverse.A key levelling factor, Goodman reveals, is that each side, each individual writer,sees in the other the embodiment of an ideal that they are looking for, and wheregaps emerge between that ideal and the reality, interactions or encounters – whileBohemia Band 63 (2023)372

Gál, Fedor/Leikert, Josef/Šútovec, Andrej (Hgg.): Hasta la vista komunista. Príbeh Koordinačného výboru slovenských vysokých škôl 1989/1990

Halata, Martin

Žáková, Michaela/Pátek, Jakub/Županič, Jan (Hgg.): Nobility in the Pre-Modernand Modern Period. Böhlau, Vandenhoeck & Ruprecht, Wien 2024, 220 S., ISBN 978-3-205-21962-0.Lange Jahrzehnte war es der tschechischen Historiografie praktisch unmöglich, sichmit dem Adel und seiner Kultur zu befassen. Diese thematische Vakanz war nichtallein eine Folge der Entwicklung der tschechoslowakischen Gesellschaft nach 1945bzw. 1948, bereits in der Ersten Tschechoslowakischen Republik, die auf den Ruinender österreichisch-ungarischen Monarchie entstanden war, hatte sich ein ablehnen-des Adelsnarrativ entwickelt. Der tschechoslowakische Nationalstaat baute pro-grammatisch nicht auf dem Vermächtnis des Königreichs Böhmen und seiner Ständeauf, vielmehr verbot die Tschechoslowakische Republik im Dezember 1918 die Ver-wendung von Adelstiteln und -wappen per Gesetz. Damit war das Feld für dieKritik an nahezu allem Aristokratischen bereitet. Die kommunistische Machtüber-nahme von 1948 verstärkte nicht allein diesen adelsfeindlichen Diskurs, vielmehrwurde der Adel in der volksdemokratischen und schließlich sozialistischenTschechoslowakei verfolgt und als gesellschaftliche Schicht gezielt gedemütigt. Da-mit unterschied sich die Haltung des tschechoslowakischen Staates von der der imEntstehen begriffenen Republik Österreich, die die Idee ihres aristokratischenStändetums und ihrer kaiserlichen Monarchie zwar mehr oder minder verdeckte, defacto aber als integralen Bestandteil ihrer Vergangenheit in ihre neue staatlicheIdentität aufnahm und mehr oder weniger bis heute mit dieser Idee arbeitet.Seit 1990 hat die tschechoslowakische (tschechische) Geschichtsschreibung eineganze Reihe von Werken vorgelegt, die sich in sachlich-analytischer Weise mit demAdel befassen. Eine wichtige Rolle spielten dafür in den frühen 1990er Jahren enzy-klopädische Werke zur Geschichte der Adelsgeschlechter1 und die Memoirenlitera-tur. Zu erwähnen ist, dass auch der öffentlich-rechtliche Sender ČT2 mit seinemZyklus über das Schicksal der noch lebenden Adelsgeschlechter Mährens, Böhmensund Schlesiens einen großen Anteil an der Arbeit zu diesem Thema hat.2 Schließlichkam und kommt dem zentralen Institut für Denkmalpflege große Bedeutung bei derRekonstruktion adeliger Lebenswelten zu, das sich dank seiner landesweiten Prä-senz sowohl der kunsthistorischen Forschung als auch der Unterstützung umfang-reicher Publikationsprojekte widmen kann.Die rezensierte Kollektiv-Monografie ist also Teil einer reichen historiografischenProduktion. Den Worten der Herausgeber zufolge besteht ihr Ziel darin, nach wievor existierende weiße Flecken im Wissen über die Aristokratie des ehemaligenKönigreichs Böhmen und der Tschechoslowakischen Republik für die Zeit vom 17.bis zum 20. Jahrhundert zu tilgen. Das chronologisch gegliederte Buch bringt Fall-studien von sechs Historikern und fünf Historikerinnen. Rezensionen 1531 Hier ist besonders zu erwähnen: Mašek, Petr: Modrá krev. Minulost a přítomnost šlech-tických rodů v českých zemích [Blaues Blut. Vergangenheit und Gegenwart der Adels-geschlechter in den böhmischen Ländern]. Praha 1999.  2. erw. Aufl.2 TV-Serie des Senders ČT2 „Modrá krev“ [Blaues Blut] (2017-2023). Online einsehbar:https://www.ceskatelevize.cz/porady/11453913494-modra-krev/ (letzter Zugriff 25.02.2025).Den Anfang macht Jakub Pátek, der Veränderungen des Adels und seines Grund-besitzes in der Umgebung von Ústí nad Labem/Aussig im 17. und 18. Jahrhundertanalysiert. Ausgehend von Erkenntnissen der Regionalgeschichtsschreibung konsta-tiert er, dass sich die großen Adelsgeschlechter wie die Thun oder Nostitz im Verlaufdes Dreißigjährigen Krieges zunächst als Halter von konfisziertem Grundbesitz eta-blierten. Zu den weiteren „Ansiedlungsstrategien“ des Großadels in dieser Regionzählten auch die Heiratspolitik und der Kauf verlassener Residenzen. Wie Pátekzeigt, bildete der Raudnitzer Zweig der Lobkowitzer hier eine Ausnahme, da er überden ganzen Untersuchungszeitraum hinweg eine Residenz hatte.  Jiří Brňovják fragt, wie verarmende österreichische Aristokraten an den Grenzender Monarchie auf ihre Situation reagierten. Er zeigt, dass Geschlechter wie die derArco, Blücher und Stolberg-Stolberg in Österreichisch-Schlesien sich ab Mitte des18. Jahrhunderts dem preußischen Rivalen zuwandten. Als ihr Reichtum schwand,suchten sie eine Betätigung in der Verwaltung und im Apparat der preußischenArmee. Berenika Zemanová widmet sich in ihrem von der Kulturgeschichte inspiriertenBeitrag dem Schicksal der morganatischen Lažanský-Tochter, Ilka Volková, späterverehelichte Lobkowiczová (1888-1970). Diese profilierte sich nicht nur als Weg-gefährtin der Schriftstellerin Růžena Benešová und ihres Kreises, sondern auch alsMuse des Historikers Karel Stloukal. Ilka hinterließ ein Zeugnis der Gesellschaft, inder sie sich bewegte, und bewahrte ihren aristokratischen Stolz auch in der Tsche-choslowakei nach 1948.Der Beitrag von Ludmila Čiháková-Lambeinová zeichnet ein Bild des in dertschechischen Geschichtsschreibung nahezu unbekannten Geschlechts Korff-Schmising-Kerssenbrock, anhand drei seiner Mitglieder: Therese, Klemens undRembert. Die Familie stammt aus Westfalen und war seit 1864 durch Verwandtschaftmit den Lazansky (Lažanský) in Böhmen ansässig. Marcela Zemanová befasst sichmit der letzten Lebensphase des böhmischen Aristokraten Karl Chotek († 1868). JanZumr diskutiert die Vertretung des Adels in den Repressionsorganen des national-sozialistischen Deutschland und gelangt zu dem Schluss, dass sich, wohl aufgrundihrer Verbundenheit mit dem christlichen Glauben, kaum Mitglieder des Hochadelsder SS anschlossen.Dem raren Phänomen des Ausscheidens aus dem Adelsstand widmet sich JanŽupanič. Auf der Grundlage der Hofadelsakten im Österreichischen Staatsarchiv -Allgemeinen Verwaltungsarchiv analysiert er Fälle, in denen Adelige sich zumStandesverzicht entschlossen. Ein Grund für das Ausscheiden aus dem Adel konnteöffentliche Schmach durch einen Renobilitierungsprozess sein, ein anderer eine mor-ganatische Ehe oder – noch seltener – familiäre Unstimmigkeiten. Zur rechtlichenErfüllung war die Zustimmung des Herrschers erforderlich. Županičs Fallbeispieleaus dem einheitlichen österreichischen Adel des 19. und 20. Jahrhunderts sind umsobedeutender, als sie in den enorm umfangreichen Akten nicht leicht zu finden sind.Der Autor betont, dass es vermutlich viel mehr Fälle des Adelsverzichts gab, alsHistoriker allgemein annehmen, und erst deren systematische Recherche die Grund-lage für eine detaillierte analytische Bearbeitung des Themas biete.Milena Lenderová, die mit ihrer Biografie zur Gabriela zu Schwarzenberg einenBohemia Band 64 (2024)154neuen Standard bei der Bearbeitung von Ego-Dokumenten gesetzt hat,3 konzentriertsich im vorliegenden Band auf die Tagebuchaufzeichnungen der Fürstin MelanieMetternich, geborene Zichy-Ferraris (1805-1854), der dritten Ehefrau des österrei-chischen Politikers und Kanzlers Metternich. Lenderová analysiert die Tagebuch-einträge im Hinblick auf die Rolle der Fürstin Metternich als Gattin, Stiefmutter vonMetternichs Sohn Richard und Mutter ihrer eigenen fünf Kinder. Sie betont, dassMelanie Metternich sich für Wissenschaft und das Musikleben interessierte und überihr Engagement an der Seite eines herausragenden Politikers an wichtigen politi-schen Ereignissen teilhaben konnte, so traf sie etwa Zar Nicholas, der 1835 inTeplitz/Teplice am „Kongress der Monarchen“ teilnahm. Lenderová argumentiert,dass sich das Leben der Fürstin in vielen Aspekten nicht komplett vom zeitgenös-sischen Modell des Hochadels unterschied, ihr Interesse an Politik allerdings außer-gewöhnlich war. In diesem Zusammenhang äußerte sich auch ihre Sympathie für denfranzösischen König Karl X. und seine Angehörigen, die in der Folge der Juli-Revolution aus Paris in das Königreich Böhmen und schließlich weiter in den öster-reichischen Süden vertrieben wurden. Eine völlig andere Variante weiblicher adeliger Lebensläufe stellt Michaela Žákovávor, die zum Theresianischen Damenstift für verarmte Adelige auf der Prager Burgbereits ein richtungsweisendes Buch vorgelegt hat.4 Diese philanthropische Insti-tution aus Theresianischer Zeit, 1755 gegründet, deren Gebäude bis heute das Burg-panorama auf der Kleinseite dominiert, war eine von mehreren ähnlichen Institutendes sozialen Netzes, das Maria Theresia in den Erblanden der Monarchie aufbaute.Der Eintritt in diese philanthropische Institution war eine der Möglichkeiten fürunvermögende oder unverehelichte Aristokratinnen, sich ihren aristokratischenLebensstil zu erhalten.Die Kollektiv-Monografie bietet einen erstklassigen Standard historischer Arbeit.In einigen Fällen haben sich die Autor:innen in ein gänzlich neues Thema vertieft(Jakub Pátek), sich in methodologisch förderlicher Weise auf die Rolle einer emi-nenten Aristokratin konzentriert (Milena Lenderová), oder Angehörige der Aristo-kratie in den kulturhistorischen Kontext der böhmischen Kultur eingeordnet (Be-renika Zemanová). In anderen Fällen haben Autor:innen ihr bisheriges Werk weiter-entwickelt (Jan Županič, Michaela Žáková), beziehungsweise ihre Aufmerksamkeitauf Adelsgeschlechter gerichtet, deren Bekanntheit in Tschechien nahezu Null ist(Ludmila Čiháková-Lambeinová). Sowohl, was die Fakten betrifft, als auch metho-dologisch leistet das Buch einen wertvollen Beitrag zur Erforschung des einheit-lichen österreichischen Adels, der sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts all-mählich herausbildete, den Untergang der österreichisch-ungarischen Monarchieund die Zerstörung durch die totalitären Systeme des 20. Jahrhunderts überdauerteund bis heute existiert.Prag Martin HalataRezensionen 1553 Lenderová, Milena (Hg.): Gabriela ze Schwarzenberku. Krátká cesta životem a Evropou[Gabriela von Schwarzenberg. Eine kurze Reise durch das Leben und Europa]. Praha 2006. 4 Žáková, Michaela: Tereziánský ústav šlechtičen na Pražském hradě [Das TheresianischeAdelige Damenstift]. Prag 2021. 

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