Im Fokus der Studie stehen Selbstentwürfe von Märchenerzähler:innen in Deutschland. Hierzu wurde dieser Personenkreis nach seinen Beweggründen für das öffentliche Erzählen befragt sowie dessen Performanz untersucht. Die Datenaufnahme fiel – unvorhersehbar – in die Zeit der Coronapandemie. Da es während dieser Phase zu weitreichenden und einschneidenden Veränderungen im Alltag kam, musste die ursprüngliche Konzeption der Arbeit wesentlich verändert werden. Als Konsequenz hieraus entstanden Zeitzeugnisse einer historischen Krisensituation unserer Gesellschaft. Gleichzeitig enthält die Studie einen umfassenden gegenwartsorientierten Beitrag zur Erzähler:innenforschung. Dabei baut sie auf das Erzählerlexikon von Kathrin Pöge-Alder sowie die Werke von Johannes Merkel und Siegfried Neumann auf.
Die Materialgrundlage für diese Arbeit lieferten in der Hauptsache qualitative Interviews mit 13 Personen, die vor und während der Coronapandemie befragt wurden. Altersmäßig verteilen sich die ausgewählten Gesprächspartner:innen auf die Geburtsjahrgänge von 1943 bis 1966. Befragt wurden nur Erzähler:innen, die ihre Tätigkeit als Dienstleistung anboten. Ergänzend kam es bei dieser Studie auch zu teilnehmenden Beobachtungen auf analogen und digitalen Erzählveranstaltungen. Bei der Auswertung des erhobenen Materials wurde u.a. auf die von Albrecht Lehmann entwickelte Methode der Bewusstseinsanalyse Bezug genommen, um die Aussagen der Befragten im Zusammenhang mit ihrer Biografie und der Erzählsituation weiterführend analysieren zu können.
Nach den Aussagen der interviewten Forschungspartner:innen hatten sie ihre ersten Berührungspunkte mit dem Erzählen in der Kindheit. Märchenerzählen stellt bis heute keinen staatlich anerkannten Ausbildungsberuf dar. Daher gelangten die Befragten nach Anregungen in der Kindheit auf Umwegen zu ihrer Profession. In der Regel sahen sie ihre Tätigkeit als Folge einer Berufung. Auslöser waren etwa Schicksalsschläge, Sinnkrisen oder der Wunsch nach künstlerischer Selbstverwirklichung. Diejenigen, die ausschließlich mit dem Erzählen ihren Lebensunterhalt zu bestreiten versuchten, sprachen von harten Arbeitsbedingungen, die ein hohes Maß an Kreativität von ihnen verlangten. Die Rede war von unterschiedlichen Erzählkonzepten, die zum Beispiel bei Kinderveranstaltungen, im Tourismusbereich, in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen, in Wirtschaftsunternehmen oder auf einer Baustelle zur Anwendung kamen. Mit dem Ausbruch der Coronapandemie, bei der zeitweise öffentliche Veranstaltungen untersagt waren, spitzte sich die wirtschaftliche Situation der Befragten erheblich zu. Einige von ihnen entwickelten digitale Alternativangebote und stießen dabei auf neue technische Herausforderungen. Zudem waren die Fragen des Einkommens nicht befriedigend zu klären oder das Gefühl entstand, im digitalen Raum die persönliche Authentizität nicht vermitteln zu können.The study focuses on the self-conceptions of storytellers in Germany. To this end, this group of people were asked about their motivations for public storytelling and their performance was examined. The data collection took place – unpredictably – during the COVID-19 pandemic. Since there were far-reaching and drastic changes in everyday life during this phase, the original concept of this study had to be changed significantly. As a result, contemporary testimonies of a historical crisis situation in our society were created. At the same time, the study contains a comprehensive contemporary contribution to research on oral storytellers. It builds on the „Erzählerlexikon“ by Kathrin Pöge-Alder and the works of Johannes Merkel and Siegfried Neumann.
The material basis for this work was mainly provided by qualitative interviews with 13 people who were interviewed before and during the COVID-19 pandemic. The selected interviewees were born between 1943 and 1966. Only storytellers who offered their work as a service were interviewed. In addition, this study also included participant observations at analog and digital storytelling events. When evaluating the research data, reference was made to the method of „Bewusstseinsanalyse“ developed by Albrecht Lehmann, among others, in order to be able to further analyze the statements of the interviewees in connection with their biography and the narrative situation.
According to the research partners interviewed, they had their first contact with telling of fairy tales as children. To this day, storytelling is not an officially job. Therefore, the interviewees arrived at their profession in a roundabout way after being inspired in childhood. As a rule, they saw their activity as the result of a calling. Triggers included strokes of fate, crises of meaning or the desire for artistic self-realization. Those who tried to make a living exclusively from storytelling spoke of hard working conditions that demanded a high degree of creativity from them. There was talk of very different narrative concepts that were used, for example, at children's events, in the tourism sector, in health and care facilities, in commercial enterprises or on a construction site. With the outbreak of the COVID-19 pandemic, during which public events were temporarily banned, the economic situation of the interviewees came to a head. Some of them developed digital alternatives and encountered new technical challenges in the process. In addition, the questions of financial income could not be satisfactorily clarified or the feeling arose that personal authenticity could not be conveyed in the digital space.298 Seiten ; Illustratione
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