Querelles - Jahrbuch für Frauen- und Geschlechterforschung (QJB)
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Review of: Adrian de Silva: Negotiating the Borders of the Gender Regime. Developments and Debates on Trans(sexuality) in the Federal Republic of Germany. Bielefeld: transcript Verlag 2018.
Die Geschichte der Trans(sexualität) in der Bundesrepublik ist eine Geschichte sich wandelnder Verständnisse von Geschlecht und Geschlechterordnung. Adrian de Silva betrachtet in seiner Dissertation die Entwicklungen und rechtlichen Auswirkungen dieser Verständnisse in Sexualwissenschaft, Rechtsprechung, Gesetzgebung und der Transgender-Bewegung. Er analysiert die Entstehungs- und Reformprozesse des Transsexuellengesetzes (Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen) und seine folgenreiche Verquickung von Recht, Medizin und Geschlechterpolitik. Historische und aktuelle Debatten um die „Borders of the Gender Regime“ in Deutschland lassen sich auf der Basis von de Silvas Buch neu verstehen und einordnen.The history of trans (sexuality) in the Federal Republic is a history of changing understandings of gender and gender order. In his dissertation, Adrian de Silva considers the developments and legal implications of these understandings in sexology, jurisprudence, legislation and the transgender movement. He analyzes the emergence and reform processes of the transsexual law (Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen – law on the change of given names and the determination of gender in special cases) and its momentous amalgamation of law, medicine and gender politics. Historical and current debates on the "Borders of the Gender Regime" in Germany can be understood and categorized on the basis of de Silva's book
Review of: Lisa Yashodhara Haller: Elternschaft im Kapitalismus. Staatliche Einflussfaktoren auf die Arbeitsteilung junger Eltern. Frankfurt am Main u.a.: Campus Verlag 2018.
Lisa Yashodara Haller legt mit der Mehrebenenanalyse zu gesetzlichen Steuerungsmechanismen der Arbeitsteilung junger Eltern eine fundierte empirische wie auch feministisch-materialistische Analyse vor. Die Policy-Analyse auf der einen und die subjektorientierte Interaktionsanalyse auf der anderen Seite verweisen zusammen auf die Verflechtung von staatlicher Steuerung im kapitalistischen Wirtschaftssystem und den individuellen Aushandlungsstrategien junger Eltern. Dabei wird der Komplex struktureller Ungleichverteilung von Reproduktions- und Produktionsarbeit im Kapitalismus deutlich.Lisa Yashodara Haller uses the multi-level analysis on legal control mechanisms of the division of labor of young parents to present a well-grounded empirical as well as feminist-materialistic analysis. The policy analysis on the one hand and the subject-oriented interaction analysis on the other point to the intertwining of state control in the capitalist economic system and the individual negotiation strategies of young parents. Through this, the complex of structural unequal distribution of reproduction and production labor in capitalism becomes clear
Review of: Aylin Basaran, Julia B. Köhne, Klaudija Sabo, Christina Wieder (Hg.): Sexualität und Widerstand. Internationale Filmkulturen. Wien: Mandelbaum Verlag 2018.
In den Beiträgen des Sammelbands geht es um unterschiedliche Facetten von Motiven widerständigen sexuellen Verhaltens in Filmen sowie um Filmästhetiken, die Sexualität(en) und/oder Nonkonformismus programmatisch in eine Bildsprache überführen. Im Fokus stehen Normen und Normativität und Strategien, sich diesen zu entziehen. Die bunte Mischung beinhaltet Besprechungen von (frühen) Filmen über sexuelle Aufklärung und Schwangerschaftsabbruch, ornamentale Körper in Filmen der 1930er Jahre, über Motive des Frau- und Mann-Seins, des ,Geschlechterkampfs‘ sowie der sexuellen Revolution in Jugoslawien. Die Themen reichen von Schwarz-Sein in den USA über ‚Ekstase‘ bei Eisenstein bis zum Begehren von Zombies und dem politischen Potential der Unberechenbarkeit von (sexuellen) Affekten.The contributions in this anthology deal with different facets of motives for resisting sexual behavior in films as well as film aesthetics that programmatically translate sexuality(s) and / or nonconformity into a visual language. The focus is on norms and normativity and strategies to avoid them. The colorful mix includes reviews of (early) films on sexual enlightenment and abortion, ornamental bodies in 1930s films, motifs of womanhood and manhood, 'gender struggle', and the sexual revolution in Yugoslavia. Topics range from blackness in the US, "ecstasy" at Eisenstein, to the desire of zombies and the political potential of unpredictability of (sexual) affects
Review of: Sebastian Zilles: Die Schulen der Männlichkeit. Männerbünde in Wissenschaft und Literatur um 1900. Köln u.a.: Böhlau Verlag 2018.
Um 1900 zeigt sich in der deutschsprachigen Literatur eine intensive Auseinandersetzung mit der Männerbund-Thematik. Sebastian Zilles untersucht am Beispiel kanonischer Texte von Robert Musil, Thomas und Heinrich Mann sowie Franz Werfel, welche literarischen Verfahren dabei zum Einsatz kommen und welche Rückschlüsse dies auf die sogenannte Krise der Männlichkeit wirft. Methodisch konzipiert als Verknüpfung von Masculinity Studies und Literaturwissenschaft wird das Wissen über Männerbünde und Männlichkeit in Wissenschaft und Literatur um die Jahrhundertwende reflektiert. Die Krise der Männlichkeit wird gedeutet als Folge überzogener militärisch-sozialer Disziplinierungsanstrengungen einerseits und rigider, antimoderner sowie antifeministischer Männlichkeitsutopien anderseits.Around 1900, there is an intense debate in the German-language literature with male circles [Männerbünde]. Using the example of canonical texts by Robert Musil, Thomas and Heinrich Mann, and Franz Werfel, Sebastian Zilles examines which literary methods are used and what conclusions this raises for the so-called crisis of masculinity. Methodically conceived as a link between masculinity studies and literary studies, the knowledge about male circles [Männerbünde] and masculinity in science and literature is reflected at the turn of the century. The crisis of masculinity is interpreted as a consequence of excessive military-social disciplinary efforts on the one hand and rigid, anti-modern and anti-feminist masculinity utopias on the other
Review of: Judith von der Heyde: Doing Gender als Ultra – Doing Ultra als Frau. Weiblichkeitspraxis in der Ultrakultur. Eine Ethnographie. Weinheim: Beltz Juventa 2018.
Judith von der Heyde legt eine theoretisch fundierte und empirisch reichhaltige Arbeit vor, mit der sie den Forschungsstand zu Geschlechterverhältnissen in Fußballfanszenen erweitert. Anhand ihrer ethnographischen Begleitung zweier weiblicher Mitglieder einer Ultragruppe zeigt sie auf einer praxeologischen Ebene Handlungsstrategien und Spannungsfelder junger Frauen in der männlich dominierten Jugendkultur der Ultras auf. Ihre These zur Hegemonialisierung von Weiblichkeit lässt sich zwar diskutieren, doch stellt von der Heydes Arbeit wichtige Erkenntnisse bereit und ein Korrektiv zur oftmals androzentrischen Fanforschung dar.Judith von der Heyde presents a theoretically sound and empirically rich work that expands the state of research on gender relations in the football fan scene. On the basis of her ethnographic accompaniment of two female members of an Ultragroup, she shows action strategies and areas of tension of young women in the male-dominated youth culture of the Ultras on a praxeological level. Her concluding theses on the hegemonization of femininity leave room for discussion, but von der Heydes work provides important insights and offers a corrective to the often androcentric fan research
Review of: Marie Reusch: Emanzipation undenkbar? Mutterschaft und Feminismus. Münster: Verlag Westfälisches Dampfboot 2018.
Dass der Zusammenhang von Mutterschaft und Emanzipation im Feminismus seit den 1990er Jahren scheinbar keine Rolle mehr spielt, sieht Marie Reusch als eine Schwäche des feministischen Emanzipationsprojekts. Ihre normativ ausgerichtete Studie mündet in ein kategoriales Raster zur feministischen Analyse der Mutterschaft und des Mutterseins und in ein leidenschaftliches Plädoyer, unter Frauen die Selbstverständigung über Praxen, Aneignungen und Deutungen von Mutterschaft politisch zu gestalten. Schade ist, dass das an sich unterstützenswerte und erfrischende Anliegen partiell leider (zu) legitimierend vorgetragen wird. Zudem blendet die theoretische, empirische und historische Argumentation auch konsequent die andere, ostdeutsche Realität im Staatssozialismus und seit der Wiedervereinigung aus.That the connection between motherhood and emancipation in feminism seems to have played no role since the 1990s is seen by Marie Reusch as a weakness of the feminist emancipation project. Her normative study culminates in a categorial grid of the feminist analysis of motherhood and and being a mother and a passionate plea to make the self-understanding of practices, appropriations, and interpretations of motherhood political among women. It is a pity that the supportive and refreshing concerns are put forth only partially and (unfortunately) in a legitimizing manner. In addition, the theoretical, empirical and historical reasoning also consistently disregards the other, East German reality in state socialism and since reunification
Review of: Paul Scheibelhofer: Der fremd-gemachte Mann. Zur Konstruktion von Männlichkeiten im Migrationskontext. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2018.
Scheibelhofer widmet sich der wechselseitigen Beeinflussung von Männlichkeitsstereotypen, Vorstellungen von Fremdheit und Strategien, die Migranten anwenden, um mit an sie herangetragenen Bildern umzugehen. Insbesondere argumentiert er, dass das Bild des archaisch-gefährlichen muslimischen Mannes innerhalb der Strukturen von Rassismus und sozialer Ungleichheit zwei zentrale Funktionen erfüllt: Als Antitypus normativer Männlichkeit biete es eine Möglichkeit, ein nationales ‚Wir‘ positiv zu definieren, und als Beispiel eines ‚controlling image‘ individualisierte Wege, gegen Marginalisierung zu rebellieren, ohne dabei Strukturen in Frage zu stellen.Scheibelhofer is dedicated to the mutual influence of stereotypes of masculinity, notions of strangeness and strategies that migrants use to deal with images conveyed to them. In particular, he argues that the image of the archaic-dangerous Muslim man within the structures of racism and social inequality fulfills two central functions: as an antitype of normative masculinity, it offers a way to positively define a national ‘we’ and as an example of ‘controlling image’ individualized ways to rebel against marginalization without questioning structures
Review of: Mike Laufenberg, Martina Erlemann, Maria Norkus, Grit Petschick (Hg.): Prekäre Gleichstellung. Geschlechtergerechtigkeit, soziale Ungleichheit und unsichere Arbeitsverhältnisse in der Wissenschaft. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2018.
Umfassend werden hier das Verhältnis von prekären Arbeitsverhältnissen und Diskriminierungs- und Ungleichheitsstrukturen in der Wissenschaft sowie Gleichstellungspolitiken in den Blick genommen. Die Autor_innen plädieren dafür, die Ökonomisierung von Bildung, die Herausbildung der unternehmerischen Hochschule sowie die damit einhergehende Ausbreitung unsicherer Arbeitsverhältnisse in der Wissenschaft mit Prozessen der Gleichstellungsgovernance sowie der Transformation von Geschlechterverhältnissen und insbesondere von Rassismus an der Hochschule zusammenzudenken. In 12 Beiträgen werden diesbezügliche Ambivalenzen thematisiert und Interventionsmöglichkeiten, um Geschlechtergerechtigkeit, eine nicht-rassistische Hochschule und sichere Beschäftigungsverhältnisse zu verwirklichen, diskutiert.Here, the relationship between precarious employment and structures of discrimination and inequality in higher education as well as gender equality policies are comprehensively considered. The authors argue that the economisation of education, the emergence of the entrepreneurial university and the associated spread of precarious working conditions in higher education should be considered in conjunction with processes of equality governance, the transformation of gender relations and especially racism at the university. 12 contributions deliberate ambivalences and discuss ways to implement gender equality, a non-racist university and secure employment
Review of: Katharina Volk: Von der Gesellschaftsanalyse zur Utopie. Ein historischer Rückblick auf materialistisch-feministische Theorien. Münster: Westfälisches Dampfboot 2018.
Katharina Volk zielt in ihrer theoretisch und methodisch im historischen Materialismus verankerten Studie auf die (Wieder-)Belebung der feministischen Erkenntniskritik am Gesellschaftsbegriff und der Suche nach Ideen für ein ‚gutes Leben‘. Hierfür analysiert sie systematisch ausgewählte Theorien des 19. und des späten 20. Jahrhunderts, in denen es um die Verhältnisbestimmung von Erwerbs- und Familien-/Hausarbeit im kapitalistischen Patriarchat geht, und bettet diese in ihre jeweiligen sozialen, gesellschaftlichen und politischen Kontexte ein. Die sorgfältigen, partiell auch langatmigen Rekonstruktionen erinnern an längst vergessene Analysen und Kritiken zum Zusammenhang von Frauenfrage und sozialer Frage und geben Impulse für zeitgenössische intersektionale Gesellschaftstheorien.Katharina Volk, in her theoretical and methodological study anchored in historical materialism, aims to revive feminist critique of the concept of society and search for ideas for a ‘good life’. To this end, she systematically analyzes selected nineteenth and late twentieth-century theories, which deal with the relationship of work and domestic- and care-work in capitalist patriarchy and embeds them in their respective social and political contexts. The careful, sometimes lengthy reconstructions are reminiscent of long-forgotten analyses and criticisms of the connection between the question of women and the social question and provide impulses for contemporary intersectional social theories
Review of: Myra Marx Ferree: Feminismen. Die deutsche Frauenbewegung in globaler Perspektive. Frankfurt am Main u.a.: Campus Verlag 2018.
Frauen*Bewegungen folgen in verschiedenen Ländern einer je eigenen Dynamik, die v.a. durch die jeweiligen Verknüpfungen der Geschlechterverhältnisse mit anderen Dimensionen sozialer Ungleichheit geprägt wird, aber auch abhängig ist von unterschiedlichen strategischen Entscheidungen der Akteur*innen in diesem Kontext. Myra Marx Ferree demonstriert die Pluralität und Dynamik feministischer Politik am Fallbeispiel Deutschland im Vergleich mit den USA über den langen Zeitraum von 1848 bis 2005. Eher exemplarisch als systematisch werden große Linien des Wandels von Feminismus bzw. von Gender Politics in ihrer intersektionalen Verschränkung mit anderen Achsen der Differenz wie auch mit anderen Dimensionen sozialer Bewegung und politischen Handelns beleuchtet. Die Vergleichsperspektive soll vor allem der Strategieentwicklung feministischer Politik in globaler Perspektive zu neuen Impulsen verhelfen.Women's movements follow different dynamics in different countries and are mainly characterized by the respective links of gender relations with other dimensions of social inequality, but are also dependent on different strategic decisions by the actors in this context. Myra Marx Ferree demonstrates the plurality and dynamics of feminist politics in the case of Germany compared to the US over the long period from 1848 to 2005. Rather exemplary than systematic broad lines of change of feminism or gender politics are highlighted in their intersectional entanglement with other axes of difference as well as other dimensions of social movement and political action. Above all, the comparative perspective is intended to give new impulses to the development of strategies of feminist politics in a global perspective