Organspende vor rechtsmedizinischer Obduktion – Möglichkeiten und Grenzen : Auswertung der rechtsmedizinischen Obduktionen ungeklärter sowie nicht natürlicher Sterbefälle der Institute für Rechtsmedizin in Mainz und Zürich
Ob eine Organspende in relevantem Maß Obduktionsergebnisse oder etwaige polizeiliche Ermittlungen beeinflusst, ist eine immer wieder aufkommende Fragestellung, die in Einzelfällen, womöglich aus Angst vor einem Informationsverlust, mit der Ablehnung einer Organspende einhergehen kann. Bei stetem und weltweitem Organmangel ist jedoch jede einzelne Organspende von großer Bedeutung. Neben der Beantwortung der aufgeführten Hauptfragestellung widmet sich diese Arbeit auch der Frage nach der adäquaten rechtsmedizinischen Beteiligung im Prozess der Organspende bei ungeklärten bzw. nicht natürlichen Sterbefällen. Um sich diesem Themenfeld zu nähern, wurden Daten aus den rechtsmedizinischen Instituten Mainz und Zürich erhoben sowie eine Umfrage mithilfe der DSO an unmittelbar mit Organspenden beteiligte Personen aus der Region Mitte (DSO) verteilt. Anschließend wurden die Daten ausgewertet und im Vergleich mit internationaler Literatur diskutiert.
Das Gesamtkollektiv der Arbeit umfasst insgesamt 125 Personen in einem Beobachtungszeitraum von 1977 bis 2022. In 85 Fällen erfolgte eine Obduktion nach einer Organspende, einmal wurde eine Ablehnung der Organspende dokumentiert. Zusammengefasst zeigt sich bei 95,29 % der Fälle keine Beeinflussung der Obduktionsergebnisse. In den 4 Fällen einer dokumentierten Beeinflussung ist diese jeweils jedoch eher formeller und nicht wegweisender Natur. Unter Berücksichtigung der klinischen Befunde wurde keine relevante Unsicherheit in der Beurteilung der Todesart bzw. -ursache verzeichnet. Bei den drei eingeschlossenen Homiziden wurde keine Beeinflussung der Obduktionsergebnisse durch die vorangegangene Organspende beobachtet.
Auch zeigt sich, dass ein etwaiges Informationsdefizit der am Prozess der Organspende beteiligten Personen die Befürchtung eines relevanten Informationsverlustes unterstützen kann. Zur Vermeidung dessen und Vermittlung von Sicherheit ist so ein standardisiertes Vorgehen mit verstärkter, interdisziplinärer Kommunikation anzustreben. Hier kann die Rechtsmedizin als kommunikatives Bindeglied zwischen den beteiligten Akteuren dienen. Aus rechtsmedizinischer Sicht sollte in jedem Fall einer geplanten Organspende vor dem Hintergrund eines ungeklärten bzw. nicht natürlichen Todes eine frühzeitige körperliche Untersuchung inklusive Asservierung von Spuren durchgeführt werden. Zudem ist die Kenntnis der klinischen Maßnahmen und Diagnostik, insbesondere der prämortalen Computertomographie, für den*die begutachtende*n Rechtsmediziner*in von großer Relevanz. Die intraoperative Anwesenheit der Rechtsmedizin kann in Einzelfällen sicherlich sinnvoll sein, sollte jedoch kritisch hinterfragt und individuell, womöglich auch durch eine (digitale) „Ad-hoc-Anwesenheit“, abgewogen werden. Auch sollte im Sinne eines interdisziplinären Austausches die Möglichkeit einer fallbezogenen Aufarbeitung/Nachbesprechung in Einzelfällen angeboten werden.III, 65 Seiten ; Illustrationen, Diagramm
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