Jeweils exakt acht amphiphile Fullerendendrimer-Moleküle bilden spontan in wässriger Lösung Micellen, deren Auf- und Abbau durch einen externen Stimulus (pH-Wert) geschaltet werden kann. Die bemerkenswerte Strukturpersistenz der Micellen ermöglicht die Bestimmung ihrer dreidimensionalen Organisation aus kryo-transmissionselektronenmikroskopischen Aufnahmen und damit die Modellierung der molekularen Architektur

Burghardt, Stephan

Böttcher, Christoph

Hirsch, Andreas

Ludwig, Kai

Schade, Boris

OPEN FAU Online-Publikationssystem der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

AmphiphileSchaltbare supramolekulare Organisation struk-turdefinierter Micellen basierend auf einem am-phiphilen Fulleren**Stephan Burghardt, Andreas Hirsch,* Boris Schade,Kai Ludwig und Christoph Bttcher*Wir untersuchen seit einiger Zeit die Synthese und supramo-lekulare Organisation von dendritischen Amphiphilen, die alsKernbausteine Fullerene oder Calixarene enthalten.[1–3]Dabei interessiert uns neben der Herstellung von struktur-persistenten Micellen besonders der Aufbau von funktionali-sierbaren Micellen oder Liposomen, deren Aggregationsver-halten durch einen externen Stimulus gesteuert werden kann.Die daraus gewonnenen Erkenntnisse knnten sich als ntz-lich fr die Entwicklung von Wirkstofftransportsystemenerweisen. Beispiele fr solche dendritischen Amphiphile sind1) das globulre Amphifulleren 1,[1] das in einem oktaedri-schen [1:5]-Additionsmuster[4] ein Paar von Carboxy-termi-nierten Amiddendronen und fnf Dodecylmalonataddendenan den Fullerenkern gebunden enthlt, und 2) das Calixaren-derivat 2,[3] das analoge hydrophile und lipophile Bauele-mente aufweist.Im Amphiphil 1 ist der Platzbedarf der hydrophilen undhydrophoben Bereiche ausbalanciert, und es herrscht freiekonformative Beweglichkeit, was eine Bandbreite energe-tisch gnstiger Packungsmotive sowohl fr micellare Struk-turen als auch fr ausgedehnte liposomale Doppelschicht-strukturen gewhrleistet. Das tatschliche Vorliegen unter-schiedlicher Aggregationsformen wurde durch elektronenmi-kroskopische Untersuchungen besttigt.[2a] Im Unterschieddazu haben wir das Amphiphil 2 so konstruiert, dass einerelativ starre T-frmige Struktur vorliegt,[3] die keine Packungzu sehr ausgedehnten berstrukturen wie Liposomen ge-whrleistet. In der Tat haben wir zeigen knnen, dass bei dersupramolekularen Organisation von 2 ausschließlich sehrkleine, stark gekrmmte Aggregate entstehen, die das erste[*] S. Burghardt, Prof. Dr. A. HirschInstitut fr Organische ChemieUniversitt Erlangen-NrnbergHenkestraße 42, 91054 Erlangen (Deutschland)Fax: (+ 49)9131-852-6864E-mail: andreas.hirsch@chemie.uni-erlangen.deDr. B. Schade, Dr. K. Ludwig, Dr. C. BttcherForschungszentrum fr ElektronenmikroskopieInstitut fr ChemieFreie Universitt BerlinFabeckstraße 36a, 14195 Berlin (Deutschland)Fax: (+ 49)30-838-56589E-mail: bottcher@chemie.fu-berlin.de[**] Die Autoren danken der Deutschen Forschungsgemeinschaft fr diefinanzielle Untersttzung (DFG AH468/13-1 und Großgerteinitia-tive fr FU Berlin).Hintergrundinformationen zu diesem Beitrag sind im WWW unterhttp://www.angewandte.de zu finden oder knnen beim Autorangefordert werden.Zuschriften3036  2005 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim DOI: 10.1002/ange.200462465 Angew. Chem. 2005, 117, 3036 –3039Beispiel von nachweislich strukturdefinierten Micellen sind.[3]Jede dieser C2-symmetrischen Micellen besteht aus exaktsieben Amphiphilen 2. Die Struktur wurde mithilfe von Kryo-Transmissionselektronenmikroskopie (Kryo-TEM) undTechniken zur dreidimensionalen Rekonstruktion von Ein-zelpartikeln bei einer Auflsung von 12  bestimmt.[3]Wir berichten hier ber das erstmalig synthetisierte (sieheHintergrundinformationen) Amphiphil 3, dessen Aggregati-on durch nderung des pH-Wertes in unterschiedliche su-pramolekulare Organisationsformen geschaltet werden kann(Abbildung 1). Grundstzlich kann das Aggregationsverhal-ten amphiphiler Systeme mithilfe kombinierter Verfahrenbestehend aus ultraschneller Kryofixierung der Prparate(= Vitrifizierung durch schnelles Abkhlen) und direkterTEM-Abbildung bei konstanter Prparatkhlung ( 120 K)unter quasi nativen Bedingungen direkt untersucht werden.Die Abkhlung bei der Prparation erfolgt so schnell(> 104 K s1), dass eine molekulare Umstrukturierung, z. B.auch die Kristallisation des Wassers, nachweislich unterbun-den wird.[5,6] Die mikroskopischen Aufnahmen liefern Pro-jektionsbilder der Aggregate, sodass auch Informationenber ihre intrinsische Struktur zugnglich werden.Wird Amphiphil 3 auf diese Weise bei neutralem pH-Wertin Wasser untersucht (Phosphatpuffer pH 7.2), knnen vor-wiegend stbchenfrmige Aggregate mit einer doppelschich-tigen Ultrastruktur gefunden werden (Abbildung 2 a). DerDurchmesser solcher Stbchen betrgt 65 5 , die Lngevariiert sehr und berschreitet dabei deutlich ein Vielfachesdes Durchmessers. Darber hinaus werden vereinzelt auchkugelfrmige Aggregate mit einem Durchmesser von etwa85 10  gefunden. Neben den aufflligen Schwankungen imDurchmesser weisen diese Kugelmicellen auch eine deutlicheFeinstrukturierung auf. Wird der pH-Wert der neutralenLsung auf etwa 9 (Boratpuffer pH 9.2) erhht, lassen sichnunmehr ausschließlich strukturierte Kugelmicellen von 8510  Durchmesser nachweisen (Abbildung 2b). In Analogiezu unseren Untersuchungen an Micellenstrukturen des Am-phiphils 2[3] haben wir die Strukturierung der Kugelmicellenals Indiz fr eine Strukturpersistenz angesehen. Jede Einzel-struktur sollte demnach eine bestimmte rumliche Ansichtdes Aggregates reprsentieren, und somit sollte sich auch diedreidimensionale rumliche Organisation aus den BilddatenAbbildung 1. a) Amphiphiles Fullerendendrimer 3, dessen dendritischeste ber Amidbindungen (blaue Pfeile) verknpft sind. b,c) Molekl-modelle unterschiedlich protonierter Konformationen von 3, modelliertmit der Software Tinker.[7] Die Alkylketten sind zur besseren bersichtnicht dargestellt. b) Dendronen partiell protoniert; in frheren Titra-tionsmessungen an Langmuir-Blodgett-Filmen konnte fr das che-misch sehr hnliche Dendrimer 1 ein pKS-Wert von 7.5 bestimmt wer-den,[2b] fr die Simulation von 3 haben wir deshalb bei pH 7.2 8 negati-ve Ladungen (von insgesamt 18 mglichen) zugrunde gelegt. c) Den-dronen vollstndig deprotoniert (18 negative Ladungen).AngewandteChemie3037Angew. Chem. 2005, 117, 3036 –3039 www.angewandte.de  2005 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheimbestimmen lassen. Abweichungen im Durchmesser wrendamit auf die unterschiedlichen Orientierungen der Aggre-gate zurckzufhren. Mithilfe von Verfahren der Bildverar-beitung (Alignierung, Klassifizierung, Raumwinkelbestim-mung) (Abbildung 3a) gelang die Berechnung der dreidi-mensionalen Struktur auch fr die Kugelmicellen von 3(Abbildung 3b). Die erfolgreiche Rekonstruktion ist einklares Indiz dafr, dass die rumliche molekulare Organisa-tion der Aggregate (ca. 5000 Einzelaggregate wurden aus denmikroskopischen Daten willkrlich extrahiert) auf dem er-reichten Auflsungsniveau identisch ist.In die rekonstruierte 3D-Dichtekarte des Aggregateshaben wir eine visuelle dreidimensionale Einbeschreibungvon Moleklmodellen vorgenommen, um ihre mglicherumliche Organisation zueinander abzuleiten (Abbil-dung 4a und b). Verwendung fand hier eine mit dem Pro-gramm Tinker[7] simulierte Konformation von 3 in seinervollstndig deprotonierten Form (Abbildung 1c). Die Micel-lenstruktur kann in diesem Falle aus acht Moleklen in C2-symmetrischer Anordnung realisiert werden. Die molekulareOrganisation des Aggregats lsst sich dabei anschaulich ameinfachsten beschreiben, indem man zwei planare U-frmigeStrukturen aus je vier Moleklen bildet, die mit ihren offenenEnden um 908 in der Lngsachse zueinander verdreht, dabeiaber nicht ganz vollstndig ineinandergesteckt sind (Abbil-dung 4c und d). Diese Anordnung gewhrleistet eine insge-samt annhernd sphrische Gestalt und damit auch eine sehreffiziente Abschirmung aller hydrophoben Moleklteilegegen die wssrige Umgebung. Wie auch schon im Falle derstrukturpersistenten Micellen aus dem Calixarenderivat 2 istder innere Kernbereich der Micelle, der von den hydropho-ben Alkylketten eingenommen wird, in der Rekonstruktionnicht erfassbar. Da die einzelnen Ketten nicht in einerrumlich definierten Anordnung vorliegen, sondern eherAbbildung 2. Reprsentative elektronenmikroskopische Aufnahmenvon 3, eingebettet in vitrifiziertem Eis (Maßstab 50 ), zeigen a) beipH 7.2 die Bildung berwiegend stbchenfrmiger doppelschichtigerAggregate und b) bei pH 9.2 ausschließlich Kugelmicellen.Abbildung 3. Dreidimensionale Rekonstruktion der Kugelmicellen aus3 bei pH 9.2 aus kryo-elektronenmikroskopischen Daten. a) Die ersteReihe zeigt Klassensummenbilder von Micellen unterschiedlicherrumlicher Orientierung. Basierend auf den zugehrigen Raumwinkelnwurden aus den Daten dreidimensionale Strukturinformationen miteiner Auflsung von ca. 16  gewonnen. Rckprojektionen (zweiteReihe) aus dem errechneten Volumen (dritte Reihe) mit gleichenRaumwinkeln geben Hinweise auf den Grad der bereinstimmung mitden experimentellen Daten. b) Stereobild der finalen dreidimensiona-len Rekonstruktion (Maßstab 25 ).Abbildung 4. Interpretation der rekonstruierten Strukturdaten. a) AchtDendrofullerenkopfgruppen lassen sich in C2-symmetrischer Anord-nung in die rekonstruierte Dichtekarte einpassen. b) Die Ansicht von(a) um 908 nach vorn gekippt. c) Schematische Darstellung der Kopf-gruppenanordnung: Jeweils zwei planare, U-frmige Strukturen aus jevier Moleklen (gelb und blau) sind mit ihren offenen Enden um 908in der Lngsachse zueinander verdreht und – nicht ganz vollstndig –ineinandergesteckt. d) Die Ansicht von (c) um 908 nach vorn gekippt.Zuschriften3038  2005 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.angewandte.de Angew. Chem. 2005, 117, 3036 –3039statistisch mit uneinheitlicher Konformation im Kernbereichverteilt sind, wird dieser Aggregatbereich durch das ange-wandte Rekonstruktionsverfahren herausgemittelt. Lediglichdie Kopfgruppen, die durch das stark kontrastgebende Ful-leren gut lokalisierbar sind, erweisen sich in ihrer Anordnungals rumlich persistent und liefern damit das gefundeneStrukturmuster.In der molekularen Struktur von 3 ist offensichtlich einsupramolekulares Verhalten codiert, das auf einer Kombina-tion der Eigenschaften von 1 und 2 beruht. Auf der einenSeite liegt, wie in 1, eine noch eher ausbalancierte Raumer-fllung der hydrophilen und hydrophoben Bereiche vor, aufder anderen Seite sind, wie in 2, die dendritischen ste durchAmid- anstelle von Esterbindungen verknpft, was einedeutlich hhere Rigiditt verursacht. Der signifikante Schal-tungseffekt bei Vernderung des pH-Wertes kann durchEffekte elektrostatischer Abstoßung der jetzt vollstndigdeprotonierten Carboxygruppen erklrt werden, wobei alsSekundreffekt sicherlich auch die strkere Solvatisierung zubercksichtigen ist. Man kann entsprechend annehmen, dassim neutralen Bereich infolge der teilweisen Protonierung dieelektrostatische Abstoßung und damit auch die Solvatisie-rung vermindert wird, sodass eine weitaus dichtere Packungrealisiert werden kann, wie sich dies in dem im Vergleich zuden Kugelmicellen geringeren Durchmesser der Stbchenniederschlgt. Abbildung 1b zeigt hierzu das entsprechendeResultat der Konformationssimulation fr 3 in wssrigerUmgebung bei neutralem pH-Wert. Der fr alle Stbchenag-gregate durchgngig identische Wert fr den Durchmesserlegt nahe, dass der dreidimensionalen Organisation einkreisfrmiger Querschnitt zugrunde liegen muss. Hierausergibt sich eine molekulare Anordnung, die aufgrund vonDimension und Dichteprofil als doppelschichtige Fadenmi-celle verstanden werden kann. Unter Zugrundelegung desZylinderdurchmessers von etwa 65  wrde sich ein entspre-chender Krmmungsradius je nach Packungsmotiv mit etwaacht Moleklen realisieren lassen, wie es in einem Modell inAbbildung 5 vorgeschlagen wird.Die Tatsache, dass durch geeignete Substitution struktur-persistente Aggregate reproduzierbar erzeugt werdenknnen, ermglicht nunmehr die systematische Untersu-chung der ihre Bildung bestimmenden Parameter. Grundle-gende Studien zur Stabilitt der Aggregate, insbesondereihrer Toleranz gegenber einer chemischen Modifikation undvor allem auch einer Funktionalisierung der Kopfgruppen,sollten die Basis fr die Synthese von maßgeschneidertenTransportsystemen legen, die die selektive Lieferung vonWirkstoffen in lebenden Organismen gewhrleisten.Eingegangen am 29. Oktober 2004Online verffentlicht am 13. April 2005.Stichwrter: Amphiphile · Dendrimere · Elektronenmikroskopie ·Fullerene · Micellen[1] a) M. Brettreich, A. Hirsch, Tetrahedron Lett. 1998, 39, 2731 –2734; b) M. Braun, S. Atalick, D. M. Guldi, H. Lanig, M.Brettreich, S. Burghardt, M. Hatzimarinaki, E. Ravanelli, M.Prato, R. Van Eldik, A. Hirsch, Chem. Eur. J. 2003, 9, 3867 – 3875.[2] a) M. Brettreich, S. Burghardt, C. Bttcher, T. Bayerl, S. Bayerl,A. Hirsch, Angew. Chem. 2000, 112, 1915 – 1918; Angew. Chem.Int. Ed. 2000, 39, 1845 – 1848; b) A. P. Maierhofer, M. Brettreich,S. Burghardt, O. Vostrowsky, A. Hirsch, S. Langridge, T. M.Bayerl, Langmuir 2000, 16, 8884 – 8891.[3] N. Kellermann, W. Bauer, A. Hirsch, B. Schade, K. Ludwig, C.Bttcher, Angew. Chem. 2004, 116, 3019 – 3022; Angew. Chem.Int. Ed. 2004, 43, 2959 – 2962.[4] A. Hirsch, O. Vostrowsky, Eur. J. Org. Chem. 2001, 829 – 848.[5] M. Adrian, J. Dubochet, J. Lepault, A. W. McDowall, Nature1984, 308, 32 – 36.[6] J. Dubochet, M. Adrian, J.-J. Chang, J.-C. Homo, J. Lepault, A. W.McDowall, P. Schultz, Q. Rev. Biophys. 1988, 21, 129 – 228.[7] http://dasher.wustl.edu/tinker/.Abbildung 5. Modellvorschlag fr eine molekulare Anordnung von 3 inmicellaren Stbchen bei neutralem pH-Wert. Dem verwendeten Kopf-gruppenvolumen liegt die Konformation fr die teilprotonierte Formaus Abbildung 1b zugrunde. Die hydrophoben Alkylketten, die sich imZentrum der Micelle befinden sollten, sind der bersicht wegen nichtbercksichtigt. Sie entsprechen den Bereichen geringer Dichte in denelektronenmikroskopischen Aufnahmen in Abbildung 2a.AngewandteChemie3039Angew. Chem. 2005, 117, 3036 –3039 www.angewandte.de  2005 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

Schaltbare supramolekulare Organisation strukturdefinierter Micellen basierend auf einem amphiphilen Fulleren

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