Seemannsgarn : Erzählen und Navigieren in der Weltliteratur

Abstract

Narrare necesse est, zu Deutsch, Erzählen ist nötig. Diese Parole drängt sich auf, wenn wir weit und breit zurückschauen auf große Erzählwerke der Weltliteratur von Homer bis heute. Einen springenden Punkt trifft diese Parole, mag sie auch wortwörtlich so nie formuliert worden sein. Auf einen berühmten lateinischen Ausspruch spielt sie an, den Plutarch überliefert hat: Navigare necesse est, vivere non est necesse. Zu Deutsch, Seefahren ist nötig, Leben ist nicht nötig. Diesen Ausspruch soll der römische Feldherr Pompeius gemacht haben, Anno 56 vor unserer Zeitrechnung. Warum und wozu? Um Seeleute, die vor einem drohenden Sturm zurückschreckten, zur Ausfahrt zu bewegen Genau genommen, zur Rückkehr von der Ausfahrt nach Sizilien, Sardinien, Afrika, wo Pompeius für Rom dringend benötigtes Getreide herbeizuholen hatte. Insofern war der Gegensatz zwischen Navigare und Vivere, zwischen Seefahren und Leben, allenfalls ein momentaner, kein grundsätzlicher Gegensatz. Was die Seeleute lebensgefährlich bedrohte, die Ausfahrt im Sturm, das kam dem Leben der Leute in Rom zugute, nämlich der rasche Transport mangelnder Lebensmittel. Grundsätzlich gesehen also wäre jener Ausspruch des Pompeius abzuwandeln in: Navigare necesse est, quia vivere necesse est. Seefahren ist nötig, weil Leben nötig ist; weil andernfalls die Leute zu Haus an Hunger sterben

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