Die vorliegende Dissertation behandelt die vielfältigen Formen der Bezugnahme auf die Alten Meister in der österreichischen Malerei des 20. Jahrhunderts. Der Schwerpunkt der Untersuchung liegt in der Zwischenkriegszeit (1918-1938), wo dem Rückbezug auf die Kunst früherer Epochen besondere Bedeutung zukam. Neben der paraphrasierenden Auseinandersetzung mit berühmten Vorbildern, der Übernahme einzelner Motive und der stilistischen Angleichung in Form einer „Wahlverwandtschaft“ war der selektive Rückgriff auf die Vergangenheit vor allem ein Mittel zur Stiftung von (nationaler) Identität und Legitimation. Davon zeugt insbesondere der Topos des Barocks als österreichischer „Nationalstil“, dessen Wurzeln bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen. Parallel zur kunsthistorischen Erforschung der Barockkunst in den Zwanziger- und Dreißigerjahren setzte sich in der Kunstkritik über zeitgenössische österreichische Künstler der Begriff des „barocken Erbes“ fest, dessen vielschichtige Bedeutung in der vorliegenden Arbeit analysiert wird. So galt der Ausdruck „Barock“ unter anderem als Synonym für „Expressionismus“ und diente der Betonung des „Österreichischen“ in Opposition zum deutschen „gotischen“ Expressionismus. Die Studie thematisiert, welche Rolle Kunstkritik und Künstler selbst bei der Konstruktion von Tradition spielten, und inwieweit eine kunsthistorische Neubewertung der Vorbilder in deren Rezeption Niederschlag fand. Das letzte Kapitel der Dissertation bietet einen Ausblick auf die künstlerische Auseinandersetzung mit den Alten Meistern nach 1945.The present dissertation discusses the diverse forms of reference to the old masters in the Austrian painting of the 20th Century. The focus of the investigation lies in the inter-war period (1918-1938), where the return to the art of earlier eras was particularly important. Among paraphrasing famous models, motivic borrowings and stylistic approximation in terms of an “elective affinity”, the selective reference to the past was a means of creating (national) identity and legitimacy. This becomes evident in the topos of the baroque as an Austrian "National Style", whose roots lie in the 19th century. Parallel to the art historical research on Baroque art in the 1920s and 1930s, in the arts criticism of contemporary Austrian artists established the concept of “baroque heritage”, whose multifaceted role is analyzed in the present thesis. The term "Baroque" was applied as a synonym for "expressionism" and served to highlight the "Austrian" in opposition to the German "Gothic" expressionism. The study focuses on the role of art critics and artists in the construction of tradition, and to what extent an art-historical revaluation of the old masters influenced their reception. The last chapter of the dissertation offers an outlook to the artistic references of the old masters after 1945